Smart-City-Beispiele in NRW: Wie die NRW-Metro­po­len Ener­gie sparen

Der digitale Wandel hat längst auch die Kom­mu­nen und Ver­sor­ger er­reicht. Die einen setzen auf E-Govern­ment und Online-Bürger­services, die anderen bauen ihre Elek­tri­zi­täts­netze zum Smart Grid um. Sauber, leise und um­welt­freund­lich sollen sie sein, die in­tel­li­gent ver­netz­ten Städte an Rhein und Ruhr.

Auf der Klimastraße in die Zukunft

Von Friedrich List

Im Großraum Köln treiben die Verantwortlichen unter dem Dach von SmartCity Cologne eine Vielzahl von Projekten voran. Sie beschäftigen sich mit zeitgemäßen Mobilitätslösungen und smarten Verkehrsleitsystemen, innovativen Energieversorgungskonzepten, Ansätzen zur digitalen Nachbarschaft und städtischer Erneuerung. SmartCity Cologne wurde 2011 von der Stadt Köln und dem lokalen Energieversorger RheinEnergie AG ins Leben gerufen. Gegenwärtig laufen 44 Projekte mit rund 60 Partnern im gesamten Stadtgebiet.

SmartCity Cologne

Ein ganzer Stadtteil, nämlich Mülheim und speziell die dortige Stegerwaldsiedlung soll dabei als Vorlage für eine umweltgerechte Stadtentwicklung dienen. Ziel ist die energetische Sanierung des kompletten Viertels. Um dafür Fördergelder aus dem Horizon-2020-Programm zu bekommen, ist Köln dem Städtekonsortium aus Barcelona und Stockholm beigetreten. Das entsprechende Projektvorhaben GrowSmarter hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Bis 2020 wird dabei nicht nur das Quartier saniert. Intelligente Stromzähler sollen die Anwohner besser über ihren individuellen Stromverbrauch informieren. Zudem wollen die Verantwortlichen die gesamte Siedlung durch Fotovoltaikanlagen auf den Dächern mit Strom versorgen. Speicherbänke werdend dafür sorgen, dass die so erzeugte Elektrizität und Wärmeenergie weitgehend im Quartier selbst verbraucht werden. Im Rahmen eines Sharing-Konzepts können die Anwohner außerdem Elektrofahrzeuge, E-Bikes und konventionelle Fahrzeuge leihen. Die Sanierung der Stegerwaldsiedlung soll dann als Vorlage für andere Quartiere dienen.

Ein weiteres exemplarisches Projekt dieser Art ist die sogenannte Klimastraße in Köln-Nippes, ein Teilstück der Neusser Straße. Hier stehen die ersten Straßenlaternen mit LED-Modulen, die automatisch Daten wie Staus, Betriebsstunden oder einen Defekt melden. Drei Laternen dienen außerdem als Ladesäulen für Elektroautos. Spezielle Überwachungssensoren melden freie Parkflächen. Wie bei anderen vergleichbaren Lösungen können angemeldete Nutzer von ihren mobilen Endgeräten diese Daten abfragen und ersparen sich so zeitraubendes Suchen. Legendär ist nicht zuletzt das Klimastraßenfest des Bürgervereins, das 2019 am 31. August gefeiert wird.

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Projekt Landstrom: Für Frachtschiffe gibt es am Kölner Rheinauhafen elf TankE-Anschlüsse, die Schiffe umweltschonend mit Strom versorgen. (Bild: RheinEnergie)

Eine Schiffsladung Ökostrom

Umwelt- und Klimaschutz stehen auch im Fokus des Projekts Landstrom im Kölner Rheinauhafen. Denn Köln hat ein ähnliches Problem wie die Hafenstadt Hamburg. In der Regel lassen auch Binnenschiffe ihre Diesel laufen, während sie ihre Ladung löschen oder neue an Bord nehmen. Um dieser Luftverschmutzung entgegenzuwirken, gibt es bereits seit 2015 elf Stromanschlüsse, an denen sich Binnenschiffer kostengünstig mit Strom versorgen können. So sinkt die Belastung durch Ruß, CO₂ und Lärm.

In Köln und in benachbarten Städten, auch im Ruhrgebiet, existiert seit einigen Jahren Deutschlands größtes soziales Netzwerk zum Aufbauen und Pflegen nachbarschaftlicher Beziehungen: nebenan.de ist kostenlos und hat inzwischen über 650 000 Nutzer in rund 5500 Nachbarschaften. Zugreifen auf nebenan.de kann man über den Internet-Browser oder über eine App für Android und iOS. Eine Gruppe um Gründer Christian Vollmann brachte das soziale Netzwerk an den Start, um der großstadttypischen Anonymisierung und Vereinzelung entgegenzuwirken. Vollmann begann damit, ein Forum für seine Straße ins Netz zu stellen. Dieses Forum erweiterte er nach und nach. 2016 war nebenan.de unter den Preisträgern des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“.

Serie: Smart City

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Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)

Modellstädte im Ruhrgebiet

Auch im Ruhrgebiet machen sich zahlreiche Städte auf den Weg in die digitale Zukunft. Das frühere industrielle Herzland soll wieder ein wirtschaftlicher Motor für das Land werden. So wurden Mülheim an der Ruhr, Gelsenkirchen, Dortmund, Essen und Bochum als E-Government-Modellstädte ausgewählt. Dabei startet die Region keineswegs bei null. Schon seit Jahren haben Start-ups, Konzerne und KMU, aber auch Privatpersonen die Möglichkeit, Verwaltungsangelegenheiten wie das Einreichen von Anträgen über das Netz zu erledigen. Auch wichtige Informationen lassen sich wie in vielen anderen größeren Städten bereits online abfragen. Arbeitsprozesse und Verwaltungsangelegenheiten sollen insgesamt digitalisiert werden. Die E-Government-Offensive soll aber nicht nur Bürgern und der Verwaltung selbst die Abläufe erleichtern, sondern auch Außenwirkung entfalten und die Industrieregion für Zuzügler und neue Unternehmen attraktiver machen. Um die Unternehmen auf ihrem Weg in die Digitalisierung zu unterstützen, haben die sechs Städte zudem den ruhr:HUB auf den Weg gebracht. Er soll Firmen miteinander ins Gespräch bringen – Start-ups ebenso wie etablierte Unternehmen bis hin zur Forschung –, aber auch praktische Hilfen leisten.

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Die Stiftung Lebendige Stadt hat Dortmund 2018 als „Die digitalste Stadt“ ausgezeichnet. CIO Dr. Jan Fritz Rettberg ist der Dritte von rechts, daneben sein Stellvertreter Denes Kücük. (Bild: Stiftung Lebendige Stadt)

Dortmund, die digitalste Stadt

In Dortmund dient der Masterplan Digitales Dortmund als Grundlage der Smart-City-Strategie. Er wurde 2016 im Dialog zwischen Verwaltung, Zivilgesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft formuliert. Im Rahmen des Masterplans sollen die technischen Grundlagen für eine digitale Stadtgesellschaft beschrieben und die damit verbundenen gesellschaftlichen Prozesse analysiert werden. Bis 2025 soll die Stadt zum Beispiel flächendeckend eine Glasfaserinfrastruktur anbieten. Ziel sind Lösungen, mit denen der Veränderungsprozess erfolgreich bewältigt werden kann. Die erste Phase beschäftigt sich mit den Themen Wirtschaft, Verwaltung und Bildung. Sie soll noch 2018 abgeschlossen sein. In den beiden folgenden Phasen wird dann die Digitalisierung in Bereichen wie Senioren, Jugend, Soziales, Gesundheit und Kultur Thema sein. Die Koordination der Digitalisierungsstrategie übernimmt, wie in vielen anderen Großstädten ein Chief Information Office, dessen Leiter Dr. Jan Fritz Rettberg ist. Er darf sich besonders freuen, denn seit 19. September 2018 ist Dortmund offiziell die „Die digitalste Stadt“. Den Preis vergab die Stiftung Lebendige Stadt, die das Dortmunder Modell als „geprägt von Beteiligung und Zusammenarbeit“ würdigte.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Mittlerweile laufen in Dortmund zahlreiche Projekte. So wurde der Masterplan jüngst um das Projekt „Freie Software und Offene Standards“ erweitert. Es soll klären, inwieweit freie Software die Zusammenarbeit von Verwaltung und Bürgern erleichtern kann. Denn die Stadt will mehr und vor allem einfachere Bürgerdienste anbieten und auch die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung verbessern.

Ein Internet-Portal der Stadt bietet vielfältige Raumdaten zum Stadtgebiet. Interessierte finden hier wichtige Einrichtungen und Informationen zu Planung, Umwelt oder Verkehr. Hierzu gehört zum Beispiel SynchFuel, ein Projekt zur Elektromobilität, bei dem die Stromeinspeisung aus einer bestimmten Fotovoltaikanlage mit dem Verbrauch aus einer entfernten Ladestelle oder Steckdose abgeglichen wird. Man kann also auch abseits des eigenen Grundstücks die selbst erzeugte Energie als Eigenstrom nutzen.

Das Projekt Smart Service Power wiederum sucht nach Lösungen für altersgerechtes und technikunterstütztes Wohnen. Ermöglichen sollen das die Verknüpfung verschiedener Datenquellen und intelligente Digitalisierung. Funktionen aus den Bereichen E-Health, Smart Home, unterstütztes Wohnen sowie Pflege- und Concierge-Dienste sollen zusammengeführt werden und dabei helfen, älteren Menschen entweder zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

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Unter dem Namen Rhine Cloud bauen Duisburg und Huawei eine Cloud-Plattform für Smart-City-Dienste auf. (Bild: DU-IT Gesellschaft für Informationstechnologie Duisburg mbH)

IoT- und Maschinennetze

Die Stadt Duisburg geht einen ähnlichen Weg wie Hamburg. Auf der Cebit 2018 unterzeichneten der ITK-Konzern Huawei und die DU-IT GmbH eine Rahmenvereinbarung über die Marke RhineCloud und die weitere Entwicklung von Smart-City-Diensten. Die DU-IT GmbH ist eine kommunale Tochtergesellschaft der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH. Der chinesische Konzern unterstützt Duisburg dabei, eine Art Modellstadt für die digitale Infrastruktur der Zukunft zu werden. Huawei liefert die Technik, die allerdings nicht nur die Daten hostet. Außerdem soll es dort Software-as-a-Service-Angebote geben, die Dienste für E-Government, Tourismus oder den Einzelhandel zur Verfügung stellen. Die erste Lösung basiert auf dem Kartensystem NavVis und ermöglicht es Nutzern, Innenräume zu digitalisieren und anschließend als immersive 3D-Simulation zu erkunden. Sie soll ab Herbst 2018 zur Verfügung stehen.

Aber auch viele Mittelstädte schaffen sich auf eigene Faust eine Infrastruktur, die sie Smart-City-fähig macht. Erste Voraussetzung ist dabei in vielen Fällen ein dediziertes IoT-Netz, wie es zum Beispiel Vodafone und die Telekom auf der Grundlage von Narrowband-IoT-Technologie errichten. Denn mehr und mehr Geräte sollen ihre Daten über das Internet senden – Daten, die es Unternehmen und städtischen Dienstleistern ermöglichen, ihre Arbeit besser zu tun. Über ein solches Maschinennetz können Strom- und Wasserzähler ihre Daten kontinuierlich übermitteln und so die Besuche von Ablesern überflüssig machen. Vernetzte Mülleimer könnten ihren Füllstand melden und so die Routenplanung für die Müllabfuhr erleichtern. Sensoren in Lagerhallen oder auf dem Bahnhof können Frachtgut überwachen und beispielsweise Alarm geben, wenn Unbefugte versuchen, auf das Grundstück zu gelangen.

Nicht zuletzt findet die IoT-Sensorik ein weites Einsatzfeld im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Betonkonstruktionen etwa halten etwa 70 bis 80 Jahre, und ein zweites Genua will niemand erleben. Darum stellt der Flughafen Düsseldorf derzeit auf eine vernetzte Überwachungslösung um, bei der NarrowBand-IoT-vernetzte Sensoren die Brücken, Tunnel und anderen Betonbauten des Airports laufend auf Materialermüdung kontrollieren. Umgesetzt wird das Vorhaben mit dem NB-IoT-Netz der Telekom sowie mit Technik der BS2 Sicherheitssysteme GmbH aus Boppard-Udenhausen. Ein ähnliches Projekt läuft bereits am Autobahnkreuz Köln-Ost auf der A3.

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Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

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