Finanzierung mit Crowdfunding: Wann Crowdfunding zum Erfolg führt

Neben die etablierten Finanzierungsformen ist seit einigen Jahren das Crowdfunding übers Internet getreten. Die Schwarmfinanzierung bringt mittlerweile Milliardensummen für Projekte in jeder Größenklasse auf. Roland Freist erklärt, wann es funktioniert und welche Rolle das Social Web dabei spielt.

Die Masse macht’s

Von Roland Freist

Crowdfunding verlagert die Finanzierung von neuen Projekten und Produkten von einigen wenigen, meist institutionellen Kapitalgebern zur breiten Masse der Kunden. Oft sind es Start-ups und Außenseiter am Markt, die auf diese Weise versuchen, das notwendige Kapital für die Umsetzung ihrer Ideen zu beschaffen. Crowdfunding wird häufig gewählt, wenn wenig oder kein Eigenkapital vorhanden ist und den traditionellen Kreditgebern, also vor allem den Banken, das Risiko zu hoch ist. Es ist sicher kein Zufall, dass Crowdfunding während der Finanzkrise Ende des vorigen Jahrzehnts seinen Aufschwung erlebte.

Bonus oder Investition

Aus Sicht der Projektmitglieder hat diese Finanzierungsform gleich mehrere Vorteile gegenüber den herkömmlichen Methoden der Geldbeschaffung: Im Unterschied zu einem Kredit werden die eingesammelten Gelder beim Reward-based Crowdfunding weder zurückgezahlt noch als Beteiligungen am Unternehmen gewertet. Stattdessen erhalten die Geldgeber eine Gegenleistung, man könnte auch sagen: eine Belohnung, z.B. in der Form, dass sie das fertige Produkt bevorzugt und zu einem vergünstigten Preis bestellen können. Diese Gegenleistung entspricht normalerweise jedoch nicht der Summe, die der Geldgeber investiert hat.

Ein anderes Modell ist Crowdinvesting, auch Equity-based Crowdfunding genannt. Es entspricht weitgehend der klassischen Investition in ein Unternehmen – mit dem Unterschied allerdings, dass die einzelnen Beträge erheblich kleiner sind und von einer großen Zahl von Personen stammen. Die Investitionen werden als stille Beteiligungen oder partiarische Darlehen behandelt, bei denen die Investoren an den Gewinnen beteiligt werden. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass bei Crowdinvesting häufig größere Summen zusammenkommen als beim Reward-based Crowdfunding.

Zweiter Vorteil: Während institutionelle Investoren den Projektfortschritt kontrollieren und darauf Einfluss nehmen, sind die Sammler von Crowdfunding-Geldern frei in ihren Entscheidungen. Nur bei wenigen Projekten, etwa bei dem Film „Iron Sky“, versuchten die Macher, auch die Ideen ihrer Finanziers zu nutzen und boten ihnen eine Möglichkeit zur Partizipation.

Drittens bietet Crowdfunding eine Möglichkeit, die Akzeptanz eines Produkts vorab auszutesten. Falls sich nur wenige Personen bereitfinden, Geld in ein Projekt zu stecken, ist das eine Warnung, dass am Konzept eines Produkts etwas nicht stimmt.

Plattform für den Start

Das moderne Crowdfunding wurde mit der Gründung von darauf spezialisierten Internet-Plattformen geboren. Die bekanntesten sind das in New York beheimatete Kickstarter und Indiegogo aus San Francisco. Auf diesen Websites können Start-ups ihre Projekte vorstellen; sie geben eine Mindestsumme an, die erreicht werden muss, und den Zeitraum, in dem die Finanzierung abgeschlossen sein soll. Falls eine Kampagne erfolgreich ist und die benötigte Summe zusammenkommt, kassieren die Crowdfunding-Plattformen eine prozentuale Vermittlungsgebühr. Hinzu kommen meist noch Gebühren für die Finanzdienstleister, mit denen die Plattformen zusammenarbeiten, etwa PayPal oder Amazon Payments. Falls die Zielsumme nicht erreicht wird, erhalten die Geldgeber die eingezahlten Beträge in den meisten Fällen wieder zurück.

Indiegogo ist erst seit 2014 auch in Deutschland aktiv. Kickstarter hat eine deutsche Vertretung zwar angekündigt, aber noch nicht eröffnet. Diese Lücke wurde in den letzten Jahren von lokalen Dienstleistern wie Startnext besetzt. (Eine Übersicht findet man auf dem Portal crowdfunding.de).

Die Social Crowd nistet in Netzwerken
Als nahezu ebenso wichtig wie die Plattformen haben sich in der Praxis soziale Medien wie Facebook, Google+ und Twitter erwiesen. Damit eine Kampagne ein Erfolg wird, sollte der Initiator eines Projekts bereits vor dem Start Werbung dafür machen und Interesse wecken. Neben klassischer PR– und Pressearbeit bedeutet das vor allem, in den sozialen Medien präsent zu sein, wo ein direkter Kontakt zwischen Geldgebern und Projektverantwortlichen möglich ist. Crowdfunding heißt Schwarmfinanzierung, und die Masse der Menschen erreicht man am einfachsten übers Internet.

Finanzierungsbeispiele

Per Crowdfunding werden heute Millionenbeträge eingesammelt. Laut dem Statistikportal Statista summierte sich das in Deutschland investierte Kapital im Jahr 2014 auf 8,76 Mio. Euro, die sich auf 8855 Projekte verteilten. Im Jahr 2013 kamen weltweit bereits 5,1 Mrd. US$ zusammen.

Zu den Vorzeigeprojekten gehört die Spielkonsole Ouya, für die 2012 auf Kickstarter rund 8,5 Mio. US$ eingezahlt wurden. Noch erfolgreicher war die Smartwatch Pebble; sie brachte es 2012 auf 10,16 Mio. US$ Unterstützungsgelder und war damit das erfolgreichste Kickstarter-Projekt des Jahres.

In Deutschland wurde das Crowdfunding-Konzept vor allem durch den Kinofilm zur Serie „Stromberg“ bekannt. Innerhalb einer Woche spendeten 2011 rund 3000 Geldgeber mehr als 1 Mio. Euro und trugen damit rund ein Drittel zu den Produktionskosten von 3,3 Mio. Euro bei. Kinostart war im Februar 2014; im März hatte bereits mehr als 1 Mio. Zuschauer den Film gesehen, und die Kosten waren gedeckt. Ab diesem Zeitpunkt zahlte die Produktionsfirma Brainpool pro verkaufter Kinokarte 50 Cent an die Investoren aus. Insgesamt spielte der Film weltweit mehr als 24 Mio. Euro ein.

Ein weiteres viel beachtetes Projekt war 2014 das Online-Magazin Krautreporter. Um unabhängigen Journalismus zu garantieren, setzten die Gründer auf eine Crowdfunding-Kampagne mit dem Ziel, mindestens 900.000 Euro in Form von Jahresabonnements für jeweils 60 Euro einzusammeln. Einen halben Tag vor Ende der selbst gesetzten Frist wurde diese Summe erreicht.

Immer mehr Branchen werden mittlerweile auf Crowdfunding als Finanzierungsmethode aufmerksam. So berichtete die FAZ über landwirtschaftliche Betriebe, die auf diese Weise das Geld für neue Produktionsgeräte zusammenbrachten. Ein britischer Unternehmer versucht derzeit, kleinere Propellermaschinen für regionale Fluggesellschaften per Crowdfunding zu finanzieren, wie n-tv berichtet.

Berüchtigte Flops

Nicht jedes Projekt wird ein Erfolg. Das gilt natürlich auch beim Crowdfunding. So sammelte das amerikanische Unternehmen Soap im vergangenen Jahr rund 400.000 US$ für einen Router mit Touchdisplay und Unterstützung für Smart-Home-Technik ein, der zum Preis von rund 200 US$ angeboten werden sollte. Das Projekt scheiterte – allein die Produktion des Geräts hätte schon mehr als 400 US$ gekostet – und viele Unterstützer verlangten ihr Geld zurück. Ob tatsächlich alle entschädigt werden können, ist derzeit noch unklar. Inzwischen wurde ein neues Router-Projekt von Soap vorgestellt.

Zu einem Skandal wuchs sich hingegen das Projekt zur Entwicklung der Anonabox aus, eines Routers mit eingebauter Unterstützung des Anonymisierungsdienstes Tor. Nachdem auf Kickstarter bereits 600.000 US$ zusammengekommen waren, stellte sich heraus, dass es sich bei der angeblichen Neuentwicklung vermutlich um den bereits existierenden Router eines chinesischen Herstellers handelte, der im Versandhandel für rund 20 US$ erhältlich ist. Kickstarter beendete daraufhin die Kampagne. Mittlerweile haben die Macher eine neue, weiterentwickelte Version des Geräts vorgestellt und sind damit zu Indiegogo gewechselt.

Fazit: Finanzierungsrunde als PR

Crowdfunding ist vor allem für Unternehmensgründer und Projekte mit einer großen Fanbasis eine gute Alternative zu herkömmlichen Finanzierungsformen. Allerdings ist nicht jedes Produkt dazu geeignet – wenn Konzept oder Nutzen nicht sofort verständlich sind, besteht die große Gefahr, dass die Finanzierung scheitert. Zudem sollte der Projektverantwortliche etwas von PR verstehen und die Mechanismen der modernen Social-Media-Kanäle kennen, um erfolgreich Unterstützer anwerben zu können.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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