Professionelle Wissensvermittlung: Wie Lehrstoff am besten hängen bleibt

Menschen Wissen und Können vermitteln – vor dieser schwierigen Aufgabe stehen nicht nur Trainer und Lehrer. Auch Führungskräfte und Ausbilder müssen im Betriebsalltag oft Know-how weitergeben und Unterweisungen durchführen. Sabine Prohaska erklärt, wie das mit der Anker-Strategie ganz leicht gelingt.

Herr Lehrer, mein Kopf ist voll!

Von Sabine Prohaska, seminar consult prohaska

„Wann merkt sich der das endlich?“ Das denken sich Führungskräfte und Ausbilder, wenn sie einem Mitarbeiter oder Kollegen einen Sachverhalt schon mehrfach erklärt haben. Und nicht selten haben sie sogar das Gefühl: „Der ist etwas schwer von Begriff.“ Doch Vorsicht! Selten sind mangelnde Intelligenz oder fehlendes Interesse die Ursache. Meist liegt es an der Wissensvermittlung, wenn Botschaften nicht wie gewünscht ankommen.

Wissen im Herz der Hörer verankern

Wer es sich künftig ersparen will, Dinge mehrfach zu erklären, merkt sich am besten das Wort „Anker“. Jeder der fünf Buchstaben steht für eine wichtige Regel, die es beim Vermitteln von Wissen zu beachten gilt. Sie lauten:

  • Anfang und Ende der „Unterweisung“ mit den wichtigsten Informationen bestücken! Denn: Was zu Beginn und am Schluss gesagt wird, bleibt am ehesten im Gedächtnis haften.
  • „Nein“ und „nicht“ vermeiden! Denn: Diese Begriffe ignoriert unser Gehirn.
  • Kurz fassen! Denn: Das Kurzzeitgedächtnis, die Pforte zum Langzeitgedächtnis der Menschen, hat eine begrenzte Kapazität.
  • Emotionen hervorrufen und Bilder verwenden! Denn: Gefühle regen das Gehirn an.
  • Relationen zum Wissen des Vis-à-vis herstellen! Denn: Infos, die ein Mensch in Beziehung zu bereits vorhandenem Wissen setzen kann, verankern sich leichter.

Sehen wir uns diese Punkte im Einzelnen an.

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Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien. Sie ist u.a. Autorin der Bücher „Erfolgreich im Training – Praxishandbuch“ und „Coaching in der Praxis: Tipps, Übungen und Methoden für unterschiedliche Coaching-Anlässe“. Auf der Webseite ihres Unternehmens können Interessierte ein kostenloses E-Book zum Thema Anker-Strategie anfordern.


seminar consult prohaska e.U., Märzstraße 55/13, A-1150 Wien, Tel. +43 664-3851767, prohaska@seminarconsult.at, www.seminarconsult.at

Die fünf Anker-Regeln

Regel 1: Anfang und Ende

Die Informationen, die wir zuerst oder zuletzt hören, merken wir uns am ehesten. Diese Erkenntnis der Lernpsychologie nennt sich „Primacy-Recency-Effekt“. Wegen ihm achten zum Beispiel Marketing-Experten beim Verfassen von Werbetexten besonders auf deren Anfang und Ende. Ebenso hilfreich ist es, bei Unterweisungen oder Gesprächen mit Mitarbeitern die wichtigsten Botschaften konsequent an den Anfang und Schluss zu stellen. Das funktioniert, indem man das Gespräch z.B. mit einer Übersicht einleitet: „Ich möchte mit Ihnen darüber reden, wie Sie …“ Und indem man mit einem Fazit schließt, das die Kernbotschaften zusammenfasst: „Besonders wichtig ist, erstens: … Zweitens: … Drittens: …“

Der Effekt lässt sich übrigens nutzen, um Entscheidungen zu beeinflussen. Untersuchungen zeigen: Die am Anfang und Schluss genannten Argumente haben auf Entscheidungen den größten Einfluss. Wichtig ist also die Reihenfolge der Argumente im Vortrag.

Regel 2: „Nein“ und „Nicht“ vermeiden

Man stelle sich einmal vor, dass ein Ausbilder rät: „Denken Sie nicht an die Klausur.“ Was geschieht? Wir denken an die Klausur. Sofort entsteht vor dem geistigen Auge etwa das Bild, wie wir mit den Kollegen in einem Raum sitzen, vor jedem liegt ein Blatt Papier. Alle schreiben wie wild. Nur das eigene Papier ist leer.

Warum erfolgt diese Reaktion? Das menschliche Gehirn assoziiert Wörter mit Gegenständen und Tätigkeiten. Die Worte „Baum“ und „hüpfen“ rufen z.B. konkrete Bilder in unserem Kopf hervor. Das Wort „nicht“ hingegen lässt kein Bild entstehen. Also wird es von unserem Gehirn auch nicht unmittelbar verarbeitet. Häufig fällt es sogar unter den Tisch. Dann tun oder denken wir genau das Gegenteil des Gesagten.

Noch ein Beispiel: Ein Ausbilder will die Einführung in ein EDV-Programm locker gestalten. Also sagt er scherzhaft: „Keine Panik! Sie brauchen hierfür ja keine Programmiersprache zu lernen.“ Dann kommt in der Pause garantiert ein Auszubildender und sagt: „Ich hätte da mal eine Frage wegen der Programmiersprache.“ Denn sein Gehirn hat das Wort „keine“ ignoriert. Im Gedächtnis blieb nur die Information „Programmiersprache lernen“.

Also: Wer etwas bewirken will, sollte Nicht-Botschaften vermeiden. Stattdessen gilt es zu überlegen, welche positiven Bilder und „Drehbücher“ man in den Köpfen der Zuhörer aktivieren möchte.

Regel 3: Kurz fassen

Infos werden zunächst im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Und erst von dort gelangen sie ins Langzeitgedächtnis – jedoch nur unter der Bedingung, dass das Kurzzeitgedächtnis zwischenzeitlich nicht überlastet wird. Denn seine Speicherkapazität ist begrenzt. Prasseln zu viele Infos zugleich auf es ein, werden die älteren Infos im Arbeitsspeicher sozusagen gelöscht, um den neueren Platz zu machen.

Als Faustregel kann man sich merken: Das Kurzzeitgedächtnis kann nur sieben Informationen speichern. Dann ist Schluss. Das können sieben Namen, Zahlen oder Bedeutungszusammenhänge sein. Also: Nicht alles Wissenswerte in eine „Lerneinheit“ packen, sondern sich auf die wichtigsten Punkte beschränken. Was weniger wichtig ist, kann man seinen Mitarbeitern oder Kollegen später noch mitteilen.

Regel 4: Emotionen wecken und Bilder nutzen

Gefühle beeinflussen das Lernen. Vor allem positive Gefühle regen das Gehirn zum Lernen an. Und wie wohl sich eine Person beim Lernen fühlt, hängt vor allem von der Lernatmosphäre ab.

Für eine positive Lernumgebung sind vor allem zwei Punkte entscheidend:

  1. Das Zugehörigkeitsgefühl – Menschen lernen besser und leichter mit anderen. Besonders wichtig ist diese Erkenntnis, wenn es um Verhaltensänderungen geht. Denn hierfür genügt nicht die Lektüre von Büchern. Auch das Ausprobieren und Sammeln von Erfahrung ist wichtig, z.B. in Rollenspielen. – Damit Menschen in solchen Spielen über ihren Schatten springen, müssen sie jedoch das Gefühl haben, dass sie akzeptiert werden und dass niemand gehässig lacht, wenn sie etwas falsch machen.
  2. Das Gefühl von Wachstum, also das Gefühl „Ich kann es, ich schaffe es, wenn …“ Eine Voraussetzung hierfür sind Aufgaben, welche die Lernenden fordern, aber nicht überfordern. Denn jede gelöste (Teil-)Aufgabe ist ein Erfolgserlebnis. Und Erfolgserlebnisse lösen in uns Glückshormone aus. Und diese motivieren uns wiederum, den nächsten Schritt zu wagen. – Gestaltet man die Aufgaben entsprechend, können sie bei den Mitarbeitern oder Kollegen eine Kettenreaktion auslösen. Es entsteht sozusagen ein Motivationskreislauf aus Lernen, Erfolg haben, Glück empfinden und wieder Lernen, der im Idealfall süchtig macht.

Und noch ein Tipp: Die Lerninhalte in Bilder und Geschichten verpacken, statt abstrakte Begriffe und Formulierungen zu verwenden. Denn erst Beispiele, Anekdoten und Bilder lassen die Infos im Kopf lebendig werden und lösen Gefühle aus. Deshalb verankern sie sich besser.

Regel 5: Relationen herstellen

Für das Vermitteln von Wissen gilt wie für den Gartenbau: Ein guter Gärtner ist, wer aus dem Vorhandenen das Bestmögliche schafft. Um die schönsten Blumen oder dicksten Kartoffeln zu ziehen, muss man wissen, wie der Boden beschaffen ist. Entsprechendes gilt für Wissensvermittler.

Vorab ist also in Erfahrung zu bringen, was die Mitarbeiter oder Kollegen bereits wissen und welche Themen sie jeweils interessieren. Dann kann man auf das vorhandene Know-how aufbauen und vermeidet ein Über- und Unterfordern. Zudem lassen sich leichter Verbindungen herstellen zu den Themen, die die Lernenden interessieren: Mode, Autos, Fußball etc. Ein Beispiel: „Ein Arbeitsteam funktioniert wie eine Fußballmannschaft. Wenn nur ein Spieler rennt und zehn herumstehen, gewinnt man kein Spiel.“ So verpackt verankern sich Botschaften leichter.

Fazit: Lernende abholen und mitnehmen

Lernprozesse lassen sich mit einer Busroute mit mehreren Stationen vergleichen. Die Führungskräfte oder Ausbilder sind die Busfahrer; sie müssen wissen, an welcher Haltestelle die Lerner stehen, damit sie diese abholen und mit dem Bus zum Ziel bringen können. Denn Menschen haben nicht nur eine unterschiedliche Geschichte, sondern auch verschiedene Interessen, Kenntnisse und Erfahrungen. Also müssen sie an verschiedenen Haltestellen abgeholt werden.

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