Umkleidezeit: Wann Umziehen und Duschen bezahlte Arbeit ist

Das Problem betrifft Groß und Klein gleichermaßen, die Putzfrau wie den Quantenmechaniker: Wann genau beginnt die Arbeit? Bevor ich den Kittel anziehe oder erst wenn ich ihn angezogen habe? An sich gilt: Umkleiden ist Arbeitszeit – aber nur unter bestimmten Bedingungen. Und auch dann nicht immer.

Umkleiden ist Arbeitszeit – im Prinzip

Von Sabine Wagner

Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter anweisen, dass diese ihre persönliche Kleidung zur Arbeit gegen Firmenkleidung zu wechseln haben, dann ist die hierfür anfallende Zeit in der Regel zu vergüten. Die Logik dahinter: Wo das Umkleiden per Weisung angeordnet ist, wird es zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung und gehört damit zur bezahlten Arbeitszeit. Leider liegen die Fälle in der Praxis nicht immer einfach.

Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilt seit Jahren anders, wenn entweder keine Anweisung des Arbeitgebers vorliegt oder trotz Anweisung eine solche Vergütung im konkreten Einzelfall nicht zu erwarten war.

Mängel im Tarifvertrag: kein Geld für die Müllabfuhr

So verwehrte das BAG bereits mit Urteil vom 11. Oktober 2000 (Az.: 5 AZR 122/99) Müllmännern die Umkleide- und Waschzeiten mit der Begründung, dass die Vergütung für diese Zeiten im Sinn des § 612 Abs. 1 BGB nicht zu erwarten ist. In dem konkreten Fall ließ sich ein Anspruch auf Vergütung weder aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag des klagenden Müllmanns herleiten noch gemäß § 612 Abs. 1 BGB auf Grund stillschweigender Vereinbarung.

Die Vergütung war in dem konkreten Fall trotz arbeitsrechtlicher Verpflichtung sich umzukleiden und zu waschen, nicht zu erwarten gewesen, weil der entsprechende Tarifvertrag trotz Kenntnis der Tarifparteien von diesen Tätigkeiten keine Vergütungsregelung beinhaltet.

Vergütete Umkleidezeiten – Merkmale im Einzelfall

Einen richtungsweisenden Fall, in dem das Anlegen der Arbeitskleidung zur vergütungspflichtigen Arbeit zählt, hatte das Bundesarbeitsgericht 2012 zu entscheiden (Az. 5 AZR 678/11). Hier ging es um eine Krankenschwester im OP-Dienst mit Tarifvertrag. Als ein wichtiges Merkmal zeigte sich dabei der Umstand, dass die Berufs- und Bereichskleidung am Arbeitsplatz verbleibt – eine private Nutzung ist damit ausgeschlossen – und dass sie arbeitsschutzrechtlich vorgeschrieben ist, also in erster Linie im Interesse des Unternehmens liegt.

Zuletzt bekam ein Mechaniker recht – allerdings nur teilweise. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf befand in zweiter Instanz, dass der Mann die Wechselzeiten für die Arbeitskleidung vergütet bekommt. Die notwendige Dusche nach Arbeitsschluss bleibt jedoch Privatsache und damit unvergütet.

Noch schwieriger wird es in Fällen, in denen das Unternehmen lediglich einen Corporate Look durch einheitliche Dienstkleidung fordert. Hier sind die Arbeitgeber gut beraten, wenn sie die Umkleidezeiten von vornherein ausdrücklich arbeitsvertraglich bzw. in einer Betriebsvereinbarung regeln. Eine nachträgliche Weisung hat das Bundesarbeitsgericht 2009 als eigenmächtige Änderung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber interpretiert (BAG, Az. 1 ABR 54/08).

Fazit: Vorschrift ist keine Privatsache

Arbeitgeber können von ihren Mitarbeitern grundsätzlich nicht verlangen, dass diese bereits zu Hause die vonseiten des Unternehmens angewiesene Arbeitskleidung anziehen. Die Mitarbeiter haben auf dem Weg zur Arbeit ein berechtigtes Interesse an ihrer privaten Lebensführung, das der Arbeitgeber nicht einschränken darf.

Sofern also eine Anweisung vorliegt und die Vergütung zu erwarten war, dann sind die Umkleidezeiten bei Beginn und bei Ende der Arbeit zu vergüten, außerdem das Zurücklegen des Wegs von der Umkleidestelle zum Arbeitsplatz. Der Weg zur Arbeit wiederum zählt grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit des Mitarbeiters und ist regelmäßig nicht zu vergüten.

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