Generation 50 plus: Eine Generation wird neu entdeckt

Der Mangel an Fachkräften zwingt endlich zur Einsicht, dass ältere Menschen nicht nur als Kunden sondern auch als Arbeitskräfte interessant sind. Wer die Arbeitsbedingungen ihren anders gelagerten Stärken und Schwächen anpasst, erhält in aller Regel erfahrene und zuverlässige Mitarbeiter.

Der Silberstreif am Job-Horizont

Von Sabine Philipp

Suchen Sie verzweifelt junge Fachkräfte, die zupacken können und dabei ihr Hirn einsetzen? Dann ziehen Sie einmal den Alterskreis größer und Sie werden sich positiv überrascht sehen: Bei der Generation 50 plus hat sich etliches getan. Im Vertrieb z.B. können die reiferen Jahrgänge ihr Alter sogar als Trumpf ausspielen. Und Geld vom Staat bringen Sie manchmal noch dazu mit.

Der demografische Wandel betrifft jedoch nicht nur Arbeitsmarkt und Beschäftigungsfähigkeit, sondern auch die Absatzmärkte. Logisch: Auch die Zahl der älteren Konsumenten steigt stetig. Das bedeutet: Mehr Senioren brauchen mehr altersgemäße Produkte und Dienstleistungen.

Marketing und Vertrieb

Man bedenke, dass die über 65-jährigen bereits heute jeden Monat über 19 Mrd. Euro ausgeben. Die Generation 50 plus verfügt momentan über ein geschätztes Gesamtvermögen von 2200 Mrd. Euro – bei dieser Zielgruppe ist mit geeigneter Produktgestaltung und entsprechend zielgerichtetem Marketing also noch viel auszurichten. Senioren verfügen insgesamt nicht nur über große Geldmengen, sondern geben sie auch gerne für qualitativ Hochwertiges aus.

Falls Ihre Kundschaft selbst zur Generation Silber zählt, sind ältere Kundenberater auf jeden Fall die bessere Wahl. Sie kennen nicht nur die Bedürfnisse Ihrer Klientel, sondern werden auch eher ernst genommen als der Nachwuchs. Aber auch unabhängig von der Zielgruppe sind Ältere im Vertrieb oft ein Gewinn: Sie haben eine bessere Menschenkenntnis und wissen daher eher, wie sie den Kunden nehmen müssen. Vor allem aber sind sie oft ruhiger, geduldiger und lassen sich nicht so schnell verunsichern.

Gesundheit und Krankenstand

Zugegeben: In der Krankenstatistik macht man gegen 60 keine so gute Figur mehr. Dass man dann nicht mehr so körperlich belastbar ist, liegt jedoch nicht selten an einer einseitigen Arbeitsbelastung – und der lässt sich gegensteuern. Führen Sie doch mal eine Rotation in Ihrem Betrieb ein, so dass nicht einer immer die gleiche Bewegung machen muss, und lassen Sie die Leute ihre Tätigkeit abwechseln. Das tut auch den jungen Leuten gut, die hoffentlich noch lange bei Ihnen arbeiten werden.

Tipp: Förderung mitnehmen
Wenn Sie einen arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer über 50 einstellen, gibt’s unter Umständen eine „Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer“. Die Broschüre hierzu gibt es zum Download als PDF von der Agentur für Arbeit.

Tatsächlich weisen Ältere häufig ein besseres Gesundheitsverhalten auf, wie Untersuchungen des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) gezeigt haben. Dagegen ergab eine andere Studie, dass immer mehr Jugendliche an Fettsucht leiden. Das macht sie weitaus krankheitsanfälliger als die schlanken Alten.

Hinzu kommt, dass junge Berufstätige ein 50 % erhöhtes Unfallrisiko am Arbeitsplatz haben, wie der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften mitteilte. Man macht dort vor allem die mangelnde Erfahrung dafür verantwortlich.

Jugend ist also nicht immer gleichbedeutend mit Vitalität. Das sehen auch viele Baden-Württembergische Unternehmen so: 80 % von 1200 befragten Betrieben gaben bei der Welle 2000 des IAB-Betriebspanels an, dass ältere Arbeitnehmer im Prinzip genauso leistungsfähig seien wie ihre jüngeren Kollegen.

Know-how und Weiterbildung

In etlichen Branchen hat man mittlerweile erkannt, dass ein gewaltiger Verlust von Erfahrung, Wissen und Fachkenntnis droht, wenn ganze Jahrgänge geschlossen in den Ruhestand treten. Die Fälle, in denen bereits frühverrentete Fachkräfte verzweifelt – und kostspielig – reaktiviert werden müssen, häufen sich. Ein Grund mehr, sich genau zu überlegen, wann man seine Know-how-Träger verabschiedet.

Und schließlich ist ja nicht alles Knochenarbeit. Wenn es physisch wirklich nicht mehr gehen sollte, dann gibt es meist Alternativen im Betrieb. Suchen Sie am besten gemeinsam mit dem Kandidaten einen passenden Fernstudienplatz aus. Der Mitarbeiter kann sogar von der Rehaklinik aus lernen und sein Wissen dann sofort einsetzen. Der Bonus: Wird durch diese Weiterbildung der Job gerettet, könnte es auch einen Zuschuss vom Arbeitsamt geben. Fragen Sie mal mit dem Dritten Buch SGB, § 49 unterm Arm bei der Behörde nach.

Insgesamt nimmt im Alter zwar die Hirnmasse ab. Auf die Intelligenz hat das aber keine Auswirkung, wie australische Forscher in einer Langzeitstudie herausgefunden haben. Dabei maßen sie die Gehirne von 446 Senioren und testeten ihre Intelligenz. Die 64-jährigen Probanden hatten zwar ein viel kleineres Gehirn als bei einer Messung vier Jahre zuvor. Sie waren aber genauso klug wie damals.

Eine Studie des Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund (IfADo) hat ergeben, dass Ältere keineswegs langsamer denken. Sie lernen sogar mehr aus ihren Fehlern – im Gegensatz zur bildungsmüden Nachfolgergeneration. Weiterhin räumte die Studie mit dem Vorurteil auf, dass Ältere schneller ermüden. Sie lassen sich zwar leichter ablenken, was man aber auch so deuten könnte, dass sie einen besseren Blick für das große Ganze haben. Die Wahrheit ist: Unterm Strich sind ältere Mitarbeiter genauso produktiv wie junge.

Fazit: Im Altersquerschnitt durchqualifizieren

In einem gesunden Unternehmen sind idealerweise alle Altersgruppen präsent: Ältere können ein Vorbild für die jungen Menschen sein und ihnen Tipps geben. Die Jungen bringen frischen Wind und neue Ideen mit ein. Es ist letztlich nicht anders als in einem Mehrgenerationenhaus, wo jeder vom anderen lernt: Die Großmutter sagt der jungen Mama, was sie mit dem schreienden Kind tun soll. Und der Enkel erklärt dem Opa, wie man eine SMS schreibt.

Letzten Endes bleibt der Wirtschaft gar keine andere Wahl, als auf ältere Mitarbeiter zu setzen: 2020 werden laut IAQ über 13 % der Mitarbeiter zwischen 50 und 65 Jahre alt sein – Tendenz steigend. Denn die Geburtszahlen sind nicht wirklich berauschend. Der Fachkräftemangel wird sich also eher noch verschärfen. KMU trifft das ganz besonders, weil große Unternehmen für den qualifizierten Nachwuchs karrieretechnisch oft attraktiver sind.

Denken Sie also nicht: „In zehn Jahren geht er in Rente.“ Denken Sie lieber: „Zehn Jahre kann ich noch von ihm profitieren.“ Ob Ihnen ein jüngerer Arbeitnehmer länger bleibt, ist durchaus ungewiss.

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