Barrierefreie elektronische Inhalte: Wann Behörden-Downloads barrierefrei sein müssen

Auf die öffentlichen Verwaltungen kommen neue Richtlinien zu: Ab 2014 müssen sie laut europäischer CEN-Norm bei der IT-Beschaffung darauf achten, dass sie die Anforderungen hinsichtlich der Barrierefreiheit einhalten. Erstes Etappenziel ist der PDF/UA-Standard für Online-Dokumente in Kommunen.

PDF/UA-Anträge erkennt ein Blinder

Von Frank Zscheile

An Menschen im Rollstuhl, die über Auffahrten und Lifte Zugang zum Amt bekommen, denkt man zuerst, wenn es um das Thema Barrierefreiheit geht. Doch es gibt viele weitere körperliche Einschränkungen, die vor allem spürt, wer im Web unterwegs ist oder elektronische Inhalte wahrnimmt: Sehbehinderte etwa, Menschen mit kognitiver Leseschwäche oder Einschränkungen des Bewegungsapparates. Für sie gibt es bereits eine Reihe von Hilfsmitteln, die ihnen das Aufnehmen von Informationen erleichtern: die Hervorhebung oder Vergrößerung von Textteilen oder Webseiten, Vorlesefunktionen oder auch die Ausgabe auf Braille-Zeilen sind solche Methoden, die man unter dem Stichwort „Assistive Technologie“ (Unterstützungstechnologie) zusammenfasst.

Update: Neuregelung durch EU-Richtlinie
Ab 2018 gelten für den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen in Europa die verschärften Regelungen der EU-Richtlinie 2016/2102.

Aus jüngerer Vergangenheit stammt eine Reihe von Initiativen mit dem Ziel, die Verwendung und den Ausbau solcher Verfahren gesetzlich zu unterfüttern. Im Oktober 2012 wurden die „Richtlinien für barrierefreie Webinhalte“ (Web Content Accessibility Guidelines/WCAG 2.0) der Web Accessibility Initiative des World Wide Web Consortiums (W3C) als internationale Norm ISO 40500 festgelegt. Das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) und das Comité Européen de Normalisation (CEN) beschäftigen sich parallel dazu auf europäischer Ebene mit der Erarbeitung des EU-Mandates 376 zu Barrierefreiheitsanforderungen bei der Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen durch die öffentliche Hand. Die Inhalte des Mandates werden 2014 in die europäische CEN-Norm einfließen. Diese wird dann innerhalb von zwei Jahren in allen EU-Mitgliedsstaaten für die öffentliche Hand bindend sein.

Die BITV genügt nicht

Bereits jetzt sind alle Behörden der Bundesverwaltung in Deutschland verpflichtet, ihre Internet- und Intranet-Angebote nach den Vorgaben der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) zu gestalten. Sie legt fest, wie die Angebote beschaffen sein müssen, um als ausreichend barrierearm zu gelten.

Gerade für PDF-Dokumente fehlte bisher jedoch ein solcher einheitlicher Standard. Deshalb sind diese nur selten barrierefrei; Menschen, die nur schlecht oder gar nicht sehen, können sie praktisch gar nicht nutzen. Das ist besonders ärgerlich, weil viele Protokolle, Gesetzestexte, Verordnungen und Formulare typischerweise im PDF-Format vorliegen.

Ausgesprochen anwenderfreundlich

Eine internationale Norm zu barrierefreien PDF-Dokumenten und -Formularen wurde Mitte 2012 veröffentlicht: die PDF/UA-Norm ISO 14289 („UA“ bedeutet „Universal Accessibility“). Sie definiert, aufbauend auf dem PDF-Format, ein Regelwerk, das bestimmt, wann ein PDF-Dokument als barrierefrei gilt und wie es dem Anwender zugänglich gemacht wird. Sämtliche Inhalte eines PDF-Dokumentes müssen demnach in der richtigen Reihenfolge und eindeutig strukturiert in Unicode-konformer Textform zugänglich sein. Dies funktioniert, indem man die inhaltliche Struktur und die Lesereihenfolge in zusätzlichen, unsichtbaren Markierungen (den sogenannten Tags) der PDF-Seitenbeschreibungen hinterlegt.

Diese Tags enthalten Zusatzinformationen zu Inhalt, Position und Art der Elemente im PDF. So definiert das Dokument Überschriften, Bildunterschriften oder Navigationselemente und versieht Abbildungen mit einem Alternativtext. Auf Anwenderseite erkennen Screenreader die Tags und lesen sie vor. Der Leser erfährt auf diese Weise anhand des Alternativtextes, was in einer Grafik abgebildet ist, auch wenn er sie nicht sehen kann. Tastaturkürzel ermöglichen das Stöbern in Grafiken, die tragende Elemente sind, oder in Überschriften.

Barrierefreiheit herstellen und prüfen

Technisch ist es bereits seit 2001 möglich, Tags anzubringen. Die gängigen Programme zur PDF-Erstellung – Microsoft Word, OpenOffice und LibreOffice ebenso wie Adobe InDesign und andere Grafikprogramme – bieten die Möglichkeit, getaggte PDFs zu erstellen. Allerdings erfüllen sie in manchen Fällen noch nicht die Forderungen des PDF/UA-Standards. Hierfür gibt es jedoch ergänzende Werkzeuge wie axesPDF for Word des Schweizer Herstellers xyMedia oder MadeToTag (axaio) für InDesign. Mit ihnen kann der Ersteller die Lücke zur PDF/UA-Konformität schließen.

PDFA.jpg

Tagesseminare für die Praxis
Die PDF Association als weltweit organisierter Interessenverband mit seinem PDF/UA Competence Center hat vor Kurzem eine Seminarreihe zum ISO-Standard PDF/UA gestartet. Teilnehmer aus Behörden, Unternehmen und Industrie erfahren dort, wie man am besten PDFs erstellen kann, die dem neuen PDF/UA-Standard sowie einschlägigen gesetzlichen Regelungen entsprechen. „Wir wollen kurz nach der Veröffentlichung des PDF/UA-Standards möglichst rasch für eine umfassende Verbreitung und Akzeptanz sorgen“, erklärt Olaf Drümmer, Vorstandsvorsitzender der PDF Association. „Die Umwandlung beliebiger Dokumente in barrierefreie Inhalte ist nämlich nicht immer ganz einfach, doch mit dem Standard wurde eine gute Basis geschaffen, um das Thema jetzt endlich strukturiert anzugehen.“

Außerdem gibt es kostenlose Prüfwerkzeuge, mit denen man kontrollieren, inwieweit ein getaggtes PDF bereits dem Standard entspricht. Ein Beispiel dafür ist das Plugin pdfGoHTML von callas software für Adobe Acrobat. Der PDF Accessibility Checker (PAC) der Schweizer Stiftung „Zugang für alle“ führt einen umfassenden Test durch und gibt, sofern nötig, auch gleich an, welche Aspekte eines PDF-Dokumentes nicht als barrierefrei gelten können.

Fazit: Freier Zugang zur Zukunft

Das klare PDF/UA-Regelwerk fasst nun die Entwicklungen der einzelnen Hersteller zusammen, definiert die Regeln für ein korrekt mit Tags ausgezeichnetes PDF und ermöglicht damit eine optimale Nutzung barrierefreier PDF-Dokumente. Wie ein solches Dokument im Sinne der kommenden CEN-Norm beschaffen sein muss, um barrierefrei zu sein, ist damit eindeutig festgelegt.

Nützliche Links