Checkliste für interne Risiken

Fragebogen gegen Betriebsblindheit

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Die folgenden Fragen sollen einen Überblick über die Bereiche geben, die bei der Identifizierung von Risiken im Hinblick auf ein entsprechendes Risikomanagement im Auge zu behalten sind.

Gegliedert ist die Liste nach den Funktionsbereichen Einkauf, Entwicklung, Produktion und Vertrieb; sie kann jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und muss im konkreten Fall an die Bedingungen der jeweiligen Branche angepasst werden. Auch sind hier keine Fragen zu finanziellen Risiken enthalten, die besser über Kennzahlen und deren zeitliche Entwicklung erfasst werden.

Beschaffung/Einkauf

Beschaffungsziele

  • Höhe der Kostenbudgets je Abteilung und Mitarbeiter?
  • Einhaltungsgrad für die Vorgaben?
  • Wurden Qualitätsstandards definiert und dokumentiert?
  • Höhe der Reklamationsquote bei Abweichungen und Verteilung auf die einzelnen Lieferanten?

Volumina und Abwicklung

  • Art der Ermittlung des Beschaffungsbedarfs?
  • Durchführung einer regelmäßigen Bestandskontrolle?
  • Welche Güter werden in einem automatisierten Bestellzyklus beschafft?
  • Einfluss von saisonalen Produktionsschwankungen?
  • Veränderung der monatlichen Lagerbestände in den letzten drei Jahren?
  • Quote nicht ausgeführter Bestellungen je Lieferant in den letzten Jahren?

Beschaffungssicherung

  • Wurden Rahmenverträge mit allen Lieferanten geschlossen und schriftlich fixiert?
  • Bestehen Preisgleitklauseln oder Festpreise bei Rahmenverträgen?
  • Leiden Lieferanten unter wirtschaftlichen Problemen oder gar Insolvenzgefahr?
  • Quote der bei Fälligkeit noch nicht beglichener Lieferantenrechnungen?
  • Quote der nicht genutzten Skontonachlässe je Lieferant?

Beschaffungskonditionen

  • Welche Beschaffungskonditionen (Preise, Rabatte, Boni, Skonti, Zahlungsziele, Übergabeort) werden mit bestehenden Lieferanten realisiert und welche Konditionen bieten andere Lieferanten?
  • Entwicklung des Marktpreises in den letzten drei Jahren?
  • Gewähren Lieferanten Nebenleistungen (Beratung, Service, Garantie, Lieferzeiten, Liefertreue, Finanzierung)?
  • Haben Lieferanten erkennbare Kostendegressionseffekte und wie liegen die Beschaffungspreise in Bezug auf die Stückkosten des Lieferanten?

Kommunikation mit Lieferanten

  • Welche Kommunikationsmaßnahmen (Messen, Direktkontakte etc.) werden mit welcher Häufigkeit genutzt?
  • Werden einzelne Beschaffungsgüter über Verbrauchermärkte vertrieben?
  • Erfolgen für bestimmte Beschaffungen Ausschreibungen?

Beschaffungsmarktanalyse

  • Gibt es bei nicht austauschbaren Beschaffungsgütern Monopolsituationen?
  • Wie viele Konkurrenten gibt es für die verschiedenen Lieferanten?
  • Wie groß sind heutige Lieferanten und ihre Wettbewerber?
  • Welchen Veränderungen ist der Markt für die einzelnen Beschaffungsgüter unterworfen?
  • Gibt es Konzentrationsbewegungen unter den verschiedenen Anbietern?

Entwicklung und Produktion

Forschung und Entwicklung

  • Höhe der Budgets für Forschung-und-Entwicklungsvorhaben?
  • Quote der Abweichungen von den Budgets in den letzten fünf Jahren?
  • Höhe und Entwicklung der Personalfluktuation?
  • Abweichungen von Kündigungsfristen von Projektlaufzeiten?
  • Relativer Anteil am Umsatz mit eigenentwickelten Produkten, Anpassungsentwicklungen bzw. veredelten Produkten?
  • Besteht patent– oder markenrechtlicher Schutz für Eigenentwicklungen?
  • Wann erfolgt die Abstimmung zwischen Entwicklung und Produktion?
  • Dauer der Entwicklung bis zur Markteinführung und Veränderung über die letzten Jahre?
  • Geplante Entwicklungsdauer bei laufenden Vorhaben?
  • Durchschnittliche Anzahl der Überarbeitungen nach Übergabe an die Produktion?
  • Anzahl der Nacharbeiten nach Markteinführung?
  • Ist der Entwicklungsprozess bis zur Markteinführung dokumentiert?

Herstellung/Produktion

  • Entwicklung der produktionsrelevanten Kosten (Mieten, Löhne, Gehälter, Wartung) in den letzten fünf Jahren?
  • Werden Kostensteigerungen vollständig in der Preiskalkulation berücksichtigt?
  • Welche Kostenstrukturen haben Wettbewerber bei vergleichbaren Produkten und Substituten?
  • Quote des wegen Kapazitätsengpässen in den letzten Jahren nicht termingerecht produzierten Auftragsvolumens?
  • Andere Gründe für nicht termingerechte Produktion?
  • Höhe und Entwicklung der Ausschussquote?
  • Durchschnittliche Auslastung und Quote der Unterauslastung in den letzten Jahren?
  • Engpassbereiche und Gründe für Engpässe?
  • Welche Arbeitsschritte im Produktionsbetrieb sind besonders störanfällig?
  • Welche Vorteile bei Kosten, Zeit, Flexibilität und Qualität hat die Verlagerung von einzelnen Schritten in der Produktion an Dienstleister?
  • Welche Kostenveränderungen ergäben sich durch eine Reduktion von Variantenvielfalt?

Produktmarketing

  • Welchen Anteil am Umsatz haben Eigenentwicklungen und Eigenmarken?
  • Welchen Marktanteil erreichen die einzelnen Produkte?
  • In welcher Phase des Produktlebenszyklus befinden sich die Produkte des Unternehmens?
  • Wie entwickelt sich das Marktvolumen für die einzelnen Produkte?
  • Welche Marktanteile erreichen Wettbewerber?
  • Welche Deckungsbeiträge erzielen die einzelnen Produkte und wie haben sie sich in den letzten fünf Jahren verändert?
  • Welcher Marktstruktur und welchen Änderungsprozessen unterliegen die jeweiligen Märkte?
  • Haben die Produkte die Entwicklungs- und Produktionsvorbereitungskosten planmäßig amortisiert?

Absatzkanäle und Vertrieb

Preisbildung

  • Nach welchen Kriterien erfolgt die Preisbildung (kosten- oder nutzenorientiert, wettbewerbsgetrieben, Marktanteil, Lebenszyklus, Marktwachstum)?
  • Nach welchen Kriterien und wie oft werden Preisanpassungen vorgenommen?
  • Reaktionen des Wettbewerbs bei Preiserhöhungen bzw. -senkungen?
  • Basieren Preisnachlässe auf den Stückkosten und erfolgt eine Kalkulation der Deckungsbeiträge für Nachlässe?
  • Ist der Preisrahmen fest definiert und allen Vertriebspartnern kommuniziert?
  • Erfolgt für alle Produkte eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung?
  • Welche Informationen (Kunde, Wettbewerb, Vertriebskanal, Stückkosten) fließen in die Preisgestaltung ein?
  • Gibt es eine übergeordnete Preispolitik einschließlich Konditionen über das gesamte Produktportfolio?
  • Werden alle Beteiligten regelmäßig über Änderungen von Preisen und Konditionen informiert?

Forderungen an Kunden

  • Entwicklung der monatlichen Forderungsbestände insgesamt und je Kunde in den letzten fünf Jahren?
  • Höhe des insolvenzbedingten Forderungsausfalls in den letzten fünf Jahren?
  • Werden Kundenaufträge auf der Basis verbindlicher AGB abgeschlossen?
  • Werden Forderungsaußenstände durch dingliche Sicherheiten, Sicherungsübertragung, Eigentumsvorbehalt etc. abgesichert?
  • Höhe der pro Kunde insolvenzfest abgesicherten Forderungen?
  • Quote der Nutzung von Zahlungszielen und Skonti?
  • Wann werden Umsätze nach Lieferung fakturiert?
  • Werden Zahlungseingänge automatisch überwacht?
  • Wie erfolgt das Mahnwesen und welche Quote des Forderungsbestandes befindet sich in der ersten und zweiten Mahnstufe bzw. im Mahnbescheid?
  • Wie hoch ist der Bestand geleisteter Anzahlungen?
  • Wie hoch ist Anteil der in Fremdwährung fakturierten Umsätze?
  • Welchen relativen Anteil am Gesamtumsatz haben Umsätze in Fremdwährungen?
  • Wie hoch ist der relative Anteil der Fremdwährungsgewinne bzw. -verluste aus diesen Geschäften?

Vertriebskanäle

  • Welche Vertriebskanäle werden genutzt?
  • Wie hoch ist der Umsatz- und Ergebnisanteil der einzelnen Vertriebskanäle je Produkt?
  • Nach welchen Kriterien werden Vertriebskanäle für einzelne Produkte ausgewählt?
  • Welche Leistungsanreize werden für Vertriebsmitarbeiter genutzt?
  • Bestehen umsatzabhängige Werbebudgets und sind diese positiv oder negativ proportional zur Umsatzentwicklung?
  • Wird der Werbeerfolg durch eine deckungsbeitragsorientierte Rechnung je Kanal und Produkt überprüft?
  • Werden die Vertriebskosten nach Vertriebskanälen und Produkten richtig zugeordnet?
  • Wann und in welcher Form hat der Vertrieb Einfluss auf neue Produkte und Entwicklungsvorhaben?
  • Wird die Kundenzufriedenheit mit dem eigenen Produkt regelmäßig überwacht?
  • Wird ein Kundenwert ermittelt und in seiner Entwicklung über die letzten fünf Jahre überwacht?
  • Erfolgt eine Analyse verlorener Aufträge und Kunden, wird eine aktive Rückgewinnung verlorener Kunden betrieben?
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Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung zum Thema Risiko­management für den Mittel­stand gibt Dr. Jürgen Kaack im Rat­geber „Ein­führung von Risiko­manage­ment“, den Sie als PDF-Vollversion kostenfrei im Pressezentrum des Mittel­standsWiki bekommen.

Fazit: Das Blickfeld erweitern

Allgemeine Fragebögen können natürlich niemals alle Aspekte eines Unternehmens abdecken. Es ist daher sinnvoll, ihn vor der Einführung des Risikomanagements an die spezifischen Bedingungen der betrachteten Branche anzupassen. Übrigens: Die Arbeit mit der Checkliste hat neben der direkten Identifikation von Risiken noch die zusätzliche Zielsetzung, den Blick zu erweitern. Es ist bei der Bearbeitung im gemeinsamen Kreis der Führungskräfte nicht nur sinnvoll, sondern sogar ausdrücklich erwünscht, dass die Diskussion nicht zu eng an den Fragestellungen klebt, sondern die Liste als Inspiration zur Erweiterung nutzt.

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