Coming soon ... IT Summit by heise

Bundestag beschließt Reform der Rechtsberatung

Der Deutsche Bundestag hat letzten Donnerstag das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) beschlossen, mit dem die Rechtsberatung neu geordnet wird. Es lockert das Rechtsberatungsmonopol. „Das neue Rechtsdienstleistungsgesetz erhält das Anwaltsmonopol für den gesamten Kernbereich rechtlicher Dienstleistungen. Allerdings wird es künftig moderate Öffnungen geben“, beschreibt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries die Änderung. Stimmt der Bundesrat zu, kann das Gesetz zum 1. Juli 2008 in Kraft treten.

Im Interesse einer sachgerechten, unabhängigen Rechtsberatung bleibt es laut Bundesjustizministerium auch in Zukunft bei dem Grundsatz, dass die Vertretung vor Gericht, ebenso wie die außergerichtliche Beratung in den Händen von Anwälten bleibt. Öffnungen sieht das neue RDG gegenüber dem geltenden Rechtsberatungsgesetz allerdings bei der unentgeltlichen, altruistischen Rechtsberatung vor, die grundsätzlich freigegeben wird. Karitative Einrichtungen, Verbraucherberatung oder Mieterbund dürfen unentgeltliche Rechtsdienstleistungen anbieten – das gleiche gilt für Rechtsberatungen im Familien- und Freundeskreis. Um sicherzustellen, dass Rechtssuchende kompetent beraten werden, dürfen gemeinnützige Einrichtungen Rechtsdienstleistungen nur durch oder unter Anleitung eines Volljuristen erbringen.

Auch Nichtanwälte sollen künftig im Zusammenhang mit einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit juristische Nebenleistungen erbringen dürfen. So dürfen beispielsweise Architekten künftig im Rahmen von Planungsleistungen ihre Auftraggeber bei damit zusammenhängenden baurechtlichen Fragen beraten.

Dagegen soll die Erweiterung der beruflichen Zusammenarbeitsmöglichkeiten von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufe, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch vorgesehen war, vorläufig zurückgestellt werden. „Die berufsständischen Vertreter der Anwälte haben signalisiert, dass sie in diesem Punkt noch Gesprächsbedarf sehen“, sagte Bundesjustizministerin Zypries. (Bundesjustizministerium/ml)

Die Eckpunkte des neuen RDG im Einzelnen (laut Pressemitteilung):1. Das RDG führt keine umfassende Rechtsdienstleistungsbefugnis unterhalb der Rechtsanwaltschaft ein

Wer umfassend rechtlich beraten will, muss Volljurist sein – d. h. er muss beide juristischen Staatsexamen bestanden haben. Darüber hinaus muss er als Rechtsanwalt zugelassen sein. Für die Rechtsuchenden ist es wichtig, sich auch künftig darauf verlassen zu können, dass umfassender Rechtsrat nur von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erteilt wird, die gesetzlich in besonderer Weise zur Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Wahrung der Mandanteninteressen verpflichtet sind. Damit wird es auch in Zukunft keine umfassende Rechtsberatungsbefugnis für Fachhochschulabsolventen (hier vor allem Diplom-Wirtschaftsjuristen) oder Absolventen des ersten juristischen Examens geben.

Dem Anliegen der Diplomjuristen, die an den Fachhochschulen ursprünglich mit dem Ziel einer abhängigen Beschäftigung in Verwaltung oder Wirtschaft ausgebildet wurden, auch selbständig tätig werden zu können, trägt der Gesetzentwurf allerdings in gewissem Umfang Rechnung. Durch die Neuausrichtung des Begriffs der Rechtsdienstleistung, die Erweiterung der zulässigen Nebenleistungen gibt es auch für Diplomjuristen ein neues Betätigungsfeld.

2. Das RDG gilt nur für den außergerichtlichen Bereich und reglementiert nur noch Fälle echter Rechtsanwendung

Das bislang geltende Rechtsberatungsgesetz unterstellt nach seinem Wortlaut jede Erledigung fremder Rechtsangelegenheiten dem gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt. Das führt dazu, dass all diese Tätigkeiten grundsätzlich nur durch Rechtsanwälte oder durch andere Personen mit einer besonderen Erlaubnis zur Rechtsberatung (z.B. Steuerberater oder Inkassounternehmen) erbracht werden dürfen. Das Gesetz verwendet daneben auch die Begriffe Rechtsberatung, Rechtsbetreuung und Rechtsbesorgung, ohne diese Begriffe näher einzugrenzen. Das RDG ersetzt diese konturenlose Begriffsvielfalt durch den einheitlichen, in § 2 Abs. 1 RDG definierten Begriff der Rechtsdienstleistung:

Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind nur noch die Fälle echter Rechtsanwendung allein dem Anwalt vorbehalten. Tätigkeiten, die sich im Auffinden, der Lektüre, der Wiedergabe und der bloßen schematischen Anwendung von Rechtsnormen erschöpft, sind dagegen keine Rechtsdienstleistungen. Dies betrifft etwa

die allgemeine Aufklärung über rechtliche Hintergründe
Beispiel: Ein Mieterverein klärt durch ein Rundschreiben alle Mieter einer Wohnanlage über die nach dem BGB bestehenden Minderungsrechte bei Modernisierungsmaßnahmen auf.
die Geltendmachung unstreitiger Ansprüche
Beispiel: Eine Kfz-Werkstatt rechnet mit der gegnerischen Versicherung nicht nur die Reparaturkosten ab, sondern macht für den Geschädigten gleichzeitig auch die allgemeine Schadenpauschale geltend.
die Mitwirkung bei einem Vertragsschluss oder einer Vertragskündigung
Beispiel: Ein Energieberater kündigt für seinen Kunden bestehende Energieversorgungsverträge und schließt neue ab.
Andererseits liegt eine Rechtsdienstleistung nicht erst dann vor, wenn eine umfassende oder besonders tiefgehende juristische Prüfung erforderlich wird. Bereits die juristische Prüfung einfacher Sachverhalte eröffnet den Anwendungsbereich des RDG. In diesen Fällen kann die Rechtsprüfung aber durch Nichtanwälte erfolgen, wenn es sich um eine nach § 5 RDG zulässige Nebenleistung handelt (vgl. dazu unten).

3. Das RDG erlaubt allen Berufsgruppen Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen

Um den geänderten Anforderungen des Wirtschaftslebens gerecht zu werden, erweitert § 5 Abs. 1 RDG die Möglichkeit, im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit Rechtsdienstleistungen zu erbringen.

Rechtsdienstleistungen sind künftig immer dann zulässig, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.

Beispiele hierfür könnten sein:

Sanierungs- oder Insolvenzberatung durch Diplom-Betriebswirte, Diplom-Kaufleute oder Diplom-Wirtschaftsjuristen;
Beratung über Fragen des Baurechts oder der Sachmängelhaftung durch Architekten;
Beratung über Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vermögens- oder Unternehmensnachfolge durch Banken
Mitwirkung bei der Vorbereitung eines Erbscheinsantrags durch Erbenermittler.
Voraussetzung ist nicht mehr wie im geltenden Recht, dass die andere Tätigkeit ohne die Rechtsdienstleistung überhaupt nicht sachgemäß erledigt werden kann. Vielmehr reicht es aus, dass die Tätigkeit eine zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehörige Nebenleistung darstellt. Die Rechtsdienstleistung darf also nach ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nicht im Mittelpunkt des Leistungsangebots stehen und muss zum jeweiligen Berufsbild gehören.

Einzelne Fälle stets zulässiger Nebenleistungen hebt der Gesetzentwurf ausdrücklich hervor, um von vornherein Rechtsklarheit zu schaffen. Zu nennen sind namentlich die Testamentsvollstreckung – die der Erblasser damit künftig auch Banken, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern übertragen kann – und die Fördermittelberatung, die im Bereich der Unternehmensberatung eine wichtige Rolle spielt. Dies steht im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des BGH, der diese Tätigkeiten für erlaubnisfrei zulässig erklärt hat.

Es wird auch künftig der Rechtsprechung überlassen bleiben, darüber hinaus im Einzelnen zu bestimmen, welche Rechtsdienstleistungen – etwa bei Unternehmensberatern – noch als Neben¬leistung anzusehen sind. Der Gesetzentwurf gibt den Gerichten für die Entscheidung, ob eine Nebenleistung vorliegt, aber konkrete Entscheidungskriterien an die Hand. Prüfungsmaßstab ist neben Umfang und Inhalt einer Tätigkeit und ihrer Bedeutung für den Rechtsuchenden, ob hierfür die umfassende rechtliche Ausbildung des Rechtsanwalts oder seine besondere Pflichtenstellung im Rechts¬system erforderlich ist, oder ob die juristische Qualifikation des nichtanwaltlichen Dienstleisters ausreicht.

4. Das RDG erlaubt unentgeltliche Rechtsdienstleistungen

§ 6 RDG erklärt die unentgeltliche Rechtsdienstleistung grundsätzlich für zulässig:

Rechtsdienstleistungen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen, sollen künftig erlaubt sein.

Das betrifft einerseits die Rechtsberatung im Familien- und Freundeskreis und begünstigt andererseits die altruistische, karitative Rechtsberatung. Der Begriff der Unentgeltlichkeit wird enger als im Bürgerlichen Recht definiert. „Kostenlose“ Serviceangebote (etwa die von einer Bank für den – potentiellen – Kunden kostenlos und unverbindlich angebotene Testamentsberatung) sind danach nicht unentgeltlich im Sinne des RDG, weil sie im Zusammenhang mit dem entgeltlichen Geschäft stehen, für das geworben werden soll.

Werden z.B. in einem Verein oder in sozialen Einrichtungen unentgeltlich Rechtsdienstleistungen angeboten, muss die Qualität der Rechtsdienstleistung dadurch sicher gestellt sein, dass eine juristisch qualifizierte Person daran beteiligt wird. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Rechtsdienstleistung unter Anleitung einer Person erbracht wird, die beide Staatsexamen bestanden hat. Die vor Ort beratende Person muss entsprechend geschult und fortgebildet werden, zudem muss die Möglichkeit bestehen, zur Not in einem konkreten Fall auf die besonderen juristischen Kenntnisse der anleitenden Person zurückgreifen zu können.

Zum Schutz der Rechtsuchenden ist es möglich, Personen oder Einrichtungen, die außerhalb des Familien- und Bekanntenkreises dauerhaft unqualifizierten Rechtsrat erteilen, die unentgeltliche Rechtsdienstleistung zu untersagen.

5. Das RDG ermöglicht allen Vereinen die rechtliche Beratung ihrer Mitglieder

Während nach geltendem Recht nur berufsständische und berufsstandsähnliche Vereinigungen (z.B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Haus und Grund, Mietervereine) ihre Mitglieder rechtlich beraten dürfen, soll dies künftig grundsätzlich nach § 7 RDG jeder Vereinigung erlaubt sein. Dies betrifft etwa die großen Mitgliedervereine wie beispielsweise Automobilclubs.

Allerdings dürfen die Rechtsdienstleistungen auch künftig nicht Hauptzweck einer Vereinigung sein. Außerdem muss eine sachgerechte Mitgliederberatung gewährleistet sein. Dies soll künftig vor allem dadurch sichergestellt werden, dass eine juristisch qualifizierte Person an der Beratung beteiligt sein und die Institution personell, sachlich und finanziell angemessen ausgestattet sein muss. Auch Vereinen, die dauerhaft unqualifizierten Rechtsrat erteilen, kann die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen untersagt werden.

6. Das RDG reglementiert nur das Forderungsinkasso und nicht den Forderungskauf

Wie bisher fällt das gesamte klassische Inkassogeschäft unter den Anwendungsbereich des RDG. Will also jemand eine Forderung nur zur Einziehung erwerben, ohne das wirtschaftliche Risiko zu übernehmen (Forderungsinkasso), muss er sich bei der Landesjustizverwaltung registrieren lassen. Der Vollerwerb einer Forderung (Forderungskauf) soll demgegenüber auch ohne eine Inkassoregistrierung zulässig sein. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Forderungen gerade im heutigen Wirtschaftsleben schnell und leicht übertragbar sein und grundsätzlich auch als Refinanzierungsinstrument zur Verfügung stehen müssen.

Einem besonderen Schutzbedürfnis des Schuldners wird dabei durch die gesetzliche Regelung von Zustimmungserfordernissen Rechnung getragen, wie sie das neue Recht nunmehr auch zur Abtretbarkeit anwaltlicher Honorarforderungen vorsieht. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sollen danach ihre Honorarforderungen zu Einziehungszwecken abtreten oder an Dritte veräußern können, wenn der Mandant der Abtretung nach vorheriger Aufklärung ausdrücklich schriftlich zugestimmt hat. Damit können künftig nach dem Vorbild der ärztlichen und zahnärztlichen Verrechnungsstellen auch anwaltliche Verrechnungsstellen tätig werden.

7. Die Regelungen über die Prozessvertretung vor Gericht werden in allen Verfahrensordnungen aneinander angeglichen

Anders als das Rechtsberatungsgesetz beschränkt sich das Rechtsdienstleistungsgesetz auf die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Daher werden die einzelnen Verfahrensordnungen (ZPO, FGG, ArbGG, VwGO, SGG, FGO) um Regelungen darüber ergänzt, wer wen in welchen gerichtlichen Verfahren vertreten kann. Zu diesem Zweck werden die bisher uneinheitlichen Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen einander so weit wie möglich angeglichen.

Die Vertretungsbefugnis im Zivil-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsprozess soll dabei nicht in demselben Umfang freigegeben werden wie bei der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung. Die Kenntnisse, die erforderlich sind, um einen Gerichtsprozess sachgerecht zu führen, sowie der Schutz der Gerichte erfordern und rechtfertigen stärkere Einschränkungen als im außergerichtlichen Bereich.

Nach geltendem Recht muss sich ein Mandat in bestimmten Gerichtsverfahren (z.B. vor den Bundesgerichten, in den meisten Berufungsverfahren, in zivilrechtlichen Prozessen vor dem Landgericht und in bestimmten familiengerichtlichen Verfahren) durch einen Anwalt vertreten lassen. Die entsprechenden Regelungen der Prozessordnungen sollen beibehalten werden. Abgesehen von diesen Fällen kann eine Partei selbst entscheiden, ob sie sich selbst vertritt oder einen professionellen Vertreter einschaltet.

Die entgeltliche professionelle Vertretung soll grundsätzlich weiterhin durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgen. Wer andere beruflich vor Gericht vertritt, muss zum Schutz des Vertretenen bestimmten Qualifikationsanforderungen genügen. Deshalb schlägt der Gesetzentwurf vor, in allen Gerichtsverfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht, neben der Vertretung durch Rechtsanwälte grundsätzlich nur die Vertretung

  • durch Beschäftigte der Prozesspartei,
  • durch unentgeltlich tätige Familienangehörige der Prozesspartei,
  • durch unentgeltlich tätige Volljuristen oder
  • durch unentgeltlich tätige Streitgenossen

zuzulassen. Registrierte Inkassounternehmen dürfen künftig das gerichtliche Mahnverfahren betreiben; ihre Vergütung für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren ist dabei zum Schutz der Schuldner nur bis zu einem Betrag von 25,00 EUR erstattungsfähig. Personen, die nach den neuen Regelungen nicht zur Prozessvertretung zugelassen sind, können vom Gericht künftig – anders als im geltenden Recht – als Beistand in der Gerichtsverhandlung zugelassen werden, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht.

In steuerrechtlichen Angelegenheiten bleiben die Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertretungsbefugt. Auch die bereits nach geltendem Recht bestehenden Vertretungsbefugnisse für Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände und Rentenberater werden übernommen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren werden die Befugnisse der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften auf die Vertretung vor dem Bundesarbeitsgericht ausgeweitet.

Häufig fungieren die Personen, die bei Gewerkschaften und Verbänden für die Übernahme der Prozessvertretung qualifiziert sind, auch als ehrenamtliche Richter in der Arbeits- oder Sozialgerichtsbarkeit. Eine Unvereinbarkeitsregelung soll daher von vornherein verhindern, dass der Verdacht einer Interessenkollision oder Voreingenommenheit des Gerichts aufkommt. Deshalb wird in allen Verfahrensordnungen angeordnet, dass Richter grundsätzlich nicht als Vertreter bei einem Gericht auftreten dürfen, dem sie selbst angehören. Für ehrenamtliche Richter wird dieser Grundsatz auf die jeweiligen Spruchkörper des Gerichts eingeschränkt, denen sie angehören.