Zertifikat (Wertpapier)

Schwierige Spekulationsbündel für jedermann

Von Michael J.M. Lang

Unter einem Zertifikat versteht man im Finanzwesen ein von einer Bank herausgegebenes Wertpapier, dessen Wert sich aus einer anderen Anlage ableitet. Während ein Anleger z.B. mit dem Kauf der VW-Aktie zum Anteilseigner beim Autobauer wird, beteiligt ihn ein Zertifikat auf die VW-Aktie an deren Wertentwicklung, ohne dass er die Aktie besitzt. Wie viel der Anleger für sein Zertifikat am Ende an Geld zurückbekommt, hängt von der Entwicklung der Aktie ab, auf die sich das Zertifikat bezieht.

Neues Material, neue Varianten

Worin liegt nun der Vorteil eines Zertifikats? Zum einen beziehen sich Zertifikate nicht nur auf den Aktienmarkt, sondern z.B. auch auf Rohstoffe, Wechselkurse oder Zinsdifferenzen – Märkte, in die private Anleger sonst kaum investieren könnten. Zum anderen lässt sich die Investition mit nur einem Zertifikat gleich über mehrere Basiswerte und Branchen streuen. Wesentliches Charakteristikum ist zudem die Gestaltung der Rückzahlung: Während Investoren mit Aktien nur dann gewinnen, wenn die Aktienkurse steigen, sieht die Sache bei Zertifikaten anders aus.

Mit so genannten Bonuszertifikaten etwa lassen sich selbst bei fallenden Märkten positive Renditen erzielen, solange der Kurs des Basiswertes nicht unter eine im Voraus definierte Schwelle sinkt. Sie sind nur ein Beispiel für die zum Teil überbordende Kreativität der Banken, deren Angebote von „Garantiezertifikaten“ über „Discount-“ und „Express-“ bis hin zu „Sprintzertifikaten“ reichen. Spekulieren lässt sich auf steigende Märkte genauso wie auf fallende oder unveränderte Kurse.

Black Box mit Schachtelteufel

Ein heikler Aspekt von Zertifikaten soll aber nicht verschwiegen werden, vor allem, weil er als Mitauslöser der Finanzmarktkrise 2008 ff. gilt: Durch die Kombination vielfältiger, teils sogar exotischer Basiswerte und Ziele können Anleger die tatsächlichen Risiken von Zertifikaten kaum abschätzen. Dabei geht es nicht nur um das Wissen der Teilrisiken der kombinierten Werte, sondern auch um den Umfang dieser Risiken im Rahmen des Gesamtrisikos eines Zertifikats und die Wechselwirkungen.

So stellt sich die Frage, welche der Bestandteile in einer konkreten Marktphase gleichzeitig Risiken entwickeln und sich so schlimmstenfalls sogar kumulativ aufschaukeln. Umgekehrt können sich im positiven Fall die Teilrisiken von enthaltenen Basiswerten antizyklisch dämpfen oder aufheben. Dass selbst Finanzfachleute von Banken die meisten Zertifikate nicht wirklich einschätzen können, hat die Finanzkrise anschaulich gezeigt.

Fazit: Am Ende unberechenbar

Selbst wenn gewiefte Anleger alle Basiswerte für sich genommen bewerten könnten, wäre das resultierende Risikopotenzial des Zertifikatsmix und dessen zeitliche Entwicklung unkalkulierbar. Mathematiker sprechen bei solchen Kombinationen sogar von einem „chaotischen Verhalten“ des Systems (in diesem Fall des Zertifikats).

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