Open Access: Warum die Wissenschaft auf Open Access besteht

Bereits seit einem Vierteljahrhundert wird die Forderung laut, dass die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung allgemein zugänglich sein und kostenfrei zur Verfügung stehen sollten. Mittlerweile ist der Druck so stark, dass auch bei den Wissenschaftsverlagen ein Umdenken begonnen hat.

Veröffentlichen heißt frei zugänglich machen

Von Roland Freist

Den niederländischen Wissenschaftlern reicht es, sie bereiten einen Boykott vor. Ziel ist es, den weltweit größten wissenschaftlichen Fachverlag Elsevier, ebenfalls in den Niederlanden beheimatet, dazu zu bringen, die in seinen Fachpublikationen veröffentlichten Forschungsergebnisse zusätzlich kostenfrei ist Internet zu stellen – eine Forderung, die von der niederländischen Politik ausdrücklich unterstützt wird.

Meuterei der Elsevier-Mannschaft

Außerdem soll der Verlag die Abonnementpreise für seine gedruckten Journale senken. Die Wissenschaftler drohen, ansonsten ab Anfang 2016 für Elsevier-Zeitschriften nicht mehr als Herausgeber zur Verfügung zu stehen. Sollte der Verlag darauf nicht reagieren, würden sie in einer zweiten Eskalationsstufe auch keine Reviews mehr für ihn durchführen, also die Beurteilung der Artikel ihrer Kollegen verweigern. Stufe drei wäre dann die Weigerung, überhaupt noch bei Elsevier zu publizieren. Doch derzeit (Stand Juli 2015) laufen noch die Verhandlungen.

Die Boykott-Drohungen bilden den vorzeitigen Höhepunkt einer Bewegung, die um 1990 begann und heute unter dem Oberbegriff Open Access zusammengefasst wird. Man versteht darunter die Möglichkeit, wissenschaftliche Dokumente kostenfrei zu lesen, herunterzuladen, zu speichern, zu verlinken und auszudrucken.

Der Druck durch die immer weiter steigenden Abonnementpreise – einige wissenschaftliche Journale kosten fünfstellige Summen pro Jahr – bei gleichzeitig sinkenden Beschaffungsetats führte seit Anfang der 1990er Jahre dazu, dass viele Bibliotheken gezwungen waren, wissenschaftliche Zeitschriften abzubestellen. Die darin publizierten Forschungsergebnisse waren also für immer weniger Personen einsehbar, sofern sie nicht längere Ausflüge zu anderen Forschungseinrichtungen unternahmen. Diese Situation widersprach jedoch dem Anspruch, dass die Ergebnisse der an den staatlichen Universitäten und sonstigen Einrichtungen geleisteten wissenschaftlichen Forschung kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollten.

Das Internet stellt die Open-Access-Frage

Die erste technische Umsetzung eines freien Zugangs geschah über Preprint- oder Dissertationsserver, die von den Bibliotheken aufgestellt und frei zugänglich gemacht wurden. Erst mit dem Aufkommen des Internets ergab sich die Möglichkeit, Forschungsergebnisse weltweit verfügbar zu machen.

Eine erste Formulierung der Ziele der Open-Access-Bewegung erfolgte 2001 während einer Konferenz des Open Society Institutes (heute: Open Society Foundations) in Budapest. Auf Basis dieser Budapester Erklärung wurde im Oktober 2003 auf einer Tagung der Max-Planck-Gesellschaft die Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen verabschiedet, die die Ziele der Open-Access-Bewegung noch einmal erweiterte. Diese Erklärung wurde von allen wichtigen deutschen Forschungseinrichtungen unterschrieben, darunter die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Hochschulrektorenkonferenz, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und natürlich die Max-Planck-Gesellschaft selbst. Aber auch internationale Organisationen wie die Open Source Initiative (OSI), die Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition (SPARC) oder der Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) setzten ihre Unterschrift unter das Dokument. Die Berliner Erklärung gilt heute als Startpunkt für die praktische Umsetzung der Open-Access-Forderungen.

Über 10.000 Open-Access-Zeitschriften

Directory of Open Access Journals (Bild: DOAJ)

Bis heute hat die Bewegung bereits viel erreicht. Das Directory of Open Access Journals (DOAJ), das zentrale Verzeichnis für offen zugängliche wissenschaftliche Zeitschriften, die einen Peer-Review-Prozess (deutsch: Kreuzgutachten) durchlaufen haben, verzeichnet zum Juli 2015 ganze 10.435 Titel aus 134 Ländern. Mittlerweile stammen viele dieser Zeitschriften auch von deutschen Verlagen wie Springer oder Thieme, und auch Elsevier kann auf ein umfangreiches Portfolio von Open-Access-Journalen verweisen.

Alternative Finanzierungsmodelle

Dennoch: So ganz wollen die Verlage von den lukrativen Abonnements nicht lassen. Denn mit wissenschaftlichen Zeitschriften wurden in der Vergangenheit Umsatzrenditen von 30 % und mehr erzielt. Und es stellt sich die Frage, wie sich mit frei verfügbaren Zeitschriften überhaupt Geld verdienen lässt.

Mittlerweile haben sich mehrere Modelle herauskristallisiert. Am weitesten verbreitet ist die Erhebung einer Artikel- bzw. Publikationsgebühr beim Autor, sie wird auch als Article Processing Charge (APC) bezeichnet. Laut einer Studie der Wiley Online Library von 2012 werden etwa 26 % der Open-Access-Publikationen auf diese Weise finanziert. Die Höhe dieser Abgabe ist stark unterschiedlich, bei der Untersuchung reichte sie von 8 bis zu 3900 US$.

Thieme als Fachverlag für medizinische Zeitschriften und Bücher probiert momentan eine neue Variante aus: Bei seinem Pay-what-you-want-Modell entscheiden die Autoren selbst, was ihnen die Veröffentlichung ihrer Beiträge in einem Open-Access-Journal wert ist.

Eine zweite Finanzierungsmöglichkeit ist das Mitgliedschaftsmodell, bei dem Bibliotheken oder Forschungsinstitute den Verlagen eine Jahresgebühr bezahlen, um ihren Wissenschaftlern ein kostenfreies Publizieren in deren Zeitschriften zu bieten. Des Weiteren gibt es ein hybrides Modell, das z.B. der Springer Verlag praktiziert. Er veröffentlicht viele seiner Open-Access-Journale zusätzlich in gedruckter Form und verlangt dafür die üblichen Abonnement-Preise.

Fazit: Open Access rechnet sich

Wissenschaft muss finanziert werden. Das gilt auch für die Publikation ihrer Forschungsergebnisse. Der eingangs beschriebene Boykott der niederländischen Wissenschaftler hat denn auch nicht das Ziel, Verlagen wie Elsevier oder Springer die wirtschaftliche Basis zu entziehen. Die Bibliotheken in den Niederlanden sind durchaus bereit, für die Veröffentlichung der Werke der Wissenschaftler an den Forschungseinrichtungen des Landes zu bezahlen. Allerdings sollen sie automatisch als Open Access zur Verfügung gestellt werden. Die Verlage führen ins Feld, dass dies doppelt so teuer sei wie das herkömmliche Publikationsmodell, was jedoch durch eine Studie der Max-Planck-Gesellschaft widerlegt wurde. Strittig ist also in erster Linie die Höhe der zukünftigen Gebühren. Der Trend hin zum offenen und freien Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ist jedoch nicht mehr aufzuhalten.

Roland-Freist.jpg

Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


Redaktionsbüro Roland Freist, Fritz-Winter-Str. 3, 80807 München, Tel.: (089) 62 14 65 84, roland@freist.de

Nützliche Links