Bürgerkonto, Teil 2: Warum das Bürgerkonto auf sich warten lässt

Die Idee klingt gut, aber die Praxis ist ernüchternd. Vor der Einführung eines Bürgerkontos, das die wichtigsten Stammdaten bei jedem Behördenkontakt parat hat, liegt die Einführung von Standards für den Datenaustausch. Dann wäre die Ämterkommunikation wesentlich einfacher – auch ohne Bürgerkonto.

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Von Sabine Philipp

Dass der Erfolg eines Bürgerkontos maßgeblich davon abhängt, wie nützlich es die Bürger empfinden, zeigt das Nachbarland Österreich. „In Österreich“, erklärt Jens Fromm, „müssen Jagdwaffen in einem Zentralen Waffenregister (ZWR) registriert werden. Die Registrierung dieser sogenannten C-Waffen (Büchsen) ist normalerweise kostenpflichtig. Online über die Bürgerkarte ist der Vorgang aber kostenlos.“ Das habe die Nutzungszahlen der Bürgerkarte enorm gesteigert. Die österreichische Bürgerkarte ist eine Chipkarte, die mit dem elektronischen Personalausweis in Deutschland vergleichbar ist.

Vorteile mit Hindernissen

Andererseits bedeuten derartige Anreize spürbare finanzielle Einbußen bei den Gebühren. Mit bloßen Zeitvorteilen könnte ein Bürgerkonto aber wohl kaum punkten, denn die meisten Ämter sind mittlerweile so effizient, dass sie online gar nicht zu schlagen sind. Beispiel: die Anmeldung eines Fahrzeugs in Berlin. „Ich habe mir einen Termin geben lassen“, berichtet Fromm. „Nach zehn Minuten bin ich mit dem neuen Nummernschild wieder hinausgegangen. Online werden Sie das in dieser Zeit kaum schaffen.“

Jens Fromm leitet das durch das Bundesministerium des Innern geförderte Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Er beschäftigt sich insbesondere mit den Themengebieten öffentliche IT, E-Government, IT-Infrastrukturen, elektronische Identitäten und Interoperabilität. Zusätzlich leitet er das Common Criteria Certification Lab am Fraunhofer FOKUS, das Zertifizierungsverfahren unter Aufsicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) begleitet.

Unterm Strich wird die Akzeptanz eines Bürgerkontos davon abhängen, was es kann – am besten natürlich Leistungen, die der Bürger gerne sieht. Von Verwaltungsvertretern erhielt Fromm das Feedback, dass man über das Konto doch auch Strafzettel verschicken könne. „Natürlich spart das Porto. Ob diese Sparmaßnahme beim Bürger gut ankommt, steht aber auf einem anderen Blatt“, meint er trocken.

Damit das Bürgerkonto überhaupt funktionieren kann, müssen die Daten außerdem stets aktuell sein. Hier stellt sich die Frage, wer sie pflegen soll. Eine weitere Problematik ergibt sich, wenn Bürger z.B. in ein anderes Bundesland und damit in ganz neu Verwaltungsumgebungen umziehen. Wäre es daher nicht besser, wenn der Bund die Daten zentral verwaltet und die Kommunen darauf zugreifen? „Das klingt sehr charmant. Aber die Datenschützer werden nicht wirklich begeistert sein.“ Fromm hält es für sinnvoller, die Standardisierung voranzutreiben. Dann könnten die Behörden auch über die Kommunen hinweg Daten einfacher austauschen.

Besondere Kennzeichen: ohne Standard

Das große Problem dabei: Es gibt es noch keine fachübergreifende zentrale Schnittstelle, an die andere Fachverfahren andocken können. Es existiert noch nicht einmal ein Standard, der eine Person umfassend für alle Fachverfahren beschreibt. „In Bezug auf die Fachverfahren“, bedauert Fromm, „ist Deutschland nun einmal keine grüne Wiese. Wir haben sehr viele verschiedene Fachverfahren, die sich sehr heterogen entwickelt haben und die auf unterschiedliche Standards und Datenformate aufsetzen.“

Serie: Bürgerkonto
Teil 1 berichtet, wie weit die Vorüberlegungen gediehen sind, und stößt auf die ersten Schwierigkeiten. Teil 2 überlegt, wo ein übergreifend hinterlegter Datensatz für Bürger attraktiv sein könnte. Der Weg bis zu einem einheitlichen Standard scheint jedenfalls noch weit.

Immerhin ist das Problem erkannt. Die Erstellung von bundesweiten Standards ist aber sehr komplex. „Zunächst müssen sich alle 16 Bundesländer auf einen Standard für einen jeweiligen Prozess einigen“, erklärt Fromm. Doch damit ist erst ein Teil des Problems gelöst: „Es ist nicht so, dass jeder einen Standard gleich interpretiert.“

Die Entwicklungskosten für einen solchen Standard sind außerdem beträchtlich, hinzu kommen aufwendige Testläufe. Fromm erläutert das am Beispiel eines Standards im Meldewesen:

„Bei den Verfahren müssen Vornamen, Nachnamen, Straße und Land ausgetauscht werden. Nun nimmt das eine Fachverfahren die Straße und die Hausnummer getrennt voneinander auf, das andere zusammen. Wenn diese Datensätze miteinander ausgetauscht werden sollen, können Informationen verloren gehen. Hierfür müsste es eine Testschnittstelle geben, über die alle diese Optionen getestet werden könnten. Das ist natürlich machbar. Aber die Frage ist: Wer stellt sie bereit? Wer übernimmt die Kosten, und wer entwickelt sie weiter, wenn sich neue Datenfelder erweitern? Mittel- und langfristig können wir zwar dadurch Kosten sparen. Aber wir benötigen ein initiales Investment und eine konstante Finanzierung.“

Fazit: Kommunen sind der erste Kontokontakt

Zurück zum Bürgerkonto. Einen positiven Effekt kann Fromm bereits in der Planungsphase erkennen: dass durch die Überlegungen die Thematik des Datenaustauschs zwischen Bund, Ländern und Kommunen verstärkt in den Fokus rückt. Die Ergebnisse der Prüfungen gemeinsamen Arbeitsgruppe von BMI und Ländern sollen Mitte 2015 dem IT-Planungsrat vorgelegt werden. Es bleibt zu hoffen, dass man bis dahin über Schnittstellen, Standards und Verfahren nicht vergessen hat, dass die meisten Ämterkontakte auf der Ebene von Städten und Gemeinden stattfinden – dort wird das Bürgerkonto sich letztlich bewähren müssen.

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