EU-Vermittlerrichtlinie: Versicherungen vermitteln darf nicht mehr jeder

Die Tage schlechter Beratung und Drückermethoden sind gezählt, seit die EU-Vermittlungsrichtlinien in das deutsche Versicherungsvermittlerrecht eingeflossen sind. Autor Eike Schulze informiert über die neuen Anforderungen und nennt nützliche Links.

Wer Versicherungen verkauft, muss mehr können

Von Eike Schulze

Zum 22. Mai 2007 trat das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts in Kraft. Es setzt die Europäische Vermittlerrichtlinie von 2002 in deutsches Recht um. Ziel und Zweck der Reform: die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU zu gewährleisten und den Verbraucherschutz zu stärken.

Die Niederlassungsfreiheit war bislang insofern eingeschränkt, als Deutschland das einzige Land innerhalb der EU war, das keine Registrierungspflicht für Versicherungsvermittler kannte. Außerhalb der BRD war es für deutsche Vermittler daher unmöglich, sich mit einer Zulassung in der Heimat zu legitimieren.

Gleichzeitig wurde zum 22. Mai auch die Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (VersVermV) in Kraft gesetzt. Sie ist eine Ergänzung, die mit dem Gesetz eigens neu eingeführte Paragrafen der Gewerbeordnung konkretisiert, nach denen die Vermittler ein Gewerbe beantragen müssen.

Neue Regelungen

In dieser Kombination gibt das neue Versicherungsvermittlerrecht nun den Standard bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen vor: Kunden sollen zukünftig besser vor unseriösen Vermittlern geschützt werden und die Sicherheit genießen, dass der Verkäufer auch über entsprechende Sachkenntnis verfügt. Die Richtlinien gelten sowohl für Erst- wie auch Rückversicherungen. Folgende Regelungen und Erfordernisse enthält die Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie:

  • Eintragungspflicht bei der zuständigen Behörde,
  • Sachkundenachweis,
  • Nachweis eines guten Leumunds,
  • Berufshaftpflicht des Vermittlers/des Versicherungsunternehmens,
  • finanzielle Leistungsfähigkeit,
  • Auskunftspflicht des Vermittlers,
  • Beratungs- und Dokumentationspflichten,
  • Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung sowie
  • Beschwerde und Schlichtungsstellen für Kunden.

Die vier wichtigsten Punkte betreffen die Erlaubnis zur Vermittlung von Versicherungen, den Sachkundenachweis, die Dokumentationspflichten und die Berufshaftpflicht.

Dazu im Einzelnen:

Eintragungspflicht

Bevor ein Vermittler tätig wird, muss er sich bei der Industrie- und Handelskammer registrieren lassen. Häufig reicht für die Registrierung bereits der Nachweis über eine Gewerbeanmeldung aus sowie das Vorlegen einer nach den gesetzlichen Bedingungen abgeschlossenen Vermögensschadenhaftpflicht. Da die einzelnen IHK jedoch eigenständige Körperschaften sind, können von Fall zu Fall auch unterschiedliche Regelungen gelten. Vermittler müssen daher auch damit rechnen, dass sie einen kompletten Unterlagensatz einreichen müssen; verlangt werden dann

  • ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis,
  • eine aktuelle Gewerbezentralregisterauskunft,
  • die Gewerbeanmeldung,
  • eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung,
  • ein aktueller Auszug aus dem amtlichen Schuldnerverzeichnis,
  • ein Negativbescheid der Stadtfinanzkasse,
  • der Nachweis einer ausreichenden, gesetzeskonformen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung,
  • gegebenenfalls eine Sachkundeprüfung sowie
  • (bei juristischen Personen) ein Auszug aus dem Handelsregister.

Das Vermittlerregister ist übrigens öffentlich einsehbar unter www.vermittlerregister.org.

Sachkundenachweis

Um sich bei der IHK registrieren zu lassen, sind entsprechende Fachkenntnisse nachzuweisen. Manche Berufe sind davon allerdings befreit; wer z.B. eine einschlägige Ausbildung oder ein entsprechendes Studium absolviert hat, für den gilt das Abschlusszeugnis als Sachkundenachweis. Wer darüber nicht verfügt, für den bieten die IHK einen entsprechenden Lehrgang an, der sich an der Prüfung zum Versicherungsfachmann IHK orientiert.

Dokumentationspflicht

Der Gesetzgeber hat eine Dokumentationspflicht vorgeschrieben. Ein Formular liegt als Durchführungspflicht jedoch nicht bei, da es viele Möglichkeiten gibt, dieser Anforderung gerecht zu werden – es gibt nicht das eine „richtige“ Formular zur Beratung; dennoch bestehen innerhalb der Beratungsdienstleistung umfassende Forderungen, die an eine Versicherungsvermittlung geknüpft werden. So ist der Versicherungsmakler verpflicht, eine hinreichende Anzahl von Angeboten vorzulegen, auf deren Basis sich seine Empfehlung gründet. Ist dies im Einzelfall nicht möglich, so muss er den Kunden darauf aufmerksam machen. Außerdem müssen Versicherungsvermittler (Vermittler, die keine Makler sind) angeben, für welche Gesellschaften sie tätig sind und ob sie dieses ausschließlich tun.

Die Pflichten bei der Versicherungsberatung:

  • Befragung des Kunden nach seinen Wünschen und Bedürfnissen,
  • Beurteilung der vorgeschlagenen Versicherungen,
  • Begründung der Beurteilung des Versicherungsvorschlags sowie
  • Dokumentation des Beratungsgesprächs anhand der Empfehlung.

Berufshaftpflicht

Jeder freie Versicherungsvermittler ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Bei konzernabhängigen Verkäufern kann die Absicherung auch über die Gesellschaft geschehen. Die Mindestversicherungssumme beträgt 1.000.000 Euro pro Schadensfall.

Fazit: Vertreter haben’s leichter

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist insgesamt zwar voll des Lobes, sieht aber – wohl zu Recht – nicht ein, warum jede Reisekrankenversicherung für die Sonntagsbusfahrt der Landfrauen umständlich als ausgewogene Beratung dokumentiert werden muss. Verbraucherschützer wiederum vermissen weiterhin Transparenz, namentlich was den Wertschöpfungsanteil des Vermittlers an der Police betrifft, spricht: die Abschlussprovisionen. Das Argument ist dabei ein geradezu liberalistisches: Wer eine Versicherung abschließt, soll erfahren, was die Beratung kostet; die Qualität dieser Beratung regle sich dann von selbst an den entsprechenden Ansprüchen des Kunden.

Vielleicht war es dennoch gar nicht so schlecht, dass die EU-Richtlinie den relativ unregulierten Zustand in Deutschland quasi kalt erwischte. So hat es zwar überlange gedauert, bis die Umsetzung durch die Instanzen war, aber immerhin konnte nun vieles in einem Aufwasch erledigt werden. So ganz rund steht die Sache dennoch nicht da. Denn der Novellierung sieht man an, dass nicht ein Geist sie geprägt hat, sondern dass es eben eine typische EU-Richtlinienumsetzung ist. Vor allem die jungen „freien“ Vermittler müssen mit allerhand Nachweisen antreten; die europaweite Niederlassungsfreiheit bleibt für die allermeisten ein rein fiktiver Bonus. Gebundene Vertreter haben dagegen die großen Versicherer im Kreuz, die z.B. für die Haftung gerade stehen.

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