Mobile Betriebsabläufe, Teil 1

Bewegliche Lösungen überspringen Prozessbrüche

Von Rochus Rademacher

In Vertrieb, Wartung, Gesundheitswesen, Handwerk und anderen Bereichen: Weltweit arbeitet rund eine Milliarde Menschen mobil. Ein stetiger Trend, wie Sean Ryan, Mobile-Enterprise-Analyst von IDC, versichert: „2013 werden es 1,2 Mrd. sein und damit über ein Drittel aller Arbeitskräfte.“ In Westeuropa würde dann die Hälfte aller Beschäftigten unterwegs IT-gestützt arbeiten.

Die Unternehmen profitieren davon. Nach einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) setzen CIOs auf vier Vorteile: Zeitersparnis, Produktivitätssteigerung, Kundenzufriedenheit und Kostenersparnis.

Unterwegs im Außendienst

Aber die Früchte hängen hoch: „Wir haben keinen Prozess auf dem anderen gelassen“, berichtet Andreas Hoyler, Informationsmanager bei der EnBW Regional AG, von der Einführung eines Managementsystems für die Netzmonteure. Der Außendienst des Energieversorgers betreut ein Stromnetz von 100.000 km Länge sowie Gasleitungen. An das bestehende ERP-6.0-Backend ist ein Geoinformationssystem angeschlossen, samt dem SAP-Modul Mobile Asset Management als Workforce-Managementsystem (WFM).

„An dem WFM hängt eine Navigationssoftware, die auf Feldwegebene arbeitet“, erläutert Hoyler. Denn Leitungen seien nun mal in Wald und Wiesen vergraben. Als Nutzen der Mobilisierung von 750 Mitarbeitern in den Regionalzentren nennt der Infomanager die automatisierte Auftragsentstehung und Disposition, die mobile Übermittlung von Auftragsdaten und die Steuerungslogistik zur Optimierung. Die Monteure rücken nun mit einem Tablet-PC aus und haben Zugriff auf Pläne, Routen, Netztopologie, Sach- und Kundendaten. Sie melden ihren aktuellen Status zurück, und sämtliche Daten werden sofort aufbereitet, so dass in Störfällen oder bei Notrufen umgeplant werden kann. Immerhin koordiniert die EnBW Regional AG rund 56.000 Aufträge.

Serie: Mobile Betriebsabläufe
Teil 1 lässt sich vom Fraun­hofer IAO vier prak­tische Tipps für die Um­stellung an die Hand geben. Teil 2 zeigt an Best-Practice-Mobil­beispielen, wie die Prozess­optimierung konkret aus­sehen kann.

Einfach in der Anwendung

„Entscheidend für die Akzeptanz ist die grafische Benutzerschnittstelle; die Anwendung wird über gute Masken für die Monteure erlebbar gemacht“, berichtet Hoyler, der für den Mobil-Client deshalb sogar eine EU-Ausschreibung startete. Genervt hatte die Monteure das Einwählen per Virtual Private Network: „Sie nutzen die Fahrzeit zur Synchronisierung – niemand will da mit zehnstelligen Zahlen operieren.“ Jetzt werden die Daten in den Tablet-PC eingegeben, und ein Einwahl-Tool klinkt sich automatisch in das SAP-System ein.

Gesteuert wird die Mannschaft durch ein zentrales Dispatching-System, was zu Umstellungen in der Aufbauorganisation führte: „Die dezentrale Meisterebene ist weggefallen und zur Teamleitung umgestellt worden“, schildert Hoyler. „Das Rollenverständnis hat sich gewandelt, denn die Auftragszentren brauchen kompetente Ansprechpartner nach innen und außen.“

Vier Faustregeln für die Mobilisierung
Durch sein Demozentrum für mobile Unternehmenssoftware hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitstechnik und Organisation (IAO) viel Erfahrung mit der Einführung von Notebooks, Smartphones und Handys in Firmen. Wolf Engelbach, Leiter der IAO-Abteilung Informationsmanagement, hat vier Tipps für den Mobilitätserfolg parat:

  1. Keine Workarounds: Die Dateneingabe muss strikt im definierten Workflow stattfinden.
  2. Minimierung des Integrationsaufwands: Je klarer die Endgeräte­plattform vereinheitlicht ist, desto einfacher ist die Prozess­optimierung. Wer iPhone, BlackBerry und Mobile 7 zur freien Auswahl stelle, habe zwar geringere Akzeptanz­probleme, doch der Auf­wand steige, warnt der IAO-Berater: „Eine einzige sicher verwaltbare Lösung ist in der Beschaffung günstiger, weniger schulungs- sowie betreuungs­aufwändig und leichter in das Backend integrierbar.“
  3. Gute Bedienbarkeit: Nach den Usability-Tests des IAO hängt die Affinität zu einem Gerät ab von Alter, Geschlecht und Gewohnheit sowie kulturellen Prägungen wie Sprach- und Symbol­verständnis. Außerdem: „Wenn Mitarbeiter mit dem iPhone beim Kunden einen modernen Eindruck hinter­lassen wollen, so kann das auch ein Auswahl­kriterium sein“, so Engelbach.
  4. Daten absichern: Wegen der hohen Verlustrate der Endgeräte sind Richtlinien und technische Absicherung sinnvoll, aber heikel. „Je höher die Sicherheits­anforderungen, desto mehr wird manchmal die Usability eingeschränkt“, erläutert Engelbach. „Wenn nach zwei Minuten ohne Eingabe die Kennwort­sperre einsetzt, wird die Arbeit mit dem System erschwert und unangenehm.“ Bei Geschäfts­geräten hilft jedoch die Architektur der Daten­haltung: Was auf dem Server oder in der Cloud liegt, kann weder mit dem Mobil­gerät verloren gehen noch in falsche Hände gelangen.

Kompliziert in der Planung

Mobile Prozesse sind durch das Drumherum meistens recht komplex, bestätigt Wolf Engelbach, Leiter der Abteilung Informationsmanagement am Fraunhofer-Institut für Arbeitstechnik und Organisation (IAO). „Bedacht werden müssen die Auswahl der Geräte, Einführungsprozess und Schulung, der Anpassungsaufwand für bestehende Prozesse sowie das Management der Mobilsysteme.“ Meist ist eine intensive Backend-Integration erforderlich, mit Zugriff auf CRM– oder ERP-Systeme und Fachanwendungen wie Instandhaltung oder Zählerstand- und Zeiterfassung.

In welchem Ausmaß die Prozessoptimierung durch mobile Lösungen von konkreten Arbeitsabläufen abhängig ist, untersucht Teil 2 dieser Serie genauer.

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