Funkzellendesign: Wie internationale Hotels ihre Funknetze planen

Große Hotels sind Musterfälle anspruchsvoller WLAN-Installationen. Theoretisch lassen sich die funkoptimalen Positionen und Mengen der benötigten Wi-Fi-Basisstationen per Software genau vorausberechnen. In der Praxis muss sich die Wireless-Planung anderen Aspekten unterordnen, vor allem der Ästhetik.

Flächendeckend Antennen verstecken

Von Dr. Harald Karcher

Wi-Fi-Design-Tools geben wertvolle Tipps und liefern exakte Pläne für die ideale Positionierung und Optimierung von WLAN-Basisstationen: So etwa der AirMagnet Planner, Aruba VisualRF Plan, Ekahau Site Survey, Ekahau HeatMapper, NetStumbler, InSSIDer oder der Xirrus Wi-Fi Inspector. In der Praxis sitzen die WLAN-Access-Points und Antennen aber selten am funkoptimalen Punkt, sondern eher dort, wo der Benutzer sie nicht gleich sieht, wo dicke Kabelstränge hinter abgehängten Doppeldecken verlaufen, wo zufällig schon ein Ethernet-Anschluss vorhanden war oder wo man ein neues Ethernet-Kabel mit verschmerzbaren Kosten hinlegen konnte. Das heißt: Viele APs hängen funktechnisch eher ungünstig in unauffälligen Ecken, Kammern, Mauerschlitzen, hinter Vorhängen und Revisionsklappen oder in Deckenleuchten. Daran hat sich vom ersten 11b-WLAN-Hotspot anno 2001 bis zu den jüngsten 11ac-Projekten nicht viel geändert.

Kempinski München 2001: 4 × 11b

Das Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München eröffnete im August 2001 den ersten öffentlichen WLAN-Hotspot Deutschlands. Die erste Funkbegehung machte der Autor damals mit einem Business-Laptop der Marke Toshiba Tecra 8200 samt eingebautem WLAN-11b. Dessen vorinstallierte WLAN-Client-Software fand im Erdgeschoss des Hotels gerade mal vier Access Points von Symbol Technologies in der Luft.

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Das Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München hatte 2001 den ersten Public-WLAN-Hotspot der Nation. Vier Access Points reichten für die Erstversorgung mit WLAN 802.11b im Erdgeschoss: hinter der Rezeption, im Bankettraum Hofgarten I, im Ballsaal an der Decke Maximilian II sowie westlich vom Maximilian-Foyer. Im Restaurant Walterspiel an der Maximilianstraße kam allerdings kein mobiles Internet an. (Bild: Hotel Vier Jahreszeiten)

Der erste Access Point saß, völlig unsichtbar, hinter einer Holzvertäfelung hinter der Rezeption und versorgte vor allem die Lobby und das Foyer. Der zweite AP saß, gleichfalls völlig unsichtbar, zwischen zwei Sandsteinmauern hinter einer Schiebewand aus schwerem, dunklem Edelholz in den Banketträumen Diana I und Diana II, westlich vom heutigen Maximilian Foyer. Der dritte AP saß, ebenso unsichtbar, hinter einer großen und gewölbten Deckenleuchte des Cherubin-Ballsaals, etwa dort, wo jetzt der Konferenzraum Maximilian II eingezeichnet ist. Der vierte AP hing in einer grauen Stahlkonstruktion zwischen Wand und Decke in einem kleinen Raum des Konferenzflügels Hofgarten. Im Gegensatz zu den drei anderen APs war er frei sichtbar.

Bei einer Outdoor Site Survey des Autors drang die WLAN-Strahlung übrigens kaum irgendwo durch die dicken Mauern des 1858 eröffneten Vier Jahreszeiten auf die Straßen hinaus. Lediglich auf der Wurzerstraße konnte man fast ebenso gut drahtlos surfen wie im Inneren des Hotels – sofern man den Zugangscode hatte. Der Access Point im Raum Hofgarten strahlte nämlich bestens durch die Fenster.

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Schwarz auf Weiß
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Hilton Frankfurt 2003: WLAN nach Fluchtplänen

Mit seiner extrem offenen Atrium-Architektur und seiner zwölf Etagen hohen Hotelhalle war das Hilton Frankfurt Hotel ein wahrer Intelligenztest für Funktechniker: Bei der Erstausstattung mussten über 70 Access Points montiert werden.

Der Funknetzplaner Martin Palzer machte die Site Survey. Dazu hätte er am liebsten die exakten Originalbaupläne studiert, doch die waren nicht so einfach zu bekommen, den Hilton war „nur“ der Mieter des Objektes. Ersatzweise kopierte Palzer die Fluchtpläne, die ja ebenfalls Etagengrundrisse enthalten.

Dann nahm Palzer einen batteriebetriebenen Access Point und klebte ihn mit Klettband an diejenigen Stellen, Wände und Decken im Hotel, die er aus dem Bauch heraus für die besten Montagepunkte hielt; manche APs legte er in Revisionsklappen, andere befestigte er provisorisch an den Lüftungsschlitzen. Dann wanderte er mit seinem Wireless-Notebook samt Messprogramm um die Batterie-APs herum und zeichnete die Reichweiten und die Qualität der Verbindung in seine Grundrisse ein. Idealerweise entstehen auf diesen Grundrissen dann mehrere Funkzellen in Form von Kreisen, Waben oder ähnlichen Ausbreitungsmustern. Am Ende konnt Palzer gut abschätzen, wie viele Access Points er für das ganze Gebäude brauchte und wo sie am besten montiert sein sollten.

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Hier blicken wir vom zwölften Stock hinunter in die Lobby des Hilton Frankfurt. Wer dieses ungewöhnliche Gebäude mit Wireless LAN ausrüsten darf, bekommt erst mal graue Haare, denn hier kreuzen sich die Signale der in den Zimmerfluren montierten Access Points in der extrem offenen Hotelhalle. Das führt zu starken Interferenzen. Die Lösung: Die Sendestärken der APs reduzieren und dafür etwas mehr Access Points verbauen. (Bild: Harald Karcher)

Weniger Sendepower, kleinere Zellen

In der Regel strahlt so ein Access Point durch die Betondecken hindurch, eine Etage nach unten und eine Etage nach oben. Das Vertrackte an diesem Hotel ist aber: Durch die extrem hohe Halle strahlt ein AP auch völlig ungehindert zig Meter weit in die drei gegenüberliegenden Hotelflügel hinein. Irgendwann ist da der Punkt erreicht, wo sich die APs gegenseitig stören, weil das 2,4-GHz-Frequenzband für solche Überlappungssituationen eigentlich zu schmal ist. Also musste man die Sendeleistung der APs je nach Montagepunkt unterschiedlich stark reduzieren, damit die Zellen kleiner werden.

In der Regel kann man die Sendestärken kommerzieller APs leicht verändern. Durch die Power-Reduktion brauchte Palzer aber letztlich doppelt so viele Access Points wie bei einer vergleichbaren Zimmerzahl in einem normalen Hotelbau nötig gewesen wären. Dabei nutzte er das Frequenzband ohnedies schon etwas stärker als idealtypisch vorgeschrieben: Er verteilte die APs nämlich auf vier Kanäle, und zwar auf Kanal 1, 4, 7 und 11. Das geht gerade noch; Musterinstallationen nehmen für einen Hotspot mit internationalem Publikum die Kanäle 1, 6 und 11. In Deutschland hätte Palzer das Frequenzband zwar ganz legal bis zum Kanal 13 hinauf nutzen können, aber das geht in einem Hilton-Hotel nicht, weil die Laptops der Gäste aus den USA nur von Kanal 1 bis Kanal 11 funktionieren.

WLAN aus der Revisionsklappe

Außerdem konnte Palzer in diesem Business-Hotel mit seinem hohen Anspruch an Design und Ambiente die Access Points nicht genau dort montieren lassen, wo sie funktechnisch optimal hingehören. Er musste jede Menge Kompromisse eingehen. Letztendlich wurden die meisten APs in den Revisionsklappen in den Decken der Etagen versteckt. Dazu muss man allerdings auf Leitern klettern – ein Spektakel, das in einem gediegenen Hotel nicht gern gesehen wird. Die WLAN-Monteure mussten daher Zeiträume abwarten, in denen gerade kein voller Gästebetrieb herrschte.

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In der lichtdurchfluteten Lobby des Hilton Frankfurt hatten wir 31 gleichzeitig aktive Access Points auf dem Display des Funklaptops – mehr als in jeder anderen zuvor getesteten Hotelhalle. (Bild: Harald Karcher)

Letztlich wurden im Hilton Frankfurt per August 2003 für die Erstausstattung 74 Access Points montiert. Und für ein paar letzte Ecken und Winkel hätte Palzer lieber sogar noch ein paar mehr APs gesehen.

Doch die Access Points sind nicht einmal das Teuerste an so einem Hotspot, erklärt der Funknetzplaner: Ein AP von Symbol kostete damals laut Liste 200 Euro, die bloße Verlegung des Ethernet-Kabels kostete 300 bis 500 Euro (pro Kabel zum Access Port). Auch 2014 kommt ein fertig montierter und angeschlossener Access Point auf um die 600 Euro. Ein vergleichbares Projekt mit 74 Access Points dürfte auch heute, grob gesagt, rund 45.000 Euro kosten.

Das Hilton Frankfurt hat 342 Zimmer, 14 Suiten, 16 Meeting-Räume und einen Ballsaal für knapp 600 Gäste. Unterstellen wir grob gesagt 500 Räume und 74 APs, dann hätte in der Erstausstattung ein AP im Schnitt 6,7 Räume versorgt.

Kempinski Dubai: Internet zum Anstecken

Das Kempinski Hotel Mall of the Emirates Dubai (MoE) wurde im April 2006 eröffnet. Es hat 393 Zimmer und Suiten auf 17 Etagen und ist baulich in die luxuriöse Shopping Mall of the Emirates integriert. Ein großer Teil der Zimmer schaut zum arabischen Golf in Richtung Burj al Arab. Auf der Gegenseite gibt es 15 Ski-Chalets, deren Fenster auf die künstliche Skipiste namens Ski Dubai blicken.

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Das Kempinski Hotel Mall of the Emirates in Dubai wurde im April 2006 mit einigen wenigen 11g-WLAN-APs in Korridoren und öffentlichen Bereichen eröffnet. Die WLAN-Versorgung wurde bei steigendem Internet-Traffic schnell zu schwach. 2013 wurden 400 APs im 11n-Speed-Level direkt in den Zimmern montiert. (Bild: Harald Karcher)

Zur Erstausstattung 2006 hatte das Hotel Ethernet-Buchsen in allen Zimmern und Suiten bekommen. Zielgruppe waren Geschäftsgäste: Man klappt einen Deckel am Sideboard auf: Darunter liegen diverse Lichtschalter, Steckdosen, Antennenbuchsen, Ethernet-Buchsen und ein weißes Ethernet-Kabel. Dort kann der Gast das eigene Notebook per Kabel anschließen.

Die WLAN-Erstausstattung mit 11g-Access Points von NetWave alias Bay Networks war dagegen spärlich, weil es damals noch nicht so viele Gäste mit WLAN-Geräten gab. Sender waren nicht direkt in den Zimmern, sondern nur in den Gängen montiert, genau wie bei vielen weiteren typischen Hotelinstallationen. Die Funkversorgung war in den meisten Zimmern dementsprechend eher schwach und instabil.

460 Access Points für 500 Räume

Unterdessen ist der WLAN-Bedarf aber drastisch gestiegen. 2014 rücken viele Gäste schon mit mehreren WLAN-Geräten an: Smartphone, Tablet, Notebook, Spielekonsole. Das drahtlose Internet soll nicht nur im Bett und auf der Couch, sondern auch im Badezimmer funktionieren. Bei gutsituierten Arabern gehören zudem vier bis sechs Kinder noch zum guten Ton. Das heißt: Die Zimmer und Suiten im Kempinski MoE sind nicht selten mit sechs bis acht Personen belegt. Das macht in Summe schnell 24 WLAN-Geräte pro Suite. Wenn das WLAN nicht rund um die Uhr in jedem Winkel des Zimmers, der Lobby und der Konferenzräume zackig funktioniert, beschweren sich die Gäste. Die WLAN-Erstausstattung von 2006 war also bald hoffnungslos überfordert.

Inzwischen hat das Kempinski MoE in Dubai laut ipt.net ca. 400 Access Points Aruba AP93 mit Standard 802.11a/b/g/n direkt in den Zimmern unsichtbar montiert sowie ca. 60 Aruba AP105, ebenfalls auf 11n-Speed-Level, in den Gängen und Konferenzbereichen installiert. Unterstellen wir dem Hotel grob gesagt 500 größere Räume und 460 APs, so würde ein AP im Schnitt 1,1 Räume versorgen.

In den Zimmern und öffentlichen Bereichen des Kempinski MoE ist das WLAN übrigens kostenlos. Free Internet ist vielen Gästen heutzutage wichtiger als Free Breakfast.

Emirates Palace: Upgrade auf AC

Das Kempinski Emirates Palace Abu Dhabi gehört zu den ersten Hotels der Welt, die schon einen nennenswerten Gigabit-WLAN-Hotspot in Betrieb haben. Laut ipt.net kamen dafür mehr als 1000 Access Points der Speed-Gattung 802.11ac Aruba AP-225 und ein Mobility Controller der Serie 7220 zum Einsatz. Laut Datenblatt bedient der Aruba 7220 bis zu 24.576 User gleichzeitig und lässt bis zu 40 GBit durch die Firewall.

Das 2005 eröffnete Hotel stellt Gästen offiziell 302 Zimmer und 92 Suiten zur Verfügung. Dazu kommen allerdings noch die nichtöffentlichen Suiten der Regenten der Vereinigten Arabischen Emirate. Veranschlagen wir für den Standort Abu Dhabi grob gesagt 1000 größere Räume und 1000 APs, so würde ein AP im Schnitt einen Raum versorgen. Eine derart hohe Dichte ist bei 11ac auch naheliegend, weil der 11ac-Funk im 5-GHz-Band an dicken Wänden viel stärkere Verluste hat als die älteren Standards 11b und 11g bei 2,4 GHz.

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Das Kempinski Emirates Palace Abu Dhabi gehört zu den ersten Hotels der Welt, die schon einen Gigabit-WLAN-Hotspot haben. Dafür kamen mehr als 1000 Access Points der Speed-Gattung 802.11ac zum Einsatz. (Bild: Harald Karcher)

Der Autor hatte 2006 Gelegenheit, die Erstausstattung auf 2,4 GHz anzutesten. Seinerzeit funkten weitaus weniger Access Points von Cisco Systems im 11g-Speedlevel mit 54 MBit/s brutto auf den Kanälen 1 und 6 und 11. Das WLAN wirkte aber schon damals ähnlich unterdimensioniert wie das im zuvor besprochenen Kempinski Dubai und passte nicht ganz zum restlichen Luxus des Hauses. Warum Cisco das Upgrade auf 11ac in einem solchen Referenzpalast nicht gewonnen hat, ist nicht bekannt. Vielleicht kam der große Catalyst-Produkte-Relaunch von Cisco 2013 doch etwas zu spät.

Die Gründe für das WLAN-Upgrade im Emirates Palace stellen sich kaum anders dar als im Kempinski Dubai und in vielen weiteren Hotels der Welt: Gäste und Mitarbeiter erwarten im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends ein stabiles, schnelles und kostenloses Internet per WLAN in allen Zimmern, in Restaurants, Cafés, Lobbys, Büros und Konferenzbereichen.

Fazit: 11ac in verdichtetem Parallelbetrieb

Schon beim ersten Public-WLAN-Hotspot der Nation, dem Hotel Vier Jahreszeiten in München, musste sich die schnöde WLAN-Technik der Ästhetik des Hauses unterordnen. Genauer gesagt: Man strebte einen guten Kompromiss zwischen den Gesetzen der Wellenausbreitung und den architektonischen Geboten der baulichen Gefälligkeit an. Auch wenn die Access Points in vielen Hotels und Büros früher oder später auf das neue Gigabit-WLAN IEEE 802.11ac umgestellt werden, wird sich am Primat der Ästhetik kaum etwas ändern.

Ob sich die neuen 11ac-Wellen in komplexen Gebäuden besser durchsetzen können als die alten 11b-Wellen, wäre erst noch zu beweisen. Wireless AC funkt ja nur im 5-GHz-Band, das alte 11b/g nur im 2,4-GHz-Band. Die kurzen 5-GHz-Wellen verpuffen in dicken Mauern viel schneller als die längeren 2,4-GHz-Wellen. Das bedeutet: Im 5-GHz-Band muss man die APs dichter setzen als im 2,4-GHz-Band. Dazu braucht man mehr Access Points – und das wird am Ende teurer.

Dafür ist das 5-GHz-Band noch nicht so überfüllt wie das 2,4-GHz-Band. Im Zweifelsfall installiert man somit künftig das Beste aus beiden Frequenzwelten, sprich: beide Bänder, also Dualband 11a/b/g/n/ac. Die alten AP-Montagepunkte kann man in vielen Fällen beibehalten. Meist wird man aber noch ein paar neue Funkpositionen dazu nehmen, um das Funknetz engmaschiger zu machen.

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