Digitale Schule: Wo die Tablet-Schule bereits Realität ist

Was für Ältere die Schiefertafel, könnte heutigen Schülern das Matheheft aus Papier sein: eine Erinnerung an die alte Zeit. Am Neuen Gymnasium Rüsselsheim etwa bereitet sich die Oberstufe bereits mit Tablets und einer Lernplattform aufs Berufsleben vor. Die ersten Ergebnisse stimmen durchaus zuversichtlich.

Vom Tafelschwamm zum Tablet-Wischen

Von Sabine Philipp

Digitale Medien sind für die meisten Menschen ein vertrauter Bestandteil des täglichen Lebens. Umso notwendiger und wichtiger ist es heutzutage, schon die Kinder in puncto Medienkompetenz zu schulen. In Rüsselsheim hat die Schulleiterin Maja Martina Wechselberger mit Tablet-Klassen bereits gute Erfahrungen gemacht.

Das Medienprojekt in Rüsselsheim

Seit Anfang 2014 nutzt das Neue Gymnasium Rüsselsheim Tablets für den Unterricht in der gymnasialen Oberstufe – wenn es sinnvoll ist und den Unterricht ergänzt: „Wir setzen die Geräte u.a. zur Audio- und Videoproduktion, zu Recherchezwecken, zum Erstellen von Präsentationen und zum individualisierten Lernen ein. Daneben nutzen die Schülerinnen und Schüler die Geräte, um sich und ihre Lernprozesse selbstständig zu organisieren. Über unsere Lernplattform itslearning können sie in Kontakt mit Lehrkräften treten und so ihre Arbeitsergebnisse einreichen“, erklärt Wechselberger.

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Maja Martina Wechselberger ist Jurymitglied bei „Ideen bewegen“ der Initiative Digitale Bildung neu denken und seit 2008 Schulleiterin des Neuen Gymnasiums Rüsselsheim. Sie hat bereits 2013 eine Tablet-Klasse eingerichtet.

Und wer organisiert das Vorhaben vor Ort? Das Tablet-Projekt in Rüsselsheim koordiniert Studienrat Benjamin Seelisch; dabei wird er durch die Schulleitung und durch zwei IT-Beauftragte unterstützt. „Der Projektleiter erhält Deputatsstunden, um einen Teil der Mehrarbeit auszugleichen. Ansonsten arbeiten alle aus Überzeugung und Begeisterung an dem Projekt mit“, erklärt die Direktorin.

Aufklärung schafft Vertrauen

Vorausgegangen war der Tablet-Klasse ein Pilotprojekt im vorausgegangenen Schuljahr, bei dem eine 7. Klasse mit den Mobilgeräten ausgestattet wurde. Die beteiligten Lehrkräfte wurden durch eine Mitarbeiterin der Universität Mainz geschult. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen geben sie an ihre Kollegen in schulinternen Fortbildungen weiter. „Damals wie heute arbeiten wir mit dem Medienpädagogen Prof. Dr. Stefan Aufenanger von der Johannes Gutenberg-Universität zusammen“, sagt Wechselberger. „Gemeinsam konnten wir in mehreren Informationsveranstaltungen schon zu Beginn das Vertrauen der Eltern gewinnen.“ Viele Eltern begrüßten dabei sogar ausdrücklich, dass ihre Kinder in der Schule an neuen Medien geschult werden.

Umgang mit digitalen Tafeln

„In der Tablet-Klasse haben die Schülerinnen und Schüler die Geräte über die Schule selbst erworben. Mithilfe des Fördervereins konnten wir sicherstellen, dass auch finanziell schwache Familien Zugang zu einem Tablet haben“, erläutert Wechselberger. Ab der 5. Klasse können Lehrkräfte zudem Tablets aus dem Leihpool einsetzen, die auch bei der Lehrerfortbildung eingesetzt werden.

Den großflächigen Einsatz fand das Kollegium allerdings erst ab der gymnasialen Oberstufe sinnvoll. Da digitale Medien aber nun einmal zur Lebensrealität vieler junger Menschen gehören, werden bereits Klassen der Jahrgangsstufe 5 in PC-Kunde und Anwendungsprogrammen sowie in einem Medienschutzprogramm unterrichtet. Jeder Unterrichtsraum verfügt außerdem über digitale Tafeln, sodass die Kinder und Jugendlichen schon früh mit dem Einsatz digitaler Medien vertraut werden.

Als Arbeitsmittel begreifen lernen

„Die Tablets haben den Vorteil, dass sie schnell einsatzfähig sind, und dass die Schüler nicht hinter den Geräten verschwinden“, sagt die Schulleiterin. Eine Benutzerordnung sei jedoch notwendig: „Am Anfang haben sich einige Schülerinnen und Schüler noch von den Möglichkeiten des Tablets ablenken lassen. Mittlerweile können sie ihr eigenes Verhalten aber sehr gut reflektieren.“

Wechselberger war selbst überrascht, in welch kurzer Zeit sich die Medienkompetenz der Schüler steigerte. „Die Schülerinnen und Schüler nehmen das Projekt mit Freude und auch Stolz auf die Geräte auf, stehen dem Medium aber auch kritisch gegenüber und setzen sich aktiv mit den Möglichkeiten und Grenzen des Gerätes auseinander.“ Dabei arbeiten sie offenbar auch sehr kooperativ und keinesfalls isoliert: „Der Datenaustausch hilft, sich gemeinsam auf Klausuren vorzubereiten und gemeinsam Lernprozesse zu gestalten.“ Gerade in Verbindung mit der Lernplattform ergeben sich viele Möglichkeiten des Wissensaustausches. So dürfen die Gymnasiasten Tests für den Rest des Kurses online erstellen, um sich gegenseitig Wissen zu vermitteln.

Tablets sind nur so gut wie der Unterricht
Vom fachlichen Standpunkt hebt Maja Wechselberger die Möglichkeiten der Visualisierung und Individualisierung hervor, die gerade in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) enorm hilfreich sind. Sie betont aber auch, dass der Tablet-Einsatz allein noch keinen guten Unterricht macht. Die Mobilcomputer müssen von ausgebildeten und vorbereiteten Lehrkräften sinnvoll in den Unterrichtsphasen eingesetzt werden.

Fazit: Gebäude-WLAN ist Voraussetzung

Ernsthafte Hemmnisse auf dem Weg zur Tablet-Klasse gab es der Direktorin zufolge nicht. Die Geräte haben eine hohe Akkulaufzeit, sodass die Stromversorgung keine nennenswerten Probleme bereitet. Die passende Software und Apps findet das Neue Gymnasium im Austausch mit anderen Schulen und Projekten.

Inhaltlich und in den Abläufen ist soweit alles bereits gut eingespielt. Nur „die Infrastruktur für die Internet-Anbindung ist weiterhin im Aufbau. Sie wird über den Kreis und Sponsoren finanziert“, erzählt Maja Martina Wechselberger. Allerdings muss Finanzierung in jedem Jahr neu geregelt werden.

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