Change-Barometer: Wann Wandel den Betrieb heiß laufen lässt

Bei Change-Projekten formieren sich oft unvermutet Widerstände, die den Erfolg gefährden können. Deshalb sollte man im Projektverlauf regelmäßig die Stimmung im Unternehmen ermitteln, bevor sie kippt. Dr. Georg Kraus erklärt in diesem Praxisbericht, wie das mit einfachen Mitteln funktioniert.

Die Fieberkurve der Umstrukturierung

Von Dr. Georg Kraus, Dr. Kraus & Partner

Jedes Projekt birgt eigene Risiken. Analysiert man gescheiterte Projekte, dann zeigt sich meist, dass viele Mitglieder der Organisation schon früh gespürt haben: „Hier läuft etwas schief.“ Doch keiner hat daraus Konsequenzen gezogen. Vielmehr wurstelten alle Beteiligten weiter vor sich hin, als sei alles im Lot – bis das Scheitern offensichtlich wurde.

„Das kann uns beim Neustrukturieren unseres Werks auch passieren.“ Zu dieser Erkenntnis kam Mitte 2014 ein weltweit agierendes Unternehmen, das an einem seiner deutschen Standorte die Prozesse neu strukturieren wollte. Denn das Projekt barg erheblichen Sprengstoff – nicht nur, weil mit der Restrukturierung ein Personalabbau von ca. 10 % einhergehen sollte.

Die Stimmung regelmäßig ausloten

Deshalb entschied die Unternehmensführung, ein Messinstrument anzufordern, das untersuchen sollte:

  • Wie ist die Stimmung am Standort?
  • Wie verändert sich die Stimmung?
  • Wo sollten wir intervenieren, um das Projektziel zu erreichen?

Also beauftragte sie die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, die das Projekt begleitete, ein passendes Instrument zu entwickeln. Das Tool sollte wie ein Fieberthermometer funktionieren. Das heißt: Ohne großen Aufwand sollte die Unternehmensführung mittels Befragungen ermitteln können, wie die Stimmung am Standort gerade ist und inwieweit diese sich seit der letzten Messung verändert hat. Denn eine Messung der „Betriebstemperatur“ sollte in kurzen Zeitabständen erfolgen, damit die Verantwortlichen

  • Veränderungen, aus denen Probleme erwachsen könnten, früh erkennen und
  • rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen können.

Schnell wurde in den Vorgesprächen klar, dass die Befragung nicht viele Fragen umfassen dürfe. Sonst ist sie nicht handhabbar. Außerdem wird sie von den Mitarbeitern, die während des Projekts ohnehin tendenziell überlastet sind, nicht akzeptiert. Trotzdem soll die Befragung folgende vier Dimensionen erfassen: Informationsfluss, Engagement, Dialog und Handlungsunterstützung.

Vier Dimensionen, vier einfache Fragen

Entschieden wurde: Zu diesen vier Themenfeldern wird den Mitarbeitern jeweils nur eine Frage gestellt, sodass sehr schnell eine Art Blitzlichtaufnahme entsteht. Auf Basis dieser Vorgaben entwickelten die Berater ein Tool, das sie Change-Barometer nannten.

Im September 2014 startete das Projekt. Zunächst wurden den Mitarbeitern die Gründe und Ziele des Projektes in einer Auftaktveranstaltung erläutert. Anschließend wurden in Workshops detaillierte Maßnahmenpläne erstellt. Danach begann die Umsetzung, die von einem Qualifizierungsprogramm begleitet wurde. Sie erstreckte sich über ein halbes Jahr. In diesem Zeitraum wurden die Mitarbeiter monatlich bei routinemäßigen Besprechungen auf Standorts-, Bereichs- und Abteilungsebene gebeten, folgende vier Fragen zu beantworten:

  • Informationsfluss: „Fühlen Sie sich ausreichend über das Projekt und dessen Verlauf informiert?“
  • Dialog: „Können Sie Ihr Wissen, Ihre Ideen usw. wie gewünscht einbringen?“
  • Engagement: „Wie geht es Ihnen? Haben Sie alles, was Sie brauchen?“
  • Handlungsunterstützung: „Wissen Sie, wo Sie Unterstützung einfordern können und erhalten Sie diese?“

Die Problemfelder sichtbar machen

Diese Fragen beantworteten die Mitarbeiter jeweils mit Schulnoten von 1 bis 6. So dauerte das Ausfüllen der Formblätter maximal fünf Minuten. Eine einfache Excel-Auswertung ermittelte daraus die Durschnittswerte, und schon war das aktuelle Stimmungsbild erstellt.

Das Programm erstellte für die Fragen auch Verlaufsgrafiken, die die Entwicklung des Antwortverhaltens aufzeigten und so signalisierten, wo Probleme entstehen könnten. Erleichtert wurde das Erkennen der Problemfelder dadurch, dass in der Excel-Auswertung die Mittelwerte jeweils farblich mit einer der drei Ampelfarben hinterlegt waren: War das Feld grün, war alles okay. Gelb bedeutete: Aufpassen! Und rot? Die Führungskraft sollte hier tätig werden – alleine oder in Absprache mit dem Steuerungsteam des Projekts.

Fazit: Frühzeitig gegensteuern

Die aggregierten Ergebnisse wurden an das Steuerungsteam weitergeleitet. Also hatte dieses stets einen aktuellen Überblick über die Stimmung im Werk und in dessen Bereichen. Deshalb konnte es mit Blick auf das Gesamtunternehmen gezielt Steuerungsmaßnahmen ergreifen. Es konnte zudem die Leiter der Bereiche kontaktieren und bei diesen z.B. nachhaken: Wie erklären Sie sich, dass der Wert für den Informationsfluss in Ihrem Bereich abgesackt ist? Außerdem: Sollen wir mal gemeinsam überlegen, wie den Mitarbeitern wieder stärker das Gefühl vermittelt werden kann „Mein Engagement ist gefragt“?

Unter anderem durch diese Möglichkeit der zeitnahen Reaktion auf negative Entwicklungen gelang es, das Projekt im vorgesehenen Zeitrahmen durchzuführen. Außerdem wurden die Ziele in vollem Umfang erreicht. Deshalb entschied die Unternehmensleitung im Februar 2015 an zwei weiteren Standorten, in denen ähnliche Umstrukturierungen anstanden, ebenfalls das Change-Barometer als Tool zur Projektsteuerung einzusetzen.

Dr Georg Kraus.jpg

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der international agierenden Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die über 100 Berater, Trainer und Projektmanager arbeiten. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-Provence, der St. Galler Business School und der Technischen Universität Clausthal.


Dr. Kraus & Partner, Werner-von-Siemens-Str. 2–6, 76646 Bruchsal, 07251-989034, Fax: 07251-989035, info@krauspartner.de, www.kraus-und-partner.de

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