Open Automotive: Wer die Autos von morgen ins Netz bringt

Bereits seit mehreren Jahren wird über die Integration von Internet-Diensten in die Automobiltechnik diskutiert. Die 2014 gegründete Open Automotive Alliance will die Entwicklung nun vorantreiben. Sogar Apple und Google arbeiten hier ein Stück weit gemeinsam an geeigneten Standards und Schnittstellen.

Der Autopilot fährt im Funkwagen mit

Von Roland Freist

Die Idee ist naheliegend und nicht ohne Charme: Wenn es möglich ist, Handys mit einer ständig aktiven Internet-Verbindung zu versorgen, dann sollte das doch auch bei Autos funktionieren. Schließlich wird momentan so gut wie alles „smart“. Und ein Netzzugang öffnet die Tür zu einer Fülle von Möglichkeiten, die das Fahren komfortabler und sicherer machen.

Allianz für Infos, Unterhaltung und Notruf

Besonders gefragt sind bei den Automobilkunden vor allem die folgenden Funktionen:

  • Real Time Traffic Information: Informationen zu Staus und anderen Verkehrsbehinderungen werden sofort bei Veröffentlichung an das Navigationssystem übergeben. Der Fahrzeugcomputer berechnet dann, wie stark sich die Reise verzögert und ob sich eine Umfahrung lohnt.
  • Umgebungsinformationen: Das Display des Navis (oder des Smartphones) zeigt die aktuellen Benzinpreise der umliegenden Tankstellen, Lademöglichkeiten für Elektroautos und die Zahl der freien Plätze in den nächsten Parkhäusern an.
  • Unterhaltung: Die Fahrzeuginsassen können Webradio empfangen und Videostreaming-Dienste nutzen.
  • Intelligente Notrufe: Registriert die Elektronik einen Unfall, werden automatisch die Rettungsdienste informiert.
  • WLAN: Ein eigenes Funknetzwerk versorgt die Fahrzeuginsassen mit einem Internet-Zugang.
  • Sprachsteuerung: Sämtliche Funktionen der Fahrzeugcomputer sind per Spracheingabe zu erreichen. Außerdem kann der Fahrer SMS-Nachrichten und E-Mails formulieren und verschicken.

Die großen Automobilunternehmen wie BMW, Audi oder Volkswagen arbeiten bereits seit mehreren Jahren an entsprechenden Lösungen und haben sie teilweise auch schon realisiert. Doch wie nahezu immer in der Frühphase einer technischen Neuentwicklung kocht jedes Unternehmen sein eigenes Süppchen, was günstige Preise und damit eine weitere Verbreitung behindert. Mittlerweile haben jedoch die beiden führenden Hersteller von mobilen Betriebssystemen den Markt für sich erkannt und schieben die Entwicklung an.

Nachdem Apple im Juni 2013 iOS in the Car vorgestellt hatte, das inzwischen in CarPlay umbenannt ist, präsentierte Google im Januar 2014 gemeinsam mit Audi, General Motors, Honda, Hyundai und dem Chipfabrikanten Nvidia die Open Automotive Alliance (OAA). Bereits im Juni des Jahres meldete die Alliance eine Verstärkung durch weitere Mitglieder, darunter die Automobilfirmen Alfa Romeo, Chrysler, Fiat, Ford, Kia, Mazda, Mitsubishi, Nissan, Opel, Renault, Suzuki, Volkswagen und Volvo sowie die Elektronikkonzerne Harman, JVC Kenwood, LG, Panasonic und Pioneer.

Android ans Auto anpassen

Erklärtes Ziel der OAA ist es laut Google, das hauseigene Betriebssystem Android ins Auto zu bringen und es in Funktionen und Bedienung an die Anforderungen von Fahrern und Beifahrern anzupassen. Angekündigt war, dass die ersten Modelle mit Android noch 2014 vorgestellt würden. Bis Anfang November war davon jedoch noch nichts zu sehen.

Das verwundert allerdings auch nicht, denn es gilt, etliche Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen. So gibt es z.B. unterschiedliche Ansätze, um den Internet-Zugang herzustellen, nämlich entweder über ein fest eingebautes Modem im Auto oder aber per Smartphone. Manche Hersteller wie etwa Audi verbauen ein eigenes 3G- oder sogar LTE-Modem und nutzen die Autoantenne als Empfangsstation. Sie argumentieren, dass sich auf diesem Wege eine stabilere Verbindung herstellen ließe als über Handy.

Das Problem dabei: Der Fahrer muss entweder die SIM-Karte seines Telefons in das System des Autos laden oder, wie bei BMW, den teuren Mobilfunkvertrag des Herstellers akzeptieren. Firmen wie Citroën oder Toyota setzen hingegen darauf, dass die Kunden ihr Smartphone für den Empfang verwenden und per Bluetooth mit dem Fahrzeugcomputer verbinden. In der Praxis scheitert das jedoch häufig an Kompatibilitätsproblemen.

Schnittstelle gesucht

Apple und Google treten nun an, einen zersplitterten Markt zu standardisieren. Es geht vor allem darum, eine universelle Schnittstelle zwischen dem Smartphone und den Computersystemen der Autos zu etablieren. Bereits 2007 gründete sich aufseiten der Automobilhersteller das Industriekonsortium CE4A, welches das gleiche Ziel verfolgte. Damals spielten allerdings die Handy-Hersteller nicht mit. Die neue Initiative geht nun von den beiden marktbeherrschenden Herstellern von Mobilbetriebssystemen aus. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass es dieses Mal mit der Vereinheitlichung klappt.

Das bedeutet allerdings nicht, dass entweder CarPlay oder die OAA zum Schluss das Nachsehen haben wird. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es sich um eine Software-Schnittstelle handeln, die auf den Smartphones einfach per App bereitgestellt wird und Zugriffe vom Auto auf die benötigten Mobildienste ermöglicht. Diese App wird es dann nicht nur für Android oder iOS, sondern für alle wesentlichen Betriebssysteme am Markt geben. Allerdings haben Google und die OAA die besseren Karten, um sich auf dem Markt durchzusetzen und die weitere Entwicklung zu steuern.

Fazit: Mit eigenem Geschäftsmodell

Mit dem „Open“ in ihrem Namen betont die Alliance, dass sie offen für weitere Partner ist, die auf diesem Wege ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen können. Eine totale Offenheit gemäß den Open-Source-Prinzipien ist jedoch von Google nicht zu erwarten. Ähnlich wie bei Android wird das Unternehmen darauf achten, dass seine Interessen beim Zugriff auf die Sprachsteuerung oder Landkartendienste gewahrt bleiben.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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