CEO: Welche Macht ein CEO wirklich hat

Dass der Chief Executive Officer aus der obersten Chefetage kommt, ist klar. Welche Befugnisse und welche Verantwortung ein CEO im Board of Directors tatsächlich hat, hängt aber stark von der jeweiligen Firmenstruktur ab. Michael J.M. Lang erklärt, was die Spitzenposition im Einzelnen auszeichnet.

Chefstratege und Top-Entscheider

Von Michael J.M. Lang

Der Begriff „Chief Executive Officer“ (CEO) kommt aus den USA und bezeichnet dort den jeweils höchs­ten Entscheider eines Unternehmens. Je nach Rechts­form des Unternehmens ist unter einem CEO das geschäftsführende Vorstandsmitglied, der Vor­stands­vor­sit­zende oder in kleineren Unternehmen auch der allein zeich­nungs­be­rech­tig­te Geschäftsführer zu verstehen.

In Deutschland hat der Begriff CEO jedoch keinerlei rechtliche Bedeutung! Deshalb sind Arbeitsverträge, die den Aufgabenbereich mit dem Begriff CEO beschreiben, rechtlich unvollständig. Sollte also in Ihrem Arbeitsvertrag der Begriff CEO aufscheinen, bestehen Sie darauf, dass dieser durch einen eindeutigen und rechtlich relevanten Begriff nach deutschem Arbeits- und Unternehmensrecht ersetzt wird.

Sprachgebrauch der Globalisierung

In deutschen Unternehmen taucht der Begriff seit den 80er-Jahren immer häufiger auf. Dies war die Zeit, in der US-Unternehmen vermehrt begannen, deutsche Niederlassungen zu gründen bzw. deutsche Unternehmen zu akquirieren. Zuerst nur firmenintern, bestanden die Mutterkonzerne darauf, neben der angelsächsischen Firmenkultur auch die zu Hause gebräuchlichen Funktionsbezeichnungen zu verwenden.

Markt ahoi!
Die für nicht-angelsächsische Ohren so militärisch klingende Bezeichnung „Officer“ in der Privatwirtschaft hat ihre Wurzeln im 16.. und 17. Jh., als in Großbritannien die nach heutigem Verständnis ersten Unternehmen, die Seehandelsgesellschaften entstanden. Diese bedienten sich im operativen Geschäft – d.h. auf den Schiffen – der bewährten, streng hierarchischen, militärischen Struktur, da sich diese in Gefahrensituationen auf See als die effizienteste erwiesen hatte. Mt den Niederlassungen dieser Seehandelsgesellschaften auf dem neu entdeckten Kontinent Amerika fasste die Tradition der maritimen Führungsstruktur auch dort Fuß, denn diese Niederlassungen waren in den Kolonien oft lange Zeit die einzigen Unternehmen, die diesen Namen verdienten.

Nach und nach begannen jedoch immer mehr international tätige deutsche Unternehmen diese angelsächsischen Begriffe im eigenen Haus, aber auch in der Kommunikation nach außen zu verwenden. Das erleichterte einerseits den Kontakt zu internationalen und US-Geschäftspartnern und betonte andererseits auf dem Arbeitsmarkt die Internationalität und damit das Karrierepotenzial des Unternehmens.

Position in der Unternehmensstruktur

Um die Funktion und Machtbefugnis eines „echten“ CEO, also des CEO eines US-Unternehmens einschätzen zu können, müssen wir uns zuerst kurz mit der Hierarchie eines US-Konzerns und seinem sogenannten Board of Directors (kurz: Board) befassen. Das Board eines US-Unternehmens ist üblicherweise ein Mix aus Vorstand und Aufsichtsrat (eine sogenannte monistische Hierarchie – zu dualistisch organisierten Unternehmen siehe weiter unten). Der Vorsitzende wird als Chairman of the Board (COB) bezeichnet, seine Mitglieder als Chief Officer (CxO). Das X in der Abkürzung steht für jeweils einen weiteren Buchstaben, der die genaue Zuständigkeit bezeichnet.

Üblich sind hier die Corporate Titles

  • Chief Executive Officer (CEO: geschäftsführendes Vorstandsmitglied),
  • Chief Financial Officer (CFO: Finanzvorstand) und
  • Chief Operating Officer (COO: für das operative Geschäft zuständiges Vorstandsmitglied).

Da es noch zahlreiche weitere – oft branchenspezifische – C-Funktionsbezeichnungen gibt, deren Zuständigkeiten sich relativ leicht aus den Bezeichnungen erschließen lassen, reicht es, sich zu merken, dass Chief Officers grundsätzlich der höchsten Entscheidungsebene eines Unternehmens angehören (entweder Vorstand oder Geschäftsleitung) . Funktionsbezeichnungen, die mit „Chief“ beginnen, aber kein „Officer“ enthalten, bezeichnen hierarchisch die Ebene der Abteilungsleiter.

Geschäftsführung in Varianten

Grundsätzlich werden diese C-Funktionsbegriffe in den USA nicht nur im Zusammenhang mit Aktiengesellschaften gebraucht, sondern auch für Familien- und mittelständische Unternehmen. Dann entspricht die CO-Ebene der Geschäftsführung.

Übrigens wird auch in der Wirtschaft der angelsächsischen Welt der Begriff des CEO nicht immer gleichwertig verwendet. Während ein CEO in einem US-Unternehmen grundsätzlich dem Unternehmen und seinen CO-Kollegen vorsteht, also die Strategie des Unternehmens bestimmt, ist er in Kanada lediglich gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung.

Noch eine weitere Variante sind US-Unternehmen, die dualistisch organisiert sind, also eine ausführende Funktionsebene (Executive Board) und eine kontrollierende Funktionsebene (Board of Directors) aufweisen. Diese Struktur ähnelt dem hierarchischen Aufbau deutscher Aktiengesellschaften mit Vorstand und Aufsichtsrat. In diesen Fällen sind CEO und COB personell voneinander getrennt. In einer solchen dualistischen Struktur kommt die Funktion des COB der des deutschen Aufsichtsratsvorsitzenden am nächsten.

Fazit: Verantwortungsbereich klären

Erkundigen Sie sich vor Verhandlungen mit einem CEO, ob es in seinem Unternehmen neben dem CEO noch einen COB gibt. In diesem Fall können Sie davon ausgehen, dass grundsätzliche Entscheidungen mit Relevanz über das Tagesgeschäft hinaus noch durch den COB abgesegnet werden müssen. Dies gilt vor allem für ethische, religiöse, politische und heimatschutzrelevante Aspekte.

Eine Anekdote soll schließlich diesen Exkurs in die angelsächsische Welt des Top-Managements abrunden: Es geht das gut fundierte Gerücht um, der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg habe auf seine erste Visitenkarte „I’m CEO, Bitch!“ drucken lassen.

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