Arbeitgeberpflichten bei Mobbing: Fachkräfte vor Schikanen schützen

Tyrannisierung von Kollegen ist Gift für die Produktivität. Mobbing ist meist ein Indiz dafür, dass Arbeitsorganisation oder die genaue Aufgabenverteilung und Verantwortung unklar sind. In eindeutig geregelten Arbeitsstrukturen mit transparenter Kommunikation hat Mobbing weniger Chancen.

Fachkräfte vor Schikanen schützen

Von der Fachredaktion anwalt.de

Was Mobbing bedeutet, ist inzwischen den meisten Arbeitnehmern und Arbeitgebern geläufig – manchem auch aus eigener leidvoller Erfahrung. Weil Teamarbeit immer wichtiger wird, wissen auch Unternehmer, dass die gezielte Tyrannisierung von Kollegen Gift für die Produktivität ist. Für sie ist Mobbing oft ein Indiz dafür, dass Arbeitsorganisation oder die genaue Aufgabenverteilung und Verantwortung unklar sind. In eindeutig geregelten Arbeitsstrukturen mit transparenter Kommunikation hat Mobbing weniger Chancen.

Nach Angabe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, ist Mobbing zwar kein neues Phänomen, doch hat es in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Bei einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz stellte sich heraus, das 11,3 % aller Befragten während ihres Arbeitslebens bereits Opfer von Mobbing geworden sind. 2,7 % wurden zum Zeitpunkt der Umfrage aktuell gemobbt, wobei besonders Frauen, Arbeitnehmer in sozialen Berufen sowie junge Arbeitnehmer unter 25 Jahren gefährdet sind. Als Ursache für die Zunahme werden die zunehmenden Belastungen durch neue Technologien, höheres Arbeitstempo, höhere Verantwortung und Anforderungen sowie Personaleinsparungen vermutet. Über das Mobbing werden dann Überforderung und Konflikte „bewältigt“.

Fürsorgepflicht für Mitarbeiter

Den Unternehmer treffen aus dem Arbeitsverhältnis heraus zahlreiche Fürsorgepflichten: Er muss ab Arbeitsantritt alles Erforderliche für den Schutz von Leben und Gesundheit seiner Mitarbeiter tun. Dazu gehören etwa besondere Arbeitssschutzmaßnahmen in gefahrgeneigten Berufen sowie geeignete Schutz- und Arbeitskleidung und die Unterweisungspflicht, letztlich aber auch ein gesundes Betriebsklima. Der Arbeitgeber muss auch das Eigentum des Arbeitnehmers an Gegenständen, die dieser berechtigt zur Arbeit mitbringt, vor Verlust oder Beschädigung schützen. Besonders relevant ist beim Thema Mobbing die Pflicht zum Schutz des Persönlichkeitsrechts, die Geleichbehandlungspflicht. Das Persönlichkeitsrecht ist als eines der wichtigsten Grundrechte in Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes (GG) zugesichert. Die Gleichbehandlungspflicht hat ihre Grundlage ebenfalls verfassungsrechtlich in Art. 3 GG und findet im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ihre konkrete Ausgestaltung.

Der Arbeitgeber darf insbesondere nicht selbst gegen diese Fürsorgepflichten verstoßen. Jede Art von Bossing ist ihm untersagt. So darf er einen Arbeitnehmer nicht aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Weltanschauung oder der Religion benachteiligen. Ebenso verboten ist eine Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund seiner Behinderung, seines Alters oder seiner sexuellen Identität (AGG).

Maßnahmen im Ernstfall

Erfährt ein Arbeitgeber von einem Mobbing- oder Bossing-Fall, muss er unverzüglich geeignete Gegenmaßnahmen zum Schutz des Opfers ergreifen. Das LAG Thüringen hat in mehreren Urteilen entschieden, dass der Arbeitgeber als Verantwortlicher auch dann in Anspruch genommen werden kann, „wenn er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird“ (LAG Thüringen, 15.02.2001 Az.: 5 Sa 102/2000; 10.04.2001, Az.: 5 Sa 403/2000; 28.06.2005 Az.: 5 Sa 63/04).

Konkret bedeutet dies, dass der Unternehmer einen mobbenden Mitarbeiter wegen seines schädlichen Verhaltens ermahnen oder schon abmahnen, versetzen und schließlich kündigen kann und muss (in schweren Fällen sogar fristlos). Kommt er seiner Schutzpflicht nicht nach, darf das Opfer seine Arbeitsleistung einstellen sowie Schadensersatz seiner durch Mobbing entstandenen Kosten und Schmerzensgeld vom Arbeitgeber verlangen.

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Mobbing-Opfern wir als allererste Gegenmaßnahme geraten, sich frühzeitig zu wehren, indem sie den Mobbing- oder Bossing-Täter direkt ansprechen (am besten vor Dritten) und ihn deutlich auffordern, sein negatives Verhalten zu unterlassen. Zugleich kann sich der Betroffene beim Arbeitgeber, dem Betriebsrat oder dem Gleichstellungsbeauftragten im Unternehmen beschweren, damit diese Gegenmaßnahmen ergreifen.

Das Opfer hat nicht nur gegen den Mobbing- oder Bossing-Täter Anspruch auf Schadensersatz der infolge des Mobbings entstandenen Nachteile (Arztkosten oder Bewerbungskosten etc.) sowie Anspruch auf angemessenes Schmerzensgeld. Unternimmt der Arbeitgeber nichts und hält das Mobbing an, darf der Gemobbte auch seine Arbeitsleistung einstellen, ohne seinen Lohnanspruch zu verlieren. Auch gegen den Arbeitgeber kann das Opfer dann entsprechende Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Letztlich ist der Betroffene auch zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Zuständig ist bei Klageerhebung gegen Kollegen oder Arbeitgeber das Arbeitsgericht.

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Im Streit um Sachverhalte

Mobbing kann viele Gesichter haben: Beleidigende entwürdigende Äußerungen, Einschüchterung, Verstecken von Arbeitsgegenständen, Drohungen und vieles mehr. Als Unternehmer sollten Sie ohnedies ein waches Auge auf den Betrieb haben und es sich zum Prinzip machen, stets ernst zu nehmen, wenn Mitarbeiter Klagen vorbringen.

Am besten machen Sie sich detaillierte Notizen. Auch zahlreiche Mobbing-Betroffene führen heutzutage bereits frühzeitig ein Mobbing-Tagebuch, um dann vor Gericht, die Anzahl und Art der Mobbinghandlungen sowie den Täter leichter nachweisen zu können. Bedenken Sie außerdem, dass bei der Beurteilung auch länger zurückliegende Vorfälle berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit dem Fall stehen. Auf eine wirksam vereinbarte Ausschlussfrist für Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche kommt es nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2007 bei jahrelangem, systematischem Mobbing dann nicht an. Es berücksichtigte im Rahmen der Entschädigungsansprüche auch Mobbinghandlungen, die mehr als sechs Monate zurücklagen und somit außerhalb der vereinbarten Frist erfolgt waren (BAG 8 AZR 709/06).

Fazit: Tipps zur Prävention

Die Folgen des andauernden Mobbings für das Opfer sind nicht zu unterschätzen. Neben Nervosität, Demotivation und sozialem Rückzug kann Mobbing zu ernsthaften körperlichen und psychischen Erkrankungen wie Depression führen. Für das Unternehmen bedeutet dies geringere oder schlechtere Arbeitsleistung, Mehrkosten durch Krankheitsausfälle und ein insgesamt negatives Betriebsklima.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten Sie präventiv für klare Arbeitsstrukturen, eindeutige Zuständigkeiten oder Hierarchien sorgen und Führungskräfte gegebenenfalls zur Mitarbeiterführung, Motivation und Kommunikation mit Konfliktmanagement schulen. Hilfreich sind ferner transparente Entscheidungswege, offene Information der Mitarbeiter und deren Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Tritt dennoch ein Fall von Mobbing auf, schreckt gezieltes und klares Einschreiten eventuelle Nachahmer ab.

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