Auf Rechteverletzung reagieren: Wer im Unternehmen für Abmahnungen zuständig ist

Eintreffende Abmahnungen gehen an die Rechtsabteilung. Auch sonst haben wir uns an Anwaltsschreiben so sehr gewöhnt, dass viele Unternehmen alles unbesehen dem Hausjuristen übergeben – und sich damit oft selber schaden. Das Unternehmenswohl im Auge zu behalten, wäre richtiger, sagt Michael J.M. Lang.

Abmahnungen sind Chefsache!

Von Michael J.M. Lang

„Geben Sie das unserer Rechtsabteilung, die erledigt das.“ Dieser Satz fällt immer schneller in den Chefetagen. Viel zu schnell! Denn sobald es „nur“ um eine Abmahnung geht, haben die meisten Hausjuristen freie Hand. Dabei kann eine rechtlich zwar zulässige, aber aus Sicht des Empfängers ungerechtfertigte Abmahnung schnell zur Image-Katastrophe führen.

Vom Gesetzgeber ursprünglich dazu gedacht, teure privatrechtliche Gerichtsgänge bei offensichtlichen oder unabsichtlichen Verstößen schon im Vorfeld abzuwenden, ist die Abmahnung ein nützliches Instrument, solange die Abmahngebühr nicht als primärer Geschäftszweck missbraucht wird. Aber davon soll hier nicht die Rede sein.

Was dient meinem Unternehmen?

Hier soll es auch nicht um die juristischen Konsequenzen gehen, sondern darum, welche Folgen eine unbedachte Abmahnung für das eigene Unternehmen haben kann, wenn Streitigkeiten mit Konkurrenten, Kunden oder mit Dritten aus Bequemlichkeit oder Angst vor unübersehbaren rechtlichen Folgen vorschnell an Hausjuristen delegiert werden.

Eine Unternehmensleitung, die so handelt, mag juristisch gesehen richtig handeln, aber unternehmerisch handelt sie falsch. Sie muss das Gesamtwohl des Unternehmens im Auge behalten, während Juristen, entsprechend ihrer Ausbildung, nur die rechtlichen Fakten bewerten können. Dieses Gesamtwohl muss sich zwar im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen, aber keinesfalls das juristisch Mögliche ausschöpfen. Leider wird Letzteres aber immer öfter zum Maßstab unternehmerischen Handelns erhoben. Tatsächlich aber muss für einen Unternehmer die zentrale Frage lauten: Was dient meinem Unternehmen mehr? Eine diplomatische Lösung oder eine Lösung mit den Waffen des Rechts?

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Michael J. M. Lang, Jahrgang 1950, war nach einem Geschichts-, Politik- und Literaturstudium einige Jahre in einer Bank tätig. 1983 wechselte er als Journalist und Redakteur einer Computerzeitschrift in die Medienbranche. Viele Jahre lang verantwortete er als Chefredakteur zahlreiche Kioskzeitschriften. Anfang der 90er Jahre gründete er sein erstes eigenes Unternehmen. 1996 folgte eine zweite Gründung mit Schwerpunkt PR-Beratung. Der steigenden Bürokratie seines kleinen Unternehmens und des permanenten Interessenkonflikts zwischen Journalismus und Public Relations überdrüssig, arbeitet Lang seit 2008 freiberuflich als Journalist und Autor für Wirtschafts- und Kulturthemen.

Eingeschnappte Geschäftskontakte

Ich plädiere dafür, im Vorfeld einer Abmahnung wieder öfter auf diplomatische Lösungen zu setzen: Ein klärendes Telefongespräch, eine höfliche Nachfrage per Brief oder E-Mail, ob es sich vielleicht um ein Missverständnis oder um einen Informationsmangel handelt. Natürlich wird sich ein übelwollender Konkurrent von solchen Telefonaten, Briefen und E-Mails nicht abhalten lassen – dann muss eben die juristische Keule ausgepackt werden. Was aber, wenn es sich um keinen absichtlichen Verstoß gegen Rechte des Unternehmens handelt? Oder wenn die Hausjuristen – aus ihrer Sicht rechtlich völlig korrekt – keinen Konkurrenten, sondern einen Kunden oder einen potenziellen Geschäftspartner abmahnen? Oder Multiplikatoren wie Presse und Blogger?

Jeder Abgemahnte ist in soziale Netzwerke eingebunden, in denen jede vom Abgemahnten als ungerechtfertigt empfundene Abmahnung Kreise ziehen und das Image des abmahnenden Unternehmens beschädigen wird. Statistisch betrachtet beeinflusst jeder Bundesbürger die Meinungen mindestens weiterer zehn Personen. Multiplikatoren wie Journalisten und Blogger prägen sogar die Meinungen von Zehntausenden und mehr. Natürlich werden sie ihre Erfahrungen weitergeben. Selbst wenn sie diese nicht in ihren Medien und Blogs direkt verbreiten, werden sie Berufskollegen und Mitblogger davor warnen, über das abmahnende Unternehmen zu berichten. „Man weiß ja nie, was denen so einfällt …“ Die Folge: Das Unternehmen findet in den Medien weniger oder gar nicht mehr statt.

Fazit: In der Sorgfaltspflicht des Unternehmers

Stellt man dieser Wirkung jene Summen gegenüber, die ein Unternehmen ausgeben muss, um mithilfe einer PR-Agentur oder einer Presseabteilung die Aufmerksamkeit der Presse zu gewinnen und ein attraktives öffentliches Image aufzubauen, wird deutlich, welchen betriebswirtschaftlichen Schaden Abmahnungen von Pressemedien und Bloggern anrichten können. Hinzu kommen die Risiken, mit Abmahnungen potenzielle Geschäftspartner und Kunden vor den Kopf zu stoßen. Auch in diesen Fällen drohen handfeste wirtschaftliche Schäden.

Solche nicht-juristische Folgen vorherzusehen und abzuwägen, kann, ja darf nicht Aufgabe von Juristen sein! Diese Überlegungen gehören zur Sorgfaltspflicht des Unternehmers im Interesse des Unternehmenswohls. Kurz: Abmahnungen sind Chefsache!

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