Tariftreueregelungen sind ein heißes Eisen

So genannte Tariftreueregelungen sind für den Mittelstand ein heißes Eisen. Tariftreuegesetze wurden in einigen Unions- wie auch SPD-regierten Bundesländern eingeführt, um ansässige, tarifgebundene Unternehmen bei der Bewerbung um öffentlich ausgeschriebene Aufträge vor den Billigangeboten tariflich ungebundener Unternehmen aus anderen EU-Ländern zu schützen. Die Regelungen bestimmen, dass Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die tariflich entlohnen. Zu den heftigsten Befürwortern zählen aber auch die Gewerkschaften.

Die Motive der Gewerkschaften haben allerdings mit den Argumenten des Mittelstands für Tariftreuegesetze wenig zu tun. Im Gegenteil: Sie befürchten ohne solche Tariftreuegesetze eine „Erosion des Tarifvertragssystems“ und wollen über diese Regelungen auch inländische mittelständische Dienstleister in die Tarife zwingen.

Immerhin vergeben die rund 30.000 öffentlichen Vergabestellen pro Jahr Aufträge im Wert von 360 Milliarden Euro. Wie groß der Anteil ausfällt, der in die lokale mittelständische Wirtschaft fließt, hängt in vielen Branchen davon ab, welche Lohnkosten in die Kalkulation einfließen.

Die meisten westdeutschen Bundesländer haben deshalb Tariftreuegesetze eingeführt. Auf Berlin im Jahr 1999 folgten zwischen 2000 und 2004 Bayern, das Saarland, Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg. 2007 kam Hessen dazu. Rheinland-Pfalz hat für diesen Sommer ein Gesetz angekündigt, die Große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern denkt darüber nach.

2006 stellte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil die Zulässigkeit derartiger Tariftreueregelungen fest. Anfang April dieses Jahres jedoch kassierte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil wieder ein. Konkret hatte der EuGH über das niedersächsische Landesvergabegesetz zu richten. Die EU-Richter erklärten mit Urteil vom 3. April 2008 (Rechtssache C-346/06) das niedersächsische Landesvergabegesetz für rechtwidrig. Es sei weder mit der Arbeitnehmer-Entsende-Richtlinie 96/71/EG noch mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG vereinbar.

Fakt ist, dass die Vor- und Nachteile einer solchen Reglementierung der öffentlichen Auftragsvergabe aus Sicht des Mittelstands schwer abzuwägen sind. Neben der unterschiedlichen Situation der Unternehmen spielen auch die Besonderheiten einzelner Branchen ein wesentliche Rolle.

In den „WSI-Mitteilungen Ausgabe 04/2008“ der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung werden das Thema und die Folgen des EuGH-Urteils zwar aus Gewerkschaftssicht, aber wissenschaftlich seriös und ausführlich erörtert. Der Beitrag ist deshalb auch für mittelständische Unternehmer lesenswert, egal, ob man zu den Befürwortern oder Gegnern der Regelungen zählt.

(idw/ml)