Abmahnung im Arbeitsrecht: Wie eine arbeitsrechtliche Abmahnung aussieht

Mit Abmahnungen von Beschäftigten gibt es regelmäßig Ärger. Ein guter Teil davon wäre zu vermeiden, wenn der blaue Brief allen inhaltlichen und formalen Anforderungen genügen würde. Was eine rechtlich hieb- und stichfeste Abmahnung enthalten sollte, sagt Sabine Wagner in diesem Schwerpunktbeitrag.

Der Schuss vor den Bug muss sitzen

Von Sabine Wagner

Die Abmahnung ist ein wichtiges Werkzeug einer guten Personalpolitik: Sie hält dem Arbeitnehmer zum richtigen Zeitpunkt vor Augen, dass er durch sein Verhalten seinen Arbeitsplatz gefährdet. Pflichtverletzungen sind insbesondere das Vortäuschen von Krankheit, unentschuldigtes Fehlen, Zuspätkommen, Unfreundlichkeit gegenüber Kunden, eigenmächtiger Urlaubsantritt, das Ausüben einer unerlaubten Nebentätigkeit und die Nichtbeachtung von betrieblichen Rauch– und/oder Alkoholverboten.

Die Grenze zwischen einer bloßen Unachtsamkeit und einer handfesten Pflichtverletzung ist im Betriebsleben allerdings nicht immer leicht zu finden. Eine Reihe von Entscheidungen hat in dieser Frage in der Vergangenheit für ungutes Presseecho gesorgt. Auch wenn Einzellfälle immer wieder voller Unwägbarkeiten stecken, so gibt es doch einige verlässliche Grundregeln, eine Abmahnung hieb- und stichfest zu machen.

Schriftlich, konkret, mit Konsequenzen

Eine Abmahnung rechtfertigt bei einer weiteren gleichartigen Pflichtverletzung eine schriftliche Kündigung. Voraussetzung ist allerdings, dass die Abmahnung nicht zu beanstanden ist. Dazu sollten Sie Folgendes beachten:

Die Abmahnung

  • erfolgt schriftlich sowie mit Nachweis des Zugangs;
  • enthält ausschließlich richtige Tatsachenbehauptungen;
  • benennt Verfehlungen konkret, unter Angabe des Datums und der Uhrzeit sowie mit einer detaillierten Schilderung des Fehlverhaltens;
  • ist so formuliert, dass die Ehre des Mitarbeiters nicht durch Unwerturteile, die über das notwendige Maß eines Tadels hinausgehen, verletzt wird;
  • beruht auf einer zutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Mitarbeiters;
  • enthält die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen;
  • beachtet den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d.h. die Pflichtverletzung ist nicht geringfügig und die Abmahnung das geeignete Mittel;
  • sollte zeitnah erfolgen, damit Ihr Mitarbeiter nicht die Verwirkung des Rechts zum Ausspruch der Abmahnung entgegenhalten kann.

Zu diesen Merkmalen im Einzelnen ist zunächst zu sagen, dass jede Abmahnung aus Beweisgründen schriftlich erfolgen sollte – auch wenn dies vom Gesetz nicht vorgeschrieben ist. Das Unternehmen sollte auch den Zugang der Abmahnung beim Arbeitnehmer beweisen können, also z.B. die Zustellung durch Boten, durch den Vorgesetzten mit Empfangsbestätigung des betroffenen Arbeitnehmers oder durch Einschreiben.

Sammelabmahnungen sollte man tunlichst vermeiden. Denn sofern die Abmahnung im Einzelfall nur zum Teil berechtigt ist, zum Teil aber nicht, kann der betreffende Mitarbeiter verlangen, dass sie vollständig aus der Personalakte entfernt wird. Wenn solch ein Fall eintritt, empfiehlt es sich, dass das Unternehmen kurzfristig eine neue Abmahnung ausspricht, die sich auf die Pflichtverletzung bzw. Pflichtverletzungen beschränkt, die zu einer Abmahnung berechtigen. Besser ist es aber, gleich von Anfang an pro Pflichtverletzung eine Abmahnung zu verfassen.

Ein Mitarbeiter kann die Richtigkeit einer Abmahnung noch im Kündigungsprozess bestreiten. Ihr Unternehmen muss dann die Pflichtwidrigkeiten beweisen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen für jede Abmahnung ausreichend Zeit nehmen, ruhig und sachlich bleiben; beachten Sie die oben genannten Ausführungen oder schalten Sie gleich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht ein.

Eine Kündigung kann das Unternehmen nur bei einem gleichartigen Wiederholungsfall aussprechen. Sofern der Mitarbeiter z.B. wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts korrekt abgemahnt wurde, kann ihm nur dann ohne weitere vorherige Abmahnung schriftlich gekündigt werden, wenn er sich erneut eigenmächtig in den Urlaub verabschiedet hat. Eine andere Art von Pflichtverletzung berechtigt dagegen nicht zur Kündigung.

Kleinbetriebe und andere Ausnahmen
Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn das Unternehmen ein Kleinbetrieb im Sinn des § 23 Kündigungsschutzgesetz ist („in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer“). Die jüngere Rechtsprechung hat jedoch gezeigt, dass unter Umständen auch regelmäßig im Betrieb eingesetzte Leiharbeiter hinzugerechnet werden, sodass die Anzahl der Beschäftigten dann mehr als Arbeitnehmer beträgt – mit der Folge, dass eine Abmahnung erforderlich wird. Ferner entfällt die Abmahnung in der Probezeit. Schließlich ist keine Abmahnung erforderlich, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und einem Mitarbeiter, der eine Vertrauensstellung innehat, endgültig zerrüttet ist.

Fazit: Kräfte halten, Kasperl kündigen

Bei einer geringfügigen Pflichtverletzung wie z.B. einem Flüchtigkeitsfehler sollte man zunächst mit einer schriftlichen Ermahnung arbeiten; einer Ermahnung fehlt die Androhung der arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Verletzt der betreffende Mitarbeiter dann erneut diese Pflicht, ist eine Abmahnung gerechtfertigt.

Sofern Sie Interesse daran haben, diesem Mitarbeiter zu kündigen, ist es in diesen Fällen ratsam, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuschalten, der Ihnen sagt, wie viele Abmahnungen im konkreten Einzelfall erforderlich sind. Eine Abmahnung zu wenig oder eine zu viel kann negative Auswirkungen auf Ihre Kündigung haben und zu einem Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Mitarbeiters führen.

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