Auszubildende: Der beste Weg zum besten Azubi

Noch gibt es mehr Schulabgänger als Lehrstellen. Aber Auszubildende mit Motivation, Elan, Potential und ausreichend Grundwissen für anspruchsvolle Berufe sind leider längst Mangelware. Wie man diese als Mittelständler am schnellsten findet, beschreibt Sabine Philipp in ihrem Beitrag.

Geduld findet die Richtigen

Von Sabine Philipp

In Wiesbaden fehlen die Azubis, beklagt sich die hiesige IHK und stellt prompt eine Ausbildungsbörse ins Netz. Schon seit längerem befürchten Experten wegen der geburtenschwachen Jahrgänge einen Fachkräftemangel. Der Kampf um die besten Köpfe hat also schon begonnen. Aber woher die Lehrlinge nehmen und nicht stehlen? Ganz einfach: Beginnen Sie mit der Rekrutierung nicht erst kurz vor Ausbildungsbeginn und stellen Sie keine übertriebenen Anforderungen.

Nachwuchs anwerben

Der einfachste und billigste Weg ist immer noch die Mundpropaganda. Gerade kleinere Unternehmen können so ihren guten Ruf, den sie sich über Jahre erworben haben, nutzbar machen. Fordern Sie also Ihre Mitarbeiter auf, sich im Familien- oder Bekanntenkreis umzuhorchen und Interessenten zu melden. Das hat zum einen den Vorteil, dass die Lehrlinge schon jemanden kennen und sich nicht ganz verloren fühlen. Zum anderen können die Bekannten oft ganz gut einschätzen, ob der Beruf überhaupt etwas für den Aspiranten ist.

Qualifikation

Suchen Sie nicht nur nach Abiturienten. Davon gibt es a) gar nicht so viele und b) wollen die meist studieren. Versuchen Sie es durchaus auch mit Hauptschülern; die sind nämlich nicht automatisch dumm. Unser Schulsystem selegiert die Kinder leider viel zu früh, so dass so mancher Spätzünder durchs Raster fällt. Außerdem haben jüngste Bildungsstudien wiederholt gezeigt, dass in Deutschland viele Kinder aus einfachen Familien viel seltener für ein Gymnasium vorgeschlagen werden, obwohl sie das Zeug dafür hätten.

Standort

In strukturschwachen Regionen suchen viele kluge Köpfe verzweifelt nach einem Ausbildungsplatz. Werben Sie also auch in solchen Gegenden. Die Arbeitsagentur kann Ihnen da sicher helfen. Übrigens: Da das Lehrgehalt oft nicht für eine eigene Wohnung ausreicht, können die Azubis Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bei der Arbeitsagentur beantragen. Vielleicht wissen Sie ja auch selbst, wer Untermieter aufnimmt; das ist für den Neuzugang dann nicht zu teuer und er findet gleich noch ein wenig Anschluss.

Berufsprofil

Seien wir ehrlich: Manche Berufe gelten einfach als „uncool“. Dementsprechend gestaltet sich die Nachwuchsrekrutierung mitunter schwierig. Falls Sie für ein solch unbeliebtes Handwerk wie z.B. das des Fleischers Nachwuchs suchen, dann verändern Sie einfach mal Ihre Ansprache. Stellen Sie in Ihrer Stellenanzeige bzw. Praktikumsbezeichnung auch Möglichkeiten heraus, die nicht zum Standard gehören, packen Sie Grillkönner bei der Ehre und Bio-Aktivisten bei der Verantwortung, erinnern Sie daran, dass es von der Metzgerei zum Prominenten-Catering nur ein Schritt ist und werben Sie ungewöhnlich: „Wer Schlachten kann, hat Schwein gehabt!“

Kommunikation

Sagen Sie den Reportern vom örtlichen Blatt, dass Sie Lehrlinge suchen. Die schreibende Zunft freut sich gerade im Sommerloch über solche Themen. (Was Sie bei Ihrer Pressearbeit sonst noch beachten sollten, erfahren Sie in unserem Schwerpunktthema.)

Kandidaten testen

Viele Schüler müssen ein Betriebspraktikum absolvieren. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihren zukünftigen Azubi schon mal kennen zu lernen. Oder bieten Sie Praktika bzw. Ferienjobs in der schulfreien Zeit an. Am besten setzten Sie sich direkt mit den verschiedenen Schulen in Verbindung. Dabei merken Sie schnell, ob die Kraft in den Betrieb passt und ob die Arbeit etwas für sie ist. Falls sich nach Vertragsabschluss herausstellen sollte, dass es doch nicht passt, gibt es ja noch die Probezeit. Die kann bei Verträgen, die nach dem 1. April 2005 geschlossen wurden, bis zu vier Monate dauern.

Lehrlinge binden

Natürlich können Sie kündigungswillige Azubis nicht aufhalten, die aus dem Boot springen, bevor sie den Meister erreicht haben. Persönliche Ausnahmesituationen wie Schwangerschaft, Kindererziehung oder pflegebedürftige Eltern müssen aber nicht unbedingt ein Hemmnis sein. Nach § 8 Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist auch eine Teilzeitausbildung möglich. Und wer weiß: Vielleicht gibt es sogar einen Extrazuschuss, wenn Sie die Sache gemeinsam durchziehen.

Wenn Sie z.B. allein erziehende Mütter oder Kinder aus schwierigen Verhältnissen eine Chance geben, könnte eine Förderung für Sie herausspringen. So unterstützt das Land Hessen Unternehmen, die schwer Vermittelbare ausbilden, sowie Existenzgründer. Falls Sie aus einem anderen Bundesland kommen, dann fragen Sie bei Ihrer IHK oder Handwerkskammer nach. Für die neuen Bundesländer gibt es noch zusätzlich das Ausbildungsprogramm Ost.

Alternativen erwägen

Wenn alle Bemühungen umsonst waren, dann schauen Sie sich doch mal unter Ihren Mitarbeitern um. Vielleicht findet sich die eine oder andere Hilfskraft, die sich weiter entwickeln möchte. Für eine Ausbildung ist es schließlich nie zu spät. Und falls Ihre Mitarbeiter nicht auf das volle Gehalt verzichten wollen, können Sie Ihnen noch immer ein Fernstudium anbieten.

Fazit: Der Mittelstand macht Meister

Der Mittelstand ist nicht nur Jobmotor, sondern auch Ausbildungskönig: Kleinere und mittlere Unternehmen stellen über 80 % der Lehrstellen in Deutschland. Umso besorgter verfolgen KMU einerseits das Qualifikationsniveau, mit dem die Jugend aus der Schule ins Berufsleben tritt, andererseits die Entwicklung der arbeitsrechtlichen Rahmenvorgaben durch die Politik, die zwar nicht müde wird, lobende Worte für regional engagierte Unternehmer zu finden, in der Praxis aber die internationalisiert-globalisierte Karriere als höchstes aller Ziele hinstellt.

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