Finetrading, Teil 3

Wenn Käufer auf Ware warten

Von Michael J.M. Lang

Welche Idee hinter der Wareneinkaufsfinanzierung steckt, hat Teil 1 dieser Serie gezeigt. Teil 2 hat sich die Kostenstruktur bei der Inanspruchnahme des Finetrading-Limits näher angesehen. Wann aber passt dieses Finanzierungsinstrument? Und für wen?

Am meisten profitieren Unternehmen, die das Potenzial ihres Marktes mangels ausreichender Liquidität nicht ausschöpfen können, obwohl ihre Produkte wenig Absatzrisiko bergen und ausreichend Eigenkapital vorhanden ist, das aber durch die mittel- bis langfristige Bindung für den Einkauf nicht genutzt werden kann.

Marktpotenzial bis zum Anschlag

Nach eigenen Angaben schätzen gerade diese Unternehmen die Möglichkeit einer revolvierenden Inanspruchnahme des Finetrading-Limits besonders.

Rechenbeispiel: Limit-Ausschöpfung
Ein Unternehmen, das über ein Limit in Höhe von 100.000 Euro verfügt und dies ausschließlich zur kurzfristigen Überwindung von gebundenem Kapital, z.B. in Übersee-Frachtsendungen, benötigt, kann nach flexibler Rückzahlung binnen zwei Monaten das Finetrading-Limit bis zu sechsmal jährlich vollständig auslasten. Auf diesem Wege kann ein Wareneinkauf bis zu 600.000 Euro durch Finetrading vorfinanziert werden. Dieser Effekt hat strategischen Einfluss auf die Marktpositionierung gegenüber Wettbewerbern, da starke Wachstumsphasen vorfinanziert und zusätzliche Großaufträge sowohl vom Unternehmen als auch dessen Lieferanten angenommen werden können.

Auch Unternehmen, deren Finanzierungsrahmen aufgrund ihrer Bonität eingeschränkt ist, profitieren von Finetrading. Sie leiden häufig unter den Bedingungen von Lieferanten, die aufgrund einer eigenen Bonitätsabschätzung nicht mit ihnen abwickeln bzw. bei Abwicklung überproportionale Margen als Risikovorsorge einkalkulieren. Durch die WCF, die vollständig das Delkredere-Risiko (Ausfallrisiko) übernimmt, können in diesem Falle die Einkaufskonditionen und somit die Profitabilität des Unternehmens verbessert werden.

Einstiegsschranke Mindestvolumen

Nicht empfehlenswert ist Finetrading für Unternehmen in übersättigten Märkten, bei starker Überschuldung oder mit einem Produktangebot, das hohen Absatzrisiken unterliegt. Wareneinkaufsfinanzierung ist allgemein keine letzte Rettung vor der Insolvenz.

Wer eine schlechte Bonität besitzt, wird generell kaum eine Möglichkeit haben, Finanzierungsmittel zu erhalten. So verweigert auch die WCF Finetrading bei einer zu riskanten Bonitätseinstufung den Abschluss eines Vertrags, da das Finetrading-Unternehmen sein gesamtes Auftragsvolumen bei der Euler Hermes Kreditversicherung rückversichert und von dieser nur Kunden akzeptiert werden, die Mindestvorgaben erfüllen.

Serie: Finetrading
Teil 1 erklärt, wie Waren­einkaufs­finanzierung zu­sätz­liche Liqui­dität generiert. Teil 2 rechnet Kon­ditio­nen und Limits durch. Teil 3 prüft, wann und für wen Fine­trading Früchte trägt.

Zudem sollte Finetrading nur für Unternehmen ab einer bestimmten Mindestgröße und einem bestimmten, geplanten Mindestvolumen genutzt werden. Da unabhängig von dem gewährten Finetrading-Limit Abwicklungskosten anfallen, ist in aller Regel ein Mindestvolumen vorgegeben. So akzeptiert der Finetrader WCF erst ab 50.000 Euro.

Aus diesem Grund eignet sich Finetrading häufig nicht für Start-ups, da diese nur selten das minimale Finanzierungsvolumen überschreiten. Auch die Absicherung z.B. über Euler Hermes ist kaum möglich, da gerade bei Start-ups Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage noch nicht vorliegen und daher kein Bonitätsurteil gebildet werden kann.

Fazit: Vergleichen, aber richtig

Die Entscheidung über die Finanzierungsform darf nicht am Anfang der Überlegungen stehen. Zuerst muss festgestellt werden, ob die tatsächliche Nachfrage nach den Produkten oder den Dienstleistungen des Unternehmens höher ist, als sich mit dem Warenbestand auf der Basis der vorhandenen Liquidität befriedigen lässt. Die Mehrproduktion mithilfe zusätzlicher finanzieller Mittel für den Einkauf muss schließlich auch einen Mehrertrag generieren. Im zweiten Schritt muss sichergestellt werden, dass sich nach Aufstockung des Warenbestands kein anderer Betriebsfaktor als Engpass herausstellt (z.B. Personalkapazität, Fertigungsmaschinen, Räumlichkeiten, externe Dienstleister und Zulieferer).

WCF unter vier Augen
„Unsere Geschäftsidee schlug ein, weil ein großer Bedarf nach einer solchen Dienstleistung bestand“, sagt WCF-Vorstand Thomas Vinnen im Interview mit dem MittelstandsWiki. Die WCF Finetrading AG mit Hauptsitz in München und einer weiteren Niederlassung in Stuttgart ist der derzeit wichtigste Anbieter von Wareneinkaufsfinanzierung.

Anschließend folgt als dritter Schritt die Berechnung, wie viel Gewinn sich bei Befriedigung der noch offenen Nachfrage maximal erzielen lässt. Das Ergebnis zeigt den maximalen finanziellen Handlungsspielraum für die Finanzierung des aufgebrachten Fremdkapitals, damit sich kein Verlust ergibt. Bei dieser Überlegung sollte man jedoch nicht außer Acht lassen, dass das zusätzliche Angebot je nach Branche – und im mittelständischen Bereich häufig auch im lokalen Umfeld – den Markt dynamisch verändern kann. Hinzu kommen kurzfristige Schwankungen, denen jeder Markt unterliegt.

Wird das alles berücksichtigt, ist Finetrading nicht nur eine feine Sache, sondern auch eine zeitgemäße Finanzierungsform, die mittelständischen Unternehmen für schnelle Märkte die passende Flexibilität verleiht.

Nützliche Links

Hauptanbieter ist die Münchener WCF Finetrading AG, die auf ihrer Website u.a. mit einer Reihe weiterer Publikationen informiert. Wissenswertes zu Factoring und Finetrading hat auch die IHK Kassel im Download-Pool parat. Ein kritischer Beitrag zu den Kosten steht auf www.handwerk.com (diese Informationen beurteilen die neue Finanzierungsform anbieterunabhängig und generell).