Öffentliche Ausschreibungen für den Mittelstand

Die formalen Hürden sind die schwersten

Von Michael Singer

Prinzipiell steht der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen natürlich jedem offen. Aber sollen sich auch Unternehmen aus dem Mittelstand an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen? Ist vielleicht die Chance, den Zuschlag zu erhalten, viel zu gering? Oder der Aufwand viel zu groß?

Gängige Vorurteile – und was dahinter steckt

Zum Thema öffentliche Ausschreibungen für den Mittelstand reden viele vieles, aber wenige wissen Genaues. Ein Großteil der Diskussion besteht aus Vorurteilen. Sie haben es verdient, näher beleuchtet zu werden.

  • Vorurteil 1: Den Zuschlag bekommt sowieso immer nur der Billigste.

Tatsächlich ist es so, dass den Zuschlag das wirtschaftlichste Angebot bekommt. Der Preis kann das einzige Kriterium sein – muss es aber nicht. Das Vergaberecht sieht sogar vor, sogenannte unauskömmliche (also zu niedrige) Preise von der Wertung auszuschließen. Die einzelnen Kriterien sind mit der Ausschreibung offen zu legen.

  • Vorurteil 2: Den Zuschlag bekommt der, der die besten Beziehungen hat.
  • Vorurteil 3: Der Gewinner der Ausschreibung steht schon von vornherein fest.

Bei einer freihändigen Vergabe kann es sicherlich so sein, dass die besten Beziehungen entscheiden, wer überhaupt zu einem Angebot aufgefordert wird. Das sich anschließende Auswahl- und Vergabeverfahren unterliegt jedoch den gleichen Bestimmungen wie eine offene Ausschreibung. Ein Zuschlag nur wegen guter Beziehung wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Vergaberecht. In Einzelfällen mag das in der Realität vorkommen, aber es ist für die Beteiligten ein Spiel mit dem Feuer.

  • Vorurteil 4: Öffentliche Aufträge führen kleine Unternehmen in die Insolvenz.

Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen wird im Wettbewerb aufgrund von Angebot und Nachfrage bestimmt. Den Zuschlag bekommt das wirtschaftlichste Angebot. Das Öffentliche Preisrecht sieht vor, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu angemessenen Preisen erfolgen muss. Dabei sind die vollen Kosten bei wirtschaftlicher Betriebsführung inklusive der Zinsen für das eingesetzte Kapital und eines (immerhin moderaten) Gewinnzuschlages zu berücksichtigen.

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Michael Singer beschäftigt sich seit über 25 Jahren ausführlich mit der Thematik „Öffentliches Preisrecht und Preisprüfungen“. Er berät Unternehmen vor Preisprüfungen und auf dem Weg zu prüfsicheren öffentlichen Aufträgen und veranstaltet praxisorientierte und maßgeschneiderte Inhouse-Seminare. Er ist Vorsitzender des Fachausschusses Preisrecht im Deutschen Vergabenetzwerk, Gründer und Moderator der XING-Gruppe Öffentliche Aufträge und Preisprüfung, Autor für den Vergabeblog und bei Wikipedia, außerdem veröffentlicht er regelmäßig einschlägige Fachbeiträge zum Thema Öffentliches Preisrecht.


Michael Singer, Öffentliche Aufträge + Preisprüfung, Bengelsdorfstr. 24, 22179 Hamburg, Tel.: 040-6957304, Fax: 040-28463697, michael@singer-preispruefung.de, www.singer-preispruefung.de

Öffentliche Aufträge für den Mittelstand

Die Frage ist also: Lohnt es sich dann für den Mittelstand, sich um öffentliche Aufträge zu bemühen? Dazu ist zu sagen: Es wird freilich für jeden schwierig sein, öffentliche Ausschreibungen zu gewinnen, sofern er an den formalen Hürden scheitert, die besagen, dass der Bieter schon über einen längeren Zeitpunkt tätig sein muss und dass er vielfach die Ergebnisse der letzten drei Jahre der Geschäftstätigkeit nachweisen muss. Wenn er diese Kriterien nämlich nicht erfüllt, wird sein inhaltliches Angebot gar nicht gewertet werden.

Trotzdem kann es auch dann empfehlenswert sein, sich mit dem Thema Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen zu beschäftigen. Zum einen gibt es öffentliche Ausschreibungen, bei denen auf die Erfüllung dieser formalen Kriterien verzichtet wird, zum anderen hat man die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Kooperation als Subunternehmer zu bewerben und somit ebenfalls den strengen formalen Vorschriften zu entgehen.

Bei Erfüllung der formalen Hürden sollte man in erster Linie darauf achten, seine Chancen realistisch einzuschätzen, denn erst dann lohnt sich auch der formale Aufwand für eine Beteiligung an einer Ausschreibung. Jeder, der sich mit der Erlangung von öffentlichen Aufträgen befasst, sollte außerdem auf jeden Fall berücksichtigen, dass eine mögliche Preisprüfung zu einer Rückzahlung führen kann – sofern man nicht entsprechend vorgesorgt hat.

Fazit: Ausschreibungen suchen und finden lassen

National sind die Ausschreibungen kostenfrei auf dem Portal www.bund.de zu finden. Dort hat man auch zusätzlich die Möglichkeit, sich über die Ausschreibungsergebnisse zu informieren. Diese findet man in der Rubrik Vergebene Aufträge. Dies kann interessant bei der Suche nach Kooperationspartnern sein, weil man dadurch auf bereits erfolgreiche Bieter zurückgreifen kann. Eine Ergänzung dazu ist die E-Vergabeplattform des Bundes, die unter www.evergabe-online.de zu finden ist.

Europaweit und oberhalb der Schwellenwerte sind Ausschreibungen und die Ergebnisse von Ausschreibungen – ebenfalls kostenlos – in der Datenbank TED finden. Der Zugang ist nach einer Registrierung über http://ted.europa.eu möglich.

Wenn man diese Suchen nicht selbst durchführen will, dann ist die Vergabe eines Auftrages an einen Informationsvermittler, der auf die Suche in Ausschreibungsdatenbanken spezialisiert ist, eine Möglichkeit der Informationsbeschaffung.

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