Marketing: Wie Marketing ins Schwarze trifft

Marketing ist viel mehr als nur Werbung und Kommunikation. Marketing ist Kunst und Zehnkampf, Firmenkultur und Planung. Marketing besteht aus vielen Disziplinen und ist nur erfolgreich, wenn alle Maßnahmen ins Schwarze treffen. Unternehmensberater Dr. Jürgen Kaack sagt, wie das geht.

Unterschätzte Instrumente

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Marketing wird gerade in mittelständischen Unternehmen (KMU) oft auf die Bereiche Strategie, Werbung und Vertriebsunterstützung reduziert. Deshalb wird es auch schon mal als etwas Überflüssiges angesehen, für das man kein Geld ausgibt. Allerdings sieht man die Sache so viel zu eng, und tatsächlich nutzen mehr Unternehmen Marketing-Methoden, als es zunächst den Anschein hat.

Das strategische Marketing und die Kommunikation sind auf jeden Fall nur Teilbereiche aus dem gesamten Spektrum an Marketing-Instrumenten. Tatsächlich braucht ein Unternehmen umso mehr Marketing, je wettbewerbsintensiver und dynamischer die Märkte sind.

Mittel mit vielen Funktionen

Marketing ist bis auf Teilprozesse der Strategieentwicklung im Rahmen des strategischen Marketings und des Produktmanagements nur in Ausnahmefällen ein eigenständiger Prozess im Unternehmen. Es bietet vielmehr ein unterstützendes Instrumentarium, das bei zahlreichen Prozessen genutzt wird. Typische Beispiele sind

Einzelne dieser Funktionen können durchaus in Organisationseinheiten im Unternehmen zusammengefasst werden, die die Bezeichnung Marketing tragen. Die Breite der Einsatzfelder zeigt, dass Marketing-Instrumente in den unterschiedlichen Phasen in der Unternehmensentwicklung und im Produktlebenszyklus benötigt werden.

Eine besonders enge Verbindung gibt es natürlich zum Vertriebsprozess, für den das Marketing den Rahmen und die Ausrichtung schafft. Dies beginnt bei der Gestaltung von neuen Produkten, bei der Vorbereitung für eine Produkteinführung, bei der die Preisgestaltung, die Erstellung von Vertriebsargumenten und Trainingsprogrammen, Verkaufsförderungsmaterialien entscheidend ist, schließt aber auch die Auswahl der richtigen Vertriebskanäle, die Durchführung von Markttests, Kundenbefragungen, Wettbewerbsanalysen und die Auswahl von Kundenbindungsinstrumenten mit ein. Aus diesem Grund sollte das Marketing auch keine im Vertrieb angesiedelte nachgelagerte Funktion sein. Die geringsten Berührungspunkte gibt es typischerweise zwischen Produktion und Marketing.

Informationen gewinnen

Zu verschiedenen Zeiten im Geschäftsablauf werden immer wieder Informationen über die potenziellen Kunden gebraucht, will man Produktgestaltung und Vermarktung möglichst effizient gestalten oder getroffene Maßnahmen überprüfen.

Für die Informationsbeschaffung gibt es eine Reihe von möglichen Quellen. Neben Marktstudien und Marktforschungsprojekten können das Internet-Recherchen, Branchen- und Fachverbände sowie Fachzeitschriften sein. Auch Expertengespräche bilden oft eine gute ergänzende Quelle, insbesondere zur Gegenprüfung von Konzeptansätzen. Wenn das Unternehmen bereits über einen Kundenstamm verfügt, dann können ergänzende Informationen über Kundenbefragungen und Focus-Gruppen beschafft werden.

In den meisten Fällen ist dann eine Vielzahl von Informationen verfügbar. Damit sie verwertet werden können, sind zunächst Plausibilitätskontrollen durchzuführen, um Unstimmigkeiten auszuräumen. Adressiert das Unternehmen mit seinem Angebot eine große Gruppe von Kunden (im Gegensatz zu wenigen Großkunden, z.B. im Systemgeschäft), dann hat sich die Bildung von Zielgruppen bewährt, denen sich die Mehrzahl der potenziellen Kunden leicht zuordnen lässt. Mit drei bis fünf Zielgruppen kann dann wieder ähnlich gearbeitet werden, wie mit der entsprechenden Anzahl an Einzelkunden. Für die ausgewählten Zielgruppen können Analysen für die jeweils benötigten Aufgaben erstellt werden. Die Zielgruppenanalyse greift typischerweise wieder auf die oben erwähnten Quellen zurück. Das Zielgruppenkonzept schafft bei großen und heterogenen Kundengruppen die Voraussetzung für ein effizientes Zielgruppenmarketing. Mit diesem Instrumentarium können u.a. die Marketing-Mix-Faktoren ausgestaltet werden.

Marketing-Mix-Faktoren

Die Marketing-Mix-Faktoren beschreiben die für die Produktgestaltung und -vermarktung wesentlichen Faktoren für die jeweilige Phase im Produktlebenszyklus, also nicht nur für den Product Launch:

Ohne Informationen über die Zielgruppen lassen sich schon bei der Produktgestaltung keine marktorientierten Spezifikationen erstellen. Ausgangspunkt der Analyse sollten grundsätzlich die Kundenbedürfnisse in ihren verschiedenen Ausprägungen von Basisbedürfnissen, beschreibbaren und unbewussten Bedürfnissen sein.

Produktnutzen entsteht nur aufgrund möglichst genauer Kenntnisse über die Kundenbedürfnisse und die vorgesehene Verwendung oder Nutzung des zu spezifizierenden Produktes. Um einen möglichst hohen Produktnutzen zu generieren, reicht es auf keinen Fall, sich mit Wettbewerbsinformationen und den Spezifikationen von vielleicht vorhandenen Wettbewerbsprodukten zu verlassen Im Gegenteil: Die Fokussierung auf den Wettbewerb kann ausgesprochen negative Folgen haben, da es den Blick auf Kundennutzen und Differenzierung verstellen kann. Von besonderer Relevanz sind diese Analysen bei innovativen Vorhaben.

Der Preis bzw. die Preisstruktur ist neben den Produkteigenschaften oft ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dies wird an vielen Beispielen deutlich, z.B. dem Target Pricing asiatischer Consumer-Electronic-Hersteller im Vergleich zu der „Salami-Preistaktik“ europäischer Hersteller oder der Flatrate in der Telekommunikation im Vergleich zur weit aufgefächerten Tarifierung nach Minuten und Entfernungszonen. In einen systematischen Preisgestaltungsprozess werden neben den Wettbewerbsangeboten und der eigenen Kostenstruktur insbesondere Kundenvorlieben und das Nutzungsverhalten der Zielgruppen als Eingangsgröße benötigt. Mit dem früher üblichen Cost-plus-Verfahren ist heute kaum noch ein Unternehmen in der Lage, wettbewerbsfähig und kundengerecht anzubieten. Die Preisgestaltung schließt natürlich nicht nur den Verbraucherpreis ein, sondern auch das gesamte Konditionsmodell (Großkundenkonditionen, Rabattstaffeln, Vertriebsprovisionen).

Es ist eigentlich selbstverständlich, dass die Kommunikation eines Unternehmens zielgruppenspezifisch erfolgen sollte. Beim Verkaufsförderungsmaterial und der reinen Produktwerbung ist dies wohl unstrittig. Aber auch für PR-Maßnahmen ist erforderlich, und es sollte bedacht werden, welche Message an welche Zielgruppen übermittelt werden soll. Mithilfe von PR-Maßnahmen können natürlich nicht nur bestehende, sondern auch neue Zielgruppen angesprochen werden; aber auch in diesem Fall sind auf die Zielgruppe zugeschnittene Inhalte, Medien, Form und Sprache die Voraussetzung für einen Erfolg.

Kundenwertanalysen

Die Ausgestaltung der Marketing-Mix-Faktoren könnte bei unbegrenzten Budgets zu sehr hohen Kosten führen, die im Einzelfall vermutlich nicht mehr wirtschaftlich sind. Hier hat sich das Instrument der Kundenwertanalyse bewährt, das die Zielgruppenvertreter im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation und den erzielbaren Gewinn untersucht. Bei der Ermittlung des Kundenwertes gehen alle über die Kundenlebensdauer erzielbaren Erlöse und Kosten ein. Es werden sowohl einmalige Beträge berücksichtigt als auch laufende Kosten und Umsätze. Die Kosten können umsatzabhängig sein oder als fixe Kosten anfallen, und sie können unternehmensintern oder extern bedingt sein.

Mit einem quantitativ aufgebauten Kundenwertmodell können dann Simulationen durchgeführt werden. Auf diesem Wege lässt sich eine Aussage der wirtschaftlichen Auswirkungen von Werbung oder auch von Kundenbindungsmaßnahmenn treffen. Die zugrunde liegenden Annahmen entstammen dabei wiederum der Zielgruppenanalyse.

Unternehmensplanung

Unter Einsatz der Marketing-Instrumente kann die Unternehmensplanung ausgehend von Markt und Kunden erfolgen (Bottom-up-Ansatz), anstatt des üblichen, aber stark fehlerträchtigen Top-down-Ansatzes, der vom Gesamtmarkt herunterrechnet, oder der Fortschreibungsmethode, die versucht, die vergangene Entwicklung in die Zukunft zu projizieren. Mit Ergebnissen der Zielgruppenanalyse lassen sich plausible Annahmen zum Umsatz pro Kunden und zu erreichbaren Potenzialmengen treffen. Entsprechende Simulationen können herangezogen werden, um die eigene Wertschöpfung zu optimieren oder die einzelnen Komponenten der Wertschöpfungskette zu optimieren.

Der Kundenwertansatz ist eine alternative Methode zur Ermittlung eines Unternehmenswertes, wie sie bei einem Unternehmensverkauf, im Rahmen einer Nachfolgeregelung oder für die Zuführung von neuem Kapital gebraucht wird. Die Kundenwertanalyse kann dabei andere Methoden der Unternehmenswertermittlung wie z.B. die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF) mit einbeziehen. In Verbindung mit der Analyse von Kundenwerten ist die strategische Positionierung des Unternehmens zu betrachten. Für diese übergreifenden Themen liefert das strategische Marketing die Hilfsmittel.

Fazit: Marketing kann mehr

Bei den Planungen zur Unternehmensgründung ist es selbstverständlich, dass mithilfe von Marketing-Methoden Aussagen zu Markt und Zielgruppen getroffen werden. Die Gestaltung der Wertschöpfungskette und der Geschäftsmodelle erfolgt ebenso marketinggetrieben wie die Formulierung des Business Plans. In diesem Fall prüfen externe Investoren oder Banken den Geschäftsplan auf Plausibilität und vergleichen Branchenkennzahlen. Der Einsatz von Marketing-Tools ist hierbei unerlässlich und schon lange akzeptiert.

In vielen mittelständischen Unternehmen wird Marketing dagegen immer noch als überflüssiger Luxus angesehen oder direkt mit Werbung gleichgestellt. Dabei bietet es eine sehr flexible und scharfe Waffe im Kampf um den Kunden und um Marktanteile. Der Verzicht auf Marketing bei der Produktgestaltung, dem Product Launch oder der Unternehmensplanung kommt einem Blindflug gleich, bei dem eine erfolgreiche Landung reine Glückssache wäre – mit schlechten Chancen obendrein. Dabei ist die Arbeit mit Marketing-Methoden nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden. Ohne den Einsatz insbesondere von Zeit ist allerdings kein Marketing-Instrument anwendbar. Außerdem sind Kenntnisse und Erfahrungen mit den Marketing-Tools hilfreich. Bei einer erstmaligen Einführung kann eine externe Begleitung die Effizienz steigern und die Zeit verkürzen. Auch bei einer späteren Überprüfung kann eine neutrale Analyse der Betriebsblindheit vorbeugen.

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