Abmahnschreiben treiben neue Blüten 2

Während die juristische Bemängelung der Verwendung von Wörtern in redaktionellen Beiträgen eine noch relativ junge Masche ist, sind Abmahnungen von mehr oder weniger professionell formulierten Kritiken so alt wie es Publikationen gibt. Nur mit dem kleinen aber feinen Unterschied:

Bis heute reichen die meisten Chefredakteure entsprechende Schreiben an ihre Rechtsabteilung weiter und die Anwälte machen unter sich aus, wie am Ende verfahren wird. Viele Angelegenheiten darüber sind deshalb auch nie veröffentlicht worden, weil sie in der direkten Kommunikation geklärt werden konnten. Meist fand sich in der jeweils nächsten erreichbaren Ausgabe ein konstruktiver Leserbrief oder eine sachliche Richtigstellung und manchmal auch eine erzwungene Gegendarstellung. Dann war die Sache vom Tisch. Die Leser konnten sich ohne tendenziöse Thematisierung ein eigenes Urteil bilden.

Das ist inzwischen anders. Der Vorgang der Auseinandersetzung selbst gerät in die Schlagzeilen. Webautoren (www.werbeblogger.de) greifen die Problematik auf, die sich binnen Stunden multipliziert und zahlreiche Kommentatoren findet. Dabei können kritisierte Unternehmen nur den Kürzeren ziehen, wenn sie ihre Anwälte einschalten, ohne den Dialog vorher zu suchen. Die Drohgebärden in der antiquierten Sprache der Juristen kommen nirgendwo außer vor Gericht gut an. Darüber hinaus reißt die unvermeidliche Diskussion im Web weitere Baustellen auf, die mit der eigentlichen Sache nur wenig zu tun haben. Was bleibt ist ein angekratztes Image, nach dem Motto, da war doch mal was.

Aus jahrzehntelanger Erfahrung kann ich betroffenen Unternehmen nur empfehlen, selbst in haarsträubenden Angelegenheiten zunächst ausschließlich den konstruktiven Dialog zu suchen. Mir sind bis auf wenige einschlägige Ausnahmen mehr Fälle bekannt, in denen sich die Wogen schneller glätteten, als dass sie nachhaltig nässen konnten. Zur juristischen Keule sollten kritisierte Unternehmen erst dann greifen, wenn sie es mit völligen Ignoranten geltender Gesetze, Rechte und Normen zu tun haben. (tj)