Management-Buy-in

Unternehmensbörsen unterlaufen die Nachfolge

Von Ralf Baumeister, Motus Mittelstandskapital GmbH

Jahr für Jahr finden immer weniger MBI-Kandidaten (Management-Buy-in) das zu ihnen passende Unternehmen. Inzwischen gibt jeder zweite potenzielle Unternehmensnachfolger seine Absicht, ein Unternehmen zu erwerben, enttäuscht auf (DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2012). Warum steigt der Anteil der Enttäuschten seit über vier Jahren kontinuierlich auf nunmehr 50 % an?

Der Markt zum Verkauf stehender, mittelständischer Unternehmen war immer intransparent. Wollte ein potenzieller Unternehmensnachfolger ein Unternehmen im Rahmen der Altersnachfolge erwerben und kannte dies nicht bereits zufällig aus eigenem Zutun, so blieb ihm nahezu keine andere Wahl, als einen erfahrenen M&A-Berater (Mergers & Acquisitions) zu beauftragen. M&A-Berater wurden seinerzeit nahezu ausschließlich auf Retainer-Basis tätig, selbstverständlich mit erheblicher Erfolgsprovision im Falle eines erfolgreichen Vertragsabschlusses.

Mehr Möglichkeiten, weniger Erfolge

Der MBI-Kandidat musste sich somit seiner Sache sehr sicher sein, da der Retainer, meist ein deutlich fünfstelliger Betrag, in jedem Fall verloren war. Dafür konnte der MBI-Kandidat sich aber auch darauf verlassen, dass der kompetente Berater ihn vernünftig und qualifiziert bis zum Vertragsabschluss begleiten und dabei auch wichtige Stolpersteine – häufig unbemerkt – aus dem Weg räumen würde. Auch der Verkäufer konnte sich einigermaßen sicher sein, dass der MBI-Interessent sich sehr ernsthaft für sein Unternehmen interessierte. Das hat sich gründlich geändert.

Seit der seinerzeit spektakulären Studie des IfM Bonn aus dem Jahr 2004, wonach mehr als 350.000 Unternehmen in den folgenden fünf Jahren zur Nachfolge anstanden (Werner Freund: Unternehmensnachfolgen in Deutschland, in: Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 1/2004, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 106 NF, Wiesbaden 2004), bekam das Thema enorme Popularität. (Die Zahlen wurden zwischenzeitlich aufgrund neuerer Erkenntnisse deutlich reduziert, aber das ist hier nicht unser Thema.)

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Ralf Baumeister, Jahrgang 63, zeichnete zuletzt als Vorstand für die dynamische Entwicklung einer von mittelständischen Unternehmerfamilien finanzierten Beteiligungsgesellschaft verantwortlich. Davor war er für sechs Jahre im Beteiligungsmanagement eines 100-Mio.-Euro-Mittelstandsindustriefonds mit der Identifizierung und engen Begleitung von Portfoliounternehmen betraut. Während mehr als zehnjähriger Geschäftsführungstätigkeit verantwortete er darüber hinaus zeitweise technische und vertriebliche, im Schwerpunkt aber kaufmännische Funktionen in mittelständischen Unternehmen.

2009 gründete Ralf Baumeister die von mittelständischen Unternehmerfamilien finanzierte Motus Unternehmensbeteiligungsgesellschaft. Motus ist kein anonymes Finanzinstitut, sondern besteht aus einem kleinen Team von Unternehmern und Professionals, die vornehmlich ihr eigenes Geld in reale mittelständische Projekte und Unternehmen investieren.

Mit Stabwechsel wurde 2011 eine Internet-Plattform initiiert, die es Unternehmensnachfolgern und MBI-Kandidaten ermöglicht, sich mittelständischen Unternehmensinhabern und deren Beratern qualifiziert für die Übernahme der Unternehmensnachfolge zu präsentieren.

Ralf Baumeister hat nach einer qualifizierten Berufsausbildung als Wirtschaftsingenieur (FH) diplomiert und absolvierte 1993 das zweijährige MBA-Studium an der international renommierten London Business School.

Die IfM-Studie führte jedoch dazu, dass Politik, Wissenschaft, Verbände, Innungen etc. wie auch neue Marktteilnehmer sich des Themas annahmen und dafür die – so glaubte man – erforderlichen Maßnahmen verstärkten: Es wurden Veranstaltungen und Unternehmensbörsen entwickelt, die IHK gründeten weitere Anlaufstellen und die M&A-Berater veranstalteten Workshops.

Aufgrund der damit – zumindest augenscheinlich – erhöhten Markttransparenz, sind MBI-Interessenten heute kaum mehr bereit, für einen guten M&A-Berater mit einem Retainer in die Vorleistung zu gehen. Das Resultat ist, das die Anzahl der sichtbar auf dem Markt befindlichen Unternehmen und Unternehmensnachfolger kontinuierlich zunimmt; leider nimmt gleichzeitig die Qualität der Unternehmen wie auch der MBI-Kandidaten ab – nicht per se, aber aufgrund ihrer häufig nicht ausreichenden Qualifizierung durch erfahrene M&A-Professionals.

Chancen realistisch verbessern

Bereits 2005 haben Dr. Anselm Görres und Sebastian Moss in einer MBI-Serie (VC Magazin 10-12/2005) analysiert, warum echte MBIs so selten zustande kommen, und konkrete Vorschläge unterbreitet, was geschehen müsste, um die Chancen für erfolgreiche MBIs zu erhöhen.

Für MBI-Kandidaten gehörte hierzu u.a.,

  • im MBI-Prozess die führende Rolle zu übernehmen,
  • die gezielte Ansprache von M&A-Dienstleistern mit Fokus auf Management-Buy-ins sowie
  • die Direktansprache von verkaufswilligen Unternehmern.

Weitere M&A-Beteiligte sollten hiernach u.a.

  • vorsorglich eigene MBI-Pools aufbauen oder mit solchen Anbietern kooperieren,
  • maßgeschneiderte Finanzierungsangebote unter Einbindung von öffentlichen Fördermitteln entwickeln sowie
  • Dienstleister mit MBI-Erfahrung qualifizieren.

Und Firmeninhaber sollten

  • MBI-Kandidaten systematisch suchen und sie anschließend
  • proaktiv in die Transaktionsgestaltung mit einbinden.

Aktionismus ist Augenwischerei

Wenn all dies geschehen wäre, gäbe es heute deutlich mehr erfolgreiche Management-Buy-ins. Die Zunahme an enttäuschten MBI-Kandidaten lässt jedoch darauf schließen, dass keiner der Beteiligten seinen Lösungsbeitrag sonderlich ernst genommen hat. Der Fokus lag offenkundig vielmehr auf der öffentlichkeitswirksamen Steigerung der Quantität: So haben immer mehr Unternehmensbörsen immer mehr Unternehmen vorgestellt. IHK und ähnliche Institutionen haben immer mehr MBI-Kandidaten und Firmeninhaber informiert.

Aber die unseres Erachtens korrekt von Görres und Moss identifizierten wirklichen Lösungsbeiträge wurden damit sogar eher noch geschwächt. Die „Scheinaktivitäten“ haben nämlich bewirkt, dass früher übliche, tatsächlich sinnvolle Vorgehensweisen heute kaum mehr genutzt werden.

So wurden früher sicher deutlich mehr M&A-Berater von MBI-Kandidaten beauftragt, das für sie passende Unternehmen zu finden. Viele M&A-Kollegen haben diese Vorgehensweise in der Vergangenheit als sehr erfolgversprechend schätzen gelernt. Aufgrund der – zumindest augenscheinlich – höheren Markttransparenz, v.a. durch Unternehmensbörsen, sind heute aber die wenigsten MBI-Interessierten bereit, selbst mit moderaten vierstelligen Beträgen als Retainer, für eine zielgerichtete Vorgehensweise in Vorleistung zu gehen.

Und auch Inhaber sehen die Firmennachfolge meist als Notlösung, die zum Schluss ausprobiert wird, wenn gar nichts mehr geht, anstatt sich frühzeitig mit passenden MBI-Kandidaten zu befassen, um mit diesen gemeinsam eine für alle Beteiligten attraktive Transaktionsgestaltung zu entwickeln. Hierzu stehen inzwischen einige MBI-erfahrene Investoren, wie z.B. die Motus Mittelstandskapital, selbstverständlich auch unter Einbindung von Fördermitteln, zur Verfügung.

Fazit: Ein gemeinsamer MBI-Pool

Aber auch die M&A-Dienstleister haben eben erst begonnen, den von Görres und Moss beschriebenen Weg zu gehen. Noch zu wenige MBI-erfahrene M&A-Dienstleister haben sich dem Stabwechsel-Netzwerk angeschlossen und bauen dort einen gemeinsamen MBI-Pool auf, auf den Firmeninhaber und ihre Berater bei Bedarf schnell zugreifen können.

Mit Stabwechsel ist nunmehr, nach sieben Jahren der korrekten Problemanalyse, eine für weitere M&A-Dienstleister offene Plattform entstanden. M&A- und Personalberater sind frei, sich mit ihren jeweiligen Geschäftsmodellen einzubringen und es den MBI-Kandidaten zu ermöglichen, von MBI-interessierten Unternehmensinhabern frühzeitig gefunden und gezielt angesprochen zu werden.

Nützliche Quellen und Links

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Stabwechsel veranstaltet gemeinsam mit dem Bundesverband Mergers & Acquisitions (BM&A) alle sechs bis acht Wochen zwei regionale Halbtagsveranstaltungen; zum einen einen MBI-Workshop, ausschließlich zur Information für MBI-Kandidaten, und zum anderen ein Power-Networking für alle aktuell mit einer Unternehmensnachfolge betrauten Berater, zum Kennenlernen und gegenseitigen Austausch.