Studie: Waren Blütezeiten und Pestilenzen klimabedingt?

Forscher der Universität Freiburg und der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL haben erstmals das europäische Sommerklima der letzten 2500 Jahre anhand der Jahres­ringe von Bäumen erfasst. Die Resultate ihrer Studie zeigen auffällige Parallelen zwischen starken Klimaschwankungen und großen gesellschaftlichen Veränderungen wie Völker­wanderung, mittelalterlicher Blütezeit, Pest und Krieg. Ist Geschichte also ein Spielball des Klimas? Wenn ja, was blüht dann uns angesichts der heute zu beob­ach­ten­den Klimavveränderungen?

Ein internationales Team von Archäologen, Geographen, Historikern und Klimatologen unter der Leitung von Willy Tegel von der Universität Freiburg, Institut für Waldwachstum, und Dr. Ulf Büntgen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL hat erstmals den Niederschlag und die Temperatur der letzten 2500 Jahre in Mitteleuropa lückenlos rekonstruiert. Dies gelang dank der Untersuchung von Jahrringen von rund 9000 fossilen und archäologisch-historischen Hölzern sowie lebenden Bäumen aus Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich.

Die interdisziplinäre Studie zeigt den möglichen Einfluss vergangener Klima­schwan­kungen auf historische Entwicklungen. Die Wissenschaftler stellen die Schwankungen des europäischen Sommerklimas von der späten Eisenzeit vor 2500 Jahren bis ins 21. Jahrhundert auffallenden historischen Ereignissen und Epochen gegenüber.

Studienergebnisse für Historiker:

Das Klima während der Römerzeit war überwiegend feucht-warm und vergleichsweise stabil. Zeitgleich mit den ersten Krisen im Weströmischen Reich wurde es ab 250 n. Chr. deutlich kälter und wechselhafter. Diese Phase starker Klimaschwankungen dauerte über dreihundert Jahre und ging einher mit der sozioökonomischen Katastrophe der Völkerwanderung. Zunehmende Temperaturen und Niederschläge ab dem siebten Jahrhundert begünstigten wahrscheinlich den kulturellen Aufstieg des Mittelalters. Naheliegend ist auch ein klimatischer Einfluss auf die Verbreitung und Virulenz der Pest nach 1347. Genauso kann eine Kältephase während des Dreißigjährigen Krieges am Anfang des 16. Jahrhunderts die verbreiteten Hungersnöte verstärkt haben.

Zitat aus der Pressemitteilung zur Studie

Natürlich stellt sich bei diesen Forschungsergebnissen automatisch die Frage nach den Auswirkungen der aktuellen Klimaschwankungen auf unsere gegenwärtige Gesellschaft. Eine Antwort darauf wollen die Autoren aber nicht geben. Die Studie zeigt nämlich auch, dass die Sommer des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts im Kontext der natürlichen Klimadynamik zwar außergewöhnlich warm sind. Frühere Niederschlagsmengen hätten die heutigen Messwerte aber immer wieder übertroffen. Das Autorenteam macht deshalb auf die Komplexität der Beziehungen zwischen Klimaschwankungen und historischen Ereignissen aufmerksam und warnt vor einfachen Verknüpfungen.

Die Studie ist in der Online-Version vom 13. Januar 2011 der renommierten Fachzeitschrift Science erschienen. Der Beitrag kann hier nachgelesen werden.

(Albert-Ludwigs-Universität / ml)