TiSA: Wann Open Source aus der Ausschreibung fliegt

Das Trade in Services Agreement (TiSA) verhandelt die EU momentan hinter verschlossenen Türen. Umso argwöhnischer liest man die geleakten Dokumente dazu. Sie legen nämlich den Verdacht nahe, dass Behörden und Kommunen die Ausschreibung von quelloffener Software unmöglich gemacht werden soll.

Dienstleistungsabkommen verhandelt Open Source als Geheimsache

Von Roland Freist

Nachdem bereits die Geheimverhandlungen zu TTIP und CETA Misstrauen erweckt haben, ist nun ein weiteres Handelsabkommen in die Diskussion geraten. Im TiSA soll der Austausch von Dienstleistungen zwischen der EU und anderen Staaten geregelt werden. Einige nun bekannt gewordene Passagen beschäftigen sich auch mit Open Source.

„Wir regeln das für euch“

Bereits seit 2013 verhandeln die EU, die USA und 20 weitere Länder, u.a. Kanada, Mexiko, Japan und die Schweiz, hinter verschlossenen Türen über ein Vertragswerk namens Trade in Services Agreement (TiSA). Es geht um den Austausch von Dienstleistungen: Die beteiligten Staaten wollen Vereinbarungen zu Transparenz, Wettbewerb, Lizenzbedingungen und sektorspezifischen Regelungen treffen. Erklärtermaßen soll der fertige Vertrag auch die Bereiche E-Commerce und IT-Dienstleistungen umfassen.

Was genau dort verhandelt wird, blieb lange Zeit unklar. Die EU-Generaldirektion Externe Politikbereiche skizzierte die Gespräche in einem Hintergrundpapier, das jedoch offensichtlich kaum jemand zur Kenntnis nahm.

Doch die Öffentlichkeit ist durch die Berichterstattung zu den Verhandlungen über die Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP, Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership) und Kanada (CETA, Comprehensive Economic and Trade Agreement) sensibilisiert worden, als klar wurde, dass zu diesen Gesprächen nach dem Willen der Beteiligten keine offiziellen Details bekannt werden sollten.

Als WikiLeaks im Juni 2014 eine Reihe von Dokumenten zu den TiSA-Regelungen für Finanzdienstleister auf seiner Website publizierte, löste das noch keine umfassenden Diskussionen aus. Anfang Juni 2015 folgten jedoch 17 weitere Dokumente, unter denen im Open-Source-Umfeld vor allem der Anhang zum E-Commerce bedenklich ist.

Ausschreibungen ohne Open Source?

Dort heißt es nämlich in Artikel 6, dass keines der unterzeichnenden Länder den Transfer oder den Einblick in den Quellcode verlangen darf:

„No Party may require the transfer of, or access to, source code of software owned by a person of another Party, as a condition of providing services related to such software in its territory.“

Mit anderen Worten: Ausschreibungen, in denen gezielt Angebote für Open-Source-Software gesucht werden, wären nicht zulässig. Das soll nach Artikel 6, Nr. 2 allerdings nicht für Software für den Massenmarkt gelten und schon gar nicht für Programme, die für kritische Infrastrukturen entwickelt werden. Beide Kategorien werden jedoch nicht näher definiert.

Für die Praxis heißt das, dass Ministerien, kommunale Verwaltungen oder Behörden keine Ausschreibungen mehr formulieren dürften, in denen ausschließlich Angebote für quelloffene Software angefordert werden. Stattdessen müssen immer auch proprietäre Programme berücksichtigt werden.

Datenschutz und Netzneutralität

Seitdem diese Passagen bekannt geworden sind, kommt es in der Presse und der Öffentlichkeit zu massiven Protesten. Sowohl das Bundeswirtschaftsministerium wie auch das Innenministerium versuchten, die Wogen zu glätten und erklärten, die Regelungen entsprächen weitgehend dem geltenden deutschen Recht. Bereits heute sei es nicht erlaubt, dass bei Ausschreibungen auf quelloffener Software bestanden werde. Eine Förderung von Open Source sei dennoch möglich und werde von der Regierung auch unterstützt, heißt es beim Bundesinnenministerium. Im Übrigen kommentiere man keine geleakten Dokumente.

Bitte beachten Sie: Die nationalen Datenschutzgesetze in der EU, also auch das BDSG, wurden zum 25. Mai 2018 durch die Bestimmungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung ersetzt.

Doch es gibt noch weitere Passagen im TiSA-Vertragswerk, die misstrauisch machen. So soll es Unternehmen möglich sein, Daten frei von einem Land zum anderen zu transferieren. Das gilt ausdrücklich auch für die Finanzdienstleister, die somit die offizielle Erlaubnis hätten, Kontodaten an ihre jeweiligen Muttergesellschaften zu übermitteln. Nach deutschem Datenschutzgesetz ist das derzeit nicht möglich.

Auch eine weitere Formulierung im Vertragsentwurf lässt aufhorchen: Artikel 8 fordert den Zugang und die freie Nutzung von Diensten und Anwendungen im Internet, vorbehaltlich eines vernünftigen Netzwerkmanagements („reasonable network management“). Das Schlagwort vom Netzwerkmanagement tauchte in der Vergangenheit vor allem im Zusammenhang mit der Diskussion um die Netzneutralität auf. Da der Begriff im TiSA nicht weiter spezifiziert wird, erweckt das den Verdacht, dass hier quasi durch die Hintertür die Gleichbehandlung der Datenflüsse im Internet ausgehebelt oder zumindest die Möglichkeit dazu geschaffen werden soll.

Fazit: Bürger fordern Offenheit

Doch der Aspekt von TiSA, der am meisten beunruhigt, ist ein anderer: Während überall in den westlichen Industriestaaten der Trend hin zu mehr Offenheit geht, zu Transparenz und Mitbestimmung, offenem Zugang zu Informationen, Open Data und Open Government, wird bei Abkommen wie TiSA und TTIP versucht, Verhandlungen und Entscheidungen geheim zu halten, die Hunderte Millionen Menschen betreffen. Das ist schlicht undemokratisch und geht an den Wünschen und Vorstellungen der Bürger von modernen Staaten völlig vorbei. Der Protest regt sich zu Recht.

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