IT muss die Sprache des Mittelstandes sprechen

Der BVMW (Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V.) vertritt nicht nur die Interessen seiner Mitglieder durch Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel, sondern versteht sich auch als Mittler zwischen KMU und IT-Anbietern. Regionale IT-Kommissionen bilden Netzwerke aus Experten, die den Mitgliedern zur Seite stehen. „Viele IT-Anbieter argumentieren nicht aus der Perspektive des Mittelstandes. Der Unternehmer fühlt sich nicht angesprochen, und die erforderliche Modernisierung beginnt gar nicht erst“, so Dr. Michael Eggers, Leiter der IT-Kommission Nord des BVMW gegenüber dem MittelstandsWiki.

Herr Dr. Eggers, im Mittelstand stehen Modernisierungen an. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie dabei in der IT?

Dr. Eggers: Wir haben im Mittelstand zwar keine veraltete IT-Landschaft, aber anstehende Modernisierungen dürfen nicht verschlafen werden. Um ein Beispiel zu nennen: Es darf dem Mittelständler nicht passieren, dass die großen Abnehmer eines Tages kommen und nur noch über E-Commerce-Wege bestellen wollen, und er ist nicht vorbereitet.

So richtig kommt die Modernisierung der IT bei den KMU doch nicht voran. Voran liegt dies Ihrer Meinung nach?

Dr. Eggers: Zum einen gibt es da ein Generationenproblem, eine mangelnde Aufgeschlossenheit für moderne IT-Lösungen. Andererseits glauben viele jüngere Unternehmer, sie könnten es selber richten. Aber die Umsetzung von Produktionsprozessen in speziellen IT-Anwendungen erfordert Expertenwissen, da reichen die Kenntnisse nicht aus, die man sich selbst angeeignet hat. Das in seiner Breitenwirkung bedeutendste Problem liegt in der Kommunikation zwischen mittelständischem Entscheider und IT-Anbieter.

Welches Problem meinen Sie?

Dr. Eggers: Die Ansprache der IT-Unternehmen gegenüber dem Mittelstand ist oft zu technologisch oder verfehlt ihr Ziel komplett. Ein Beispiel: Ein Logistikunternehmen ist seit Jahren erfolgreich, da der Chef immer die richtigen Disponenten ausgewählt hat, die alle Kapazitäten optimal ausnutzen. Jetzt kommt ein IT-Anbieter und sagt, das Unternehmen solle eine IT-Lösung einsetzen, um sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren zu können. Dabei soll die Lösung die Disposition übernehmen, das ist aber die Kernkompetenz. Der Mittelstand findet sich in den Marketing-Aussagen der IT-Anbieter oft nicht wieder.

Wie kann man das ändern?

Dr. Eggers: Wir als BVMW verstehen uns als Coach, als Vermittler. Wir sprechen die Sprache des Mittelstandes, kennen die Probleme und können deshalb den Modernisierungsprozess begleiten. So kann zum Beispiel ein großer IT-Anbieter ohne Mittelstands-Know-how gemeinsam mit einem mittelständischen Beratungshaus die Projekte angehen.

Da kommt jetzt die IT-Kommission ins Spiel. Was verstehen Sie darunter?

Dr. Eggers: Die IT-Kommission Nord besteht aus ca. 30 BVMW-Mitgliedern, die im IT-Umfeld tätig sind. In der IT-Kommission bilden wir ein Netzwerk aus unterschiedlichen Experten. Wir sind breit aufgestellt, da sind Anwälte, Trainer, Berater und IT-Anbieter darunter. Seit etwa sechs Monaten bieten wir neben unserer Website auch eine kostenfreie IT-Service-Line an.

Wie funktioniert diese IT-Service-Line?

Dr. Eggers: Die Mitglieder der IT-Kommission betreiben sie im Schichtdienst, ein echter 24×7-Service. Wir bieten den Anrufern eine Vorqualifizierung des geschilderten IT-Problems und machen einen Vorschlag, wer es lösen könnte. Wir kennen uns innerhalb des Netzwerkes und können einen Rückruf innerhalb einer bestimmten Frist zusagen. Wenn das Unternehmen nach dem Erstgespräch weitere Unterstützung wünscht, macht das betreffende Mitglied ein Angebot. Da wir diesen Service gerade neu anbieten und bewerben, wird er noch nicht so stark genutzt.

Was passiert, wenn jemand aus Süddeutschland bei der IT-Service-Line anruft?

Dr. Eggers: Wir bedienen die Anfrage natürlich genauso. Wenn die Problemlösung eine räumliche Nähe zu dem anfragenden Unternehmen erfordert, oder das Know-how nur dort verfügbar ist, geben wir es weiter an die Regionalgruppe im Süden, dort IT-Help genannt. Es gibt neben unserer IT-Kommission Nord noch eine Gruppe von zwölf Mitgliedern in Bremen, die IT-Help in München sowie Gruppen in Brandenburg und im Ruhrgebiet. Die Gruppen tauschen sich natürlich untereinander aus.

Herr Dr. Eggers, Sie waren kürzlich in Berlin beim Bundeswirtschaftsministerium. Wie sieht die Lobbyarbeit des BVMW aus?

Dr. Eggers: Wir nehmen für und mit unseren Mitgliedern Einfluss in Berlin und Brüssel. Eine Success Story unserer gemeinsamen Lobbyarbeit ist zum Beispiel die mit unseren Mitgliedern, deren Fachverbänden und -Initiativen vor Ort durchgesetzte Verhinderung der EU-Softwarepatentrichtlinie. Wir als Verband sind für patentfreie Software im Interesse der Softwarehersteller und -nutzer. Seit August bin ich Koordinator für die Kontakte zu den Bundesministerien. Dort sucht man aktiv den Kontakt zum Mittelstand. Ich vermittle bei Anfragen aus Berlin die richtigen Experten aus dem Mittelstand, umgekehrt bringe ich unsere Wünsche zur richtigen Stelle in Berlin. Bei den KMU-Kampagnen des Bundes sollen die KMU, um die es geht, nicht fehlen. Und Fördergelder sollen auch ihren Weg finden. Ich glaube, die Fördermittel werden alleine deshalb schon häufiger an Großunternehmen gegeben, weil man aus dem Mittelstand keine oder keine qualifizierten Anträge bekommt. Das wollen wir ändern.

Herr Dr. Eggers, vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

Dr. Michael Eggers, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der HanseEscrow Management GmbH, Leiter IT-Kommission der Wirtschaftsregion Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen im Bundesverband mittelständische Wirtschaft e. V. (BVMW), Studium der Chemie an der Universität Hamburg, 1991 Diplom, 1994 Promotion und Auszeichnung durch den Stiftungsverband der Deutschen Wissenschaft, seit 1997 in der IT-Branche, dort Positionen im internen Qualitätsmanagement, in der technischen Dokumentation und im Anwenderservice, Leiter der Abteilungen IT und Technical Support, Ende 2003 Gründung der HanseEscrow Management GmbH zusammen mit zwei Partnern, dort verantwortlich für das Vertragswesen, die Finanzen und das Qualitäts- und Projektmanagement.

Das Interview führte Oliver Schonschek.