Tobin-Steuer

Wie Zoll auf Geld

Von Michael J.M. Lang

Die „Tobin-Steuer“ wird immer wieder – sowohl unter diesem Namen, als auch z.B. in Form der „Transaktionssteuer“ – als Mittel zur Dämpfung von Börsenspekulationen heftig diskutiert. Benannt ist die Steuer nach dem amerikanischen Ökonomen, Keynesianer und späteren Nobelpreisträger James Tobin, der 1972 die Idee dazu entwickelte, um internationale kurzfristige Schwankungen bei Devisengeschäften für Spekulanten (darunter die so genannten Day Trader) unattraktiv zu machen. James Tobin wandte sich später (u.a. in einem Spiegel-Interview) vehement gegen die Instrumentalisierung seiner Steueridee für links- und entwicklungspolitische Ziele.

In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde die Idee der Tobin-Steuer – vor allem durch die Organisation der Globalisierungsgegner, Attac – mit politischen Zielen einer Umverteilung zwischen armen und reichen Ländern sowie einer Kapitalabschöpfung der Börsenspekulation für zusätzliche Steuereinnahmen des Staates verknüpft.

Kontrolle ohne Kosten

Tatsächlich aber wurde die Tobin-Steuer von ihrem Schöpfer dazu entwickelt, kurzfristige Spekulationsgewinne zu neutralisieren oder zumindest unattraktiv zu machen. Tobin war durch wirtschaftstheoretische Analysen zu dem Schluss gekommen, dass die Spekulation mit kurzfristigen Kursschwankungen des internationalen Devisengeschäfts die Kapitalströme zunehmend von der Realwirtschaft entkoppeln und gerade Drittweltländer damit destabilisieren würde.

Steuermehreinnahmen und die Finanzierung von Entwicklungsprojekten waren für ihn lediglich mögliche Nebeneffekte. Die Mehreinnahmen aus der Steuer wollte Tobin für die Selbstfinanzierung der nationalen Organisationen genutzt wissen, die diese Steuer erheben und überwachen sollten, so dass die Tobin-Steuer ein für die teilnehmenden Staaten kostenneutrales Instrumentarium der Kapitalregulierung sein würde.

Je öfter, desto teurer

Die Höhe der Tobin-Steuer sollte nach dem Willen ihres Erfinders so bemessen sein, dass sie – im Sinne einer Transaktionssteuer – bei allen häufig vorgenommenen internationalen Kapitalverschiebungen mit geringen Fallgewinnen diese Gewinne aufhebt, bei mittel- und langfristigen Kapitalanlagen über Ländergrenzen hinweg die damit verbundenen höheren Gewinne aber nicht spürbar belastet.

Der Schlüssel zu dieser Filterfunktion liegt darin, dass die Steuer eben pro Transaktion anfallen sollte und sich nicht am Gewinn orientiert. D.h. je häufiger ein Spekulationsbetrag bei gleichzeitig pro Transaktion anfallendem geringem Gewinn Ländergrenzen überschreitet (z. B. wenn kurzfristige Devisenschwankungen ausgenutzt werden sollen), desto häufiger fällt die an und für sich geringe Steuer (nach Tobin zwischen 0,5 % und 1 %) an und desto größer wird die summierte Steuer gegenüber dem möglichen Spekulationsgewinn.

Fazit: Bumerangs und Abwanderer

Tobin selbst stand seiner Idee später durchaus kritisch gegenüber, vor allem, nachdem er merkte, dass sie uminterpretiert wurde. Kritiker der Tobin-Steuer verweisen zum einen auf empirische Fallstudien, die von einem genau konträren Effekt der Steuer ausgehen und besagen, dass eine Erhöhung der Transaktionskosten zu einer Destabilisierung der Börsenkurse führt.

Zum anderen warnen sie vor einer Verschiebung und Ausweichreaktion der Kapitalströme in noch weniger regulierte Märkte, darunter auch Schwarzgeldmärkte im Nahen Osten und in Asien, sowie in ethisch kritische Märkte, wie den Waffenhandel in Krisengebieten und Afrika, da mit der wachsenden Kluft zwischen den möglichen Gewinnen an legalen und illegalen Märkten die Hemmschwelle für eine Anlage auf den letzteren natürlicherweise abnimmt.

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