Lohndiskriminierung: Wann Lohndiskriminierung teure Folgen hat

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz macht deutlich, dass in Sachen Gleichbehandlung künftig wohl schärfer geschossen wird, gerade wenn es ums Geld geht: Einer AGG-Klage gegen unterschiedliche Löhne für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit gaben die Richter ziemlich umfassend recht.

AGG-Klage setzt gleichen Lohn für Frauen durch

Von Sabine Wagner

Frauen verdienen weltweit deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. In der Europäischen Union fällt der sogenannte Gender Pay Gap unterschiedlich groß aus, wobei Deutschland eine unrühmliche Rolle spielt: Laut Destatis verdienen Frauen hierzulande im Durchschnitt 22 % weniger, und zwar unverändert schon seit Jahren. Nun aber bringt ein Urteil des Landgerichts Rheinland-Pfalz Bewegung in dieses Thema.

Das LArbG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 13. Mai 2015 (Az. 5 Sa 436/13) entschieden, dass bei gleichem Job auch der gleiche Lohn zu zahlen ist. Ansonsten sei eine Benachteiligung bei der Vergütung allein aufgrund des Geschlechts gegeben.

15.229,90 Euro Nachzahlung und Entschädigung

Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen seinen weiblichen Mitarbeiterinnen über Jahre weniger Lohn bezahlt als den männlichen Kollegen, obwohl alle Mitarbeiter, Frauen wie Männer, die gleiche Tätigkeit hatten. Das LArbG sieht darin eine Diskriminierung und sprach der klagenden Mitarbeiterin sowohl die Lohndifferenz zu als auch eine Entschädigung.

Die Ungleichbehandlung bezog sich de facto nicht nur auf das monatliche Gehalt: Da die Vergütung bei den Frauen niedriger bemessen war als bei den Männern, hatte dies auch finanzielle Auswirkungen auf Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Denn der Arbeitgeber hatte diese Zahlungen immer auf Basis des niedrigeren Stundenlohns berechnet. Die Klage umfasste einen Differenzbetrag von insgesamt 9229,90 Euro für Vergütungsansprüche ab 1. Januar 2009 sowie eine Entschädigung von mindestens 7452,32 Euro.

Innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis

Bekannt geworden war der Klägerin die Benachteiligung aufgrund einer Betriebsversammlung im September 2012. Im November 2012 machte die Klägerin ihre Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Dieser verzichtete im Dezember 2012 auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich sämtlicher Ansprüche, die nicht bereits im Dezember 2012 verjährt waren.

Die Klage ging bezüglich der Höhe der Lohndifferenz in vollem Umfang durch. Aus Sicht des Landesarbeitsgerichts liegt eine unmittelbar geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung vor, sodass der Klägerin die Lohndifferenz mach §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 2 AGG, aber auch nach § 612 Abs. 3 BGB und nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zusteht.

Serie: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Teil 1 stellt die Pro­ble­matik im Kern­bereich Arbeits­recht dar. Eine erste Prozess-Statistik gibt vor­läufig Entwarnung. Teil 2 widmet sich den AGG-Aus­wirkungen im Zivil­recht und sagt, was bei Miet­ver­hältnissen, Ver­sicherungen und im Online-Handel gilt. Teil 3 gibt praktische Tipps für den Um­gang mit Stel­len­be­werbern. Weitere Extrabeiträge erklären, wo die Gleichbehandlung bei einer Kündigung zu beachten ist, und schildern den Fall einer erfolgreichen Klage gegen Lohndiskriminierung.

Die Ansprüche der Klägerin waren auch nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen, da es sich zum einen nicht um einen Schadensersatzanspruch handelte, sondern um einen Erfüllungsanspruch. Aber selbst dann, wenn § 15 Abs. 4 AGG anzuwenden gewesen wäre, hätte die Klägerin ihre Ansprüche innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht, denn die kurze Frist beginnt erst „zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt“. Aufgrund der Einhaltung der Zweimonatsfrist wurde der Klägerin auch eine Entschädigung in Höhe von 6000 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt.

Fazit: Zweifelsfälle intern prüfen lassen

Es ist davon auszugehen, dass nach diesem Urteil weitere Klagen wegen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot erhoben werden. Unternehmen, in denen Männer und Frauen die gleiche Arbeit bei ungleicher Bezahlung verrichten, können nicht mehr so sicher wie bisher davon ausgehen, dass dies keine rechtlichen Konsequenzen haben wird. In Fällen, in denen die Vergleichsgrundlage zweifelhaft ist („gleiche Arbeit“), sollten die Verantwortlichen die Situation im eigenen Unternehmen durch Fachjuristen prüfen lassen.

Wie schmerzhaft ein Gerichtsurteil dann ausfällt, wird unter anderem davon abhängen, welche Entschädigungen Gerichte zuerkennen, wenn sie merken, dass ein wirksamer rechtlicher Schutz des Rechts auf Gleichbehandlung mit zu geringen Summen nicht erreicht wird.

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