Peter Ganten/1. Interview: Auf Linux umstellen muss sich rentieren

Peter Ganten nimmt im Interview mit dem Mittelstands­Wiki kein Blatt vor den Mund: Den Software-Riesen sei der Mittelstand nicht wichtig genug. Der Geschäfts­führer von Univention ist Vollprofi in Sachen Umstellung auf Linux. Er sagt: Open Source ist wirtschaftlicher. Er weiß aber: Gute Arbeit kostet Geld.

Open Source hat eine Bedeutung wie der Buchdruck

Die Univention GmbH, einer der führenden Hersteller von Linux-basierten IT-Infrastrukturprodukten, unterstützt Unternehmen und Behörden bei der Migration von proprietären Betriebssystemen hin zu Linux. „Wir empfehlen, nicht die ganze Infrastruktur direkt auf Open Source umstellen zu wollen. Die Migration von bestehenden Spezialanwendungen könnte zu teuer werden. Man braucht einen Migrationsplan“, so Peter Ganten, Geschäftsführer der Univention GmbH im Interview mit dem Mittelstandswiki.

MittelstandsWiki: Welchen Trend sehen Sie für Open Source im Unternehmenseinsatz?

Peter Ganten: Open Source ist etwa seit 1998/99 ein Thema in der IT-Industrie. Anfangs setzten nur die Universitäten auf quelloffene Lösungen. Schon bald kamen die Application-Service-Providing-Anbieter (ASP) hinzu, da sich Open-Source-Lösungen speziell in Fragen der Sicherheit auszeichnen. Die Entwicklung schritt kontinuierlich voran. Es gab keinen richtigen Hype. Aber inzwischen gibt es kaum ein Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, das nicht irgendwo im Unternehmen Open Source einsetzt. Im Mittelstand ist dies anders.

MittelstandsWiki: Auf welche Situation trifft man im Mittelstand hinsichtlich Open Source?

Peter Ganten: Im KMU-Bereich setzt man zum Teil noch vollständig auf Lösungen von Microsoft oder die klassische Produktlinie von Novell. Dennoch spüren die mittelständischen Unternehmen eine zunehmende Abhängigkeit von einzelnen Softwareanbietern. Die lassen sich die Hersteller natürlich bezahlen. Auch das Sicherheitsbedürfnis von KMU steigt, so dass Open Source für den Mittelstand immer interessanter wird.

MittelstandsWiki: Warum sollten KMU Open-Source-Lösungen einsetzen?

Peter Ganten: Für Open Source finden Sie vor Ort in Deutschland kompetente Ansprechpartner, die man bei Problemen in die Pflicht nehmen kann. Neue Anforderungen lassen sich flexibel umsetzen. Bei proprietärer Software wird auf Wunsch einzelner Unternehmen keine Software-Anpassung stattfinden. Dafür sind wir im Mittelstand den Softwareriesen nicht wichtig genug. Allerdings darf man nicht erwarten, dass Open Source ganz kostenlos ist. Gute Arbeit kostet Geld. Deshalb bezahlt man für Dienstleistungen rund um Open Source. Auf längere Sicht hat Open Source aber die bessere Wirtschaftlichkeit.

MittelstandsWiki: Wie sollte eine gute Migration auf Open Source aussehen?

Peter Ganten: Zu Beginn empfehlen wir eine fachkundige Beratung, um die bestehenden Software-Abhängigkeiten, die Hardware und die Geschäftsprozesse zu prüfen. Da können schon drei bis vier Beratungstage ausreichen. In manchen Fällen hat es dann keinen Sinn, direkt auf Open Source zu wechseln. Bei einer Migration von 90 % der Infrastruktur spart man bis zu 90 % der Kosten. Doch die Migration der letzten 10 % kann die ganze Wirtschaftlichkeit der Umstellung gefährden. Unter Umständen braucht ein Unternehmen zwei bis drei Jahre, um die Abhängigkeiten zu verringern. Wenn aber eine Migration ansteht, z.B. bei einer Windows-NT- oder -2000-Landschaft, sollte man sich für Open Source entscheiden. Man beginnt eine Migration mit dem Bereich, wo sie den größten Nutzen bringt. In der Regel wird die Reihenfolge Server, Clients und dann Desktops sein.

MittelstandsWiki: Was ist das Besondere an den Lösungen von Univention?

Peter Ganten: Noch in 2001 hatte Linux im Vergleich zu Microsoft-Produkten einen Nachteil. Wie eine von Microsoft finanzierte IDC-Studie damals ergab, war Linux im Bereich Lizenzen und Sicherheit im Vorteil. Doch für die Implementierung brauchte man Fachwissen, und die Administration war so aufwendig, dass Microsofts Lösungen wirtschaftlicher waren. Bei Linux fehlte etwas Vergleichbares zu der zentralen Benutzer- und Ressourcendatenbank Active Directory. Wir haben eine entsprechende Lösung für Linux geschaffen. Unser Univention Corporate Server (UCS) lohnt sich bereits für Unternehmen, die zwei Computer einsetzen. Dann sinken bereits die Administrationsaufwände durch die zentrale Verwaltung (Single Point of Administration). Unser spezielles Vorgehen wird auch an dem Beispiel des Mittelständlers Möbel Flamme sehr deutlich, deren IT-Infrastruktur wir erfolgreich konsolidiert und auf Linux umgestellt haben.

MittelstandsWiki: Ihre Vision für Open Source ist, dass Software zu einem allgemein verfügbaren Kulturgut wird, auf das jeder Mensch in jedem Land aufbauen kann. Was meinen Sie damit?

Peter Ganten: Dieser Ausspruch ist nicht meine Erfindung. Aber ich denke, Open Source hat eine Bedeutung wie der Buchdruck. Software ist keine Geheimwissenschaft mehr. Man kann im Rahmen der Ausbildung ein Betriebssystem verändern und schauen, was passiert. Das war vor Open Source nicht möglich. Open Source fördert die mittelständische Software-Industrie in Deutschland, aber auch in den Schwellenländern. Open Source macht Software zu einem Kultur- und Wirtschaftsgut.

Das Interview führte Oliver Schonschek.

Peter Ganten, Geschäftsführer der Univention GmbH und Mitglied des Vorstandes des Linux-Verbandes, gründete 2002 die Univention GmbH. Sein Weg in die Linux-Welt war ungewöhnlich. Während seines Psychologiestudiums arbeitete er am Aufbau des EEG-Labors für das Institut für Psychologie und Kognitionsforschung mit. Als Administrator konnte er hier seinem anderen großen Interesse neben der Psychologie, der Programmiererei und Einrichtung von Netzwerken, nachgehen und sein Wissen in diesen Gebieten vertiefen. Unterschiedliche Überlegungen führten zu Gantens Entschluss, später Unternehmer zu werden. Dazu zählten seine Kenntnisse des Softwaremarktes, seine Begeisterung für Linux und seine Erfahrung mit der Open-Source-Software. Sein Plan für die kommenden Jahre besteht darin, Univention zu einem der wichtigen Player des deutschsprachigen Marktes zu machen.