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KI-Wettbewerb: Wie Europa im globalen KI-Rennen um Anschluss ringt

KI ist das neue Gold – wer sie beherrscht, bestimmt die wirtschaftliche und technologische Zukunft. Doch wo stehen Europa und die DACH-Region im Vergleich mit den USA und China? Ein Blick auf Erfolge, Rückschläge und Chancen im weltweiten KI-Wettstreit.

Technologiewettlauf: Neue KI-Anwendungen verändern den Markt

Von Stefan Kuhn

Täglich drängen neue KI-Anwendungen auf den Markt: Textgeneratoren schreiben komplexe Dokumente, Bildgeneratoren zaubern aus einfachen Beschreibungen fotorealistische Grafiken. Intelligente Assistenzsysteme und autonome Roboter erobern nahezu jede Branche.

Im Wettlauf um die KI-Führung liefern sich die USA und China ein intensives Kopf-an-Kopf-Rennen, während Europa versucht aufzuholen. Die Amerikaner und Chinesen investieren jeweils zweistellige Milliardenbeträge – Techkonzerne wie Google, Amazon und Alibaba nutzen ihre Marktmacht für massive KI-Entwicklungen.

KI-Implementierung: Deutsche Firmen scheuen konkrete Umsetzung

Nur 20 Prozent der deutschen Unternehmen setzen laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom KI ein, weitere 37 Prozent planen oder diskutieren den Einsatz derzeit. Vier von zehn Firmen haben KI hingegen noch nicht auf dem Schirm. Viele reden über intelligente Systeme, doch bei der konkreten Umsetzung hapert es. Die Haupthürden für deutsche Unternehmen bei der KI-Implementierung:

  • 88 Prozent scheitern an komplexen Datenschutzfragen
  • 74 Prozent finden keine qualifizierten Fachkräfte für KI-Projekte
  • Jede zweite Firma hat zu wenig Budget für KI-Entwicklungen
  • Fast die Hälfte besitzt unzureichendes KI-Basiswissen

Der CommTech Index Report 2024/25 zeichnet ein ähnliches Bild: Die Schweizer packen an, die Deutschen und Österreicher zögern. Die gesamte DACH-Region hinkt hinter den USA und China her.

Trotzdem gibt es Fortschritte: Die Zahl der KI-nutzenden Firmen hat sich seit 2020 vervierfacht. Vorreiter setzen die Technologie vor allem im Kundendialog ein (86 Prozent), knapp die Hälfte nutzt KI für Marketing und Kommunikation. Produktionsanwendungen (16 Prozent) und Forschungseinsatz (15 Prozent) bleiben hingegen Nischenthemen.

KI-Adoption: Nur 20% der Firmen nutzen KI aktiv, 37% planen den Einsatz, 41% haben sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt. (Bild: Bitkom Research 2024)KI-Adoption: Nur 20% der Firmen nutzen KI aktiv, 37% planen den Einsatz, 41% haben sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt. (Bild: Bitkom Research 2024)

Fördergelder: EU mobilisiert Milliarden für KI-Offensive

Die Bundesregierung poliert ihre KI-Strategie auf und will dafür bis 2030 rund 22 Milliarden Euro in die Hand nehmen – Deutschland und Europa sollen sich zu KI-Hotspots entwickeln. Die Regierung setzt auf mehr Forschung, schnellere Markteinführungen, gezielte Talentförderung und bessere Rahmenbedingungen.

Auch der Aktionsplan für den KI-Kontinent der EU-Kommission formuliert ehrgeizige Ziele: Europa will an die Weltspitze. Die Kernelemente umfassen:

  • Massive Investitionen in europäische Hochleistungs-Supercomputer für rechenintensive KI-Entwicklungen
  • Gezielte Forschungsförderung für zukunftsweisende KI-Technologien mit Fokus auf europäische Stärkefelder
  • Finanzielle Starthilfen für innovative KI-Start-ups durch vereinfachten Zugang zu Risikokapital und Förderprogrammen
  • Klare Regeln für vertrauenswürdige KI-Anwendungen, die ethische Grundsätze als europäisches Qualitätsmerkmal etablieren

Doch der Weg zur Umsetzung ist steinig: Die EU muss nicht nur Milliarden mobilisieren, sondern auch 27 Mitgliedsstaaten koordinieren, eine leistungsfähige Infrastruktur schaffen und Fördergelder effizient einsetzen. Brüsseler Bürokratie und nationale Egoismen könnten diese Mammutaufgabe blockieren.

Auf dem Pariser KI-Gipfel startete die EU zudem die Initiative InvestAI. Das Programm soll 200 Milliarden Euro für KI-Investitionen mobilisieren und einen neuen europäischen Fonds für KI-Gigafabriken mit 20 Milliarden Euro schaffen.

Forschungserfolge: DACH-Region demonstriert Innovationskraft

Trotz des Rückstands glänzt Europa mit herausragenden KI-Innovationen. Die ETH Zürich mischt in der KI-Forschung und Robotik weltweit vorne mit. Das Artificial Intelligence Laboratory der Universität Zürich entwickelte den humanoiden Roboter „Roboy“, der fast wie ein Mensch interagiert. Das Münchener Deeptech-Unternehmen Devanthro nutzt diese Erfahrungen nun für seine Robodies.

Deutsche Industrieriesen treiben ebenfalls KI-Lösungen voran: Siemens, Bosch und SAP entwickeln Systeme für die vorausschauende Wartung von Maschinen. Das österreichische Unternehmen TTTech Auto baut KI-gestützte Fahrassistenzsysteme und kooperiert mit Audi und Daimler.

Die Deutsche Bahn setzt KI im Schienenverkehr ein, um Züge pünktlicher zu machen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum entwickelt Algorithmen zur Tumorerkennung und für personalisierte Therapien. Diese Beispiele zeigen: Europa kann Weltspitze sein – wenn es will.

KI-Forschung: Europäische Wissenschaftler entwickeln trotz Investitionsrückstand gegenüber den USA und China innovative Algorithmen und Anwendungen. (Bild: Imagen 3/stk)KI-Forschung: Europäische Wissenschaftler entwickeln trotz Investitionsrückstand gegenüber den USA und China innovative Algorithmen und Anwendungen. (Bild: Imagen 3/stk)

KI-Start-ups: Europäische Gründer benötigen Kapital

Nicht nur Konzerne, sondern auch Start-ups und Mittelständler mischen im KI-Bereich mit – von cleveren Chatbots über Marketing-Tools bis hin zu smarten Empfehlungssystemen für Online-Shops. In Deutschland haben sich KI-Hotspots wie das Cyber Valley in Baden-Württemberg oder das KI-Netzwerk BAIOSPHERE in Bayern etabliert.

In diesen Zentren finden Start-ups Gleichgesinnte, Investoren und Forschungspartner – ideale Brutstätten für neue KI-Ideen. Auch in der Schweiz und Österreich sprießen KI-Start-ups mit innovativen Konzepten aus dem Boden. Doch die zentrale Herausforderung bleibt die Finanzierung.

2023 flossen laut dem Analysehaus Pitchbook allein im ersten Halbjahr 30,8 Milliarden US-Dollar Risikokapital in US-Start-ups mit KI-Bezug. Europäische Start-ups mussten sich hingegen mit mageren 3,7 Milliarden Dollar begnügen. US-Gründer sammeln Millionenrunden ein, während europäische Start-ups mit Kleinstbeträgen auskommen müssen. Diese Kapitalknappheit bremst das Wachstum und die internationale Expansion – ein struktureller Nachteil im transatlantischen Technologiewettlauf.

Marktführer: USA und China dominieren das KI-Spielfeld

Die KI-Landkarte zeigt Europas Problem deutlich: Die USA und China dominieren das Spielfeld. Im Silicon Valley stecken Techgiganten Milliardenbeträge in ihre KI-Abteilungen, Washington unterstützt sie mit staatlichen Fördertöpfen und einer aggressiven KI-Strategie. IBM, Alphabet (Google), Microsoft und Amazon führen die Patentanmelder im Bereich KI an. Die USA dominieren zudem bei Patenten in Schlüsseltechnologien wie Halbleiter, Virtual Reality, 5G und Software.

Doch auch China drückt aufs Gaspedal, die Patentstatistik spricht Bände: 38.000 Patentanmeldungen für generative KI in zehn Jahren – sechsmal mehr als die USA und über 50-mal mehr als Deutschland. Peking erklärte die KI-Vorherrschaft zum Staatsziel: Bis 2030 will China die USA überholen. Alibaba, Baidu und Tencent investieren Milliarden mit voller Rückendeckung der Staatsführung.

Chinas größter Vorteil: 1,4 Milliarden Menschen liefern riesige Mengen an Trainingsdaten, und Datenschutzbedenken spielen in dem Land kaum eine Rolle. Bei Gesichtserkennung und Überwachungstechnologie liegt das Land bereits vorn – mit allen problematischen Folgen.

Regulierung: Europäische Gesetze prägen ethische KI-Nutzung

Im globalen KI-Wettbewerb zählen nicht nur Investitionen, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Europa setzt auf einen wertebasierten Ansatz mit ethischen Leitplanken – die KI-Verordnung der EU mit strengen Transparenz- und Haftungsregeln ist weltweit einzigartig. Dieser regulatorische Ansatz könnte Europa einerseits Vorteile verschaffen – oder andererseits Innovationen ausbremsen. Europa muss den Spagat zwischen Verbraucherschutz und Innovationsförderung meistern.

Ein weiterer Schlüsselfaktor: Daten als Treibstoff der KI. In China und den USA sind riesige Datenmengen leichter zugänglich, der europäische Datenschutz schränkt den Zugriff hingegen ein – für datenintensive KI-Anwendungen wie Bilderkennung ein klarer Nachteil. Europa braucht Wege, Datenpools zu schaffen und gleichzeitig die Privatsphäre zu schützen.

Auch Fachkräfte entscheiden über die KI-Zukunft. Europa hat exzellente technische Hochschulen und Grundlagenforschung, doch viele Topexperten wandern in die USA oder nach China ab – angelockt von besseren Gehältern und Karrierechancen. Um im „War for KI-Talents“ zu bestehen, muss Europa die Ausbildung verstärken und die Abwanderung stoppen.

KI-Regulierung: Europa setzt auf ethische Leitplanken, während die USA und China weniger restriktive Ansätze verfolgen. (Bild: Imagen 3/stk)KI-Regulierung: Europa setzt auf ethische Leitplanken, während die USA und China weniger restriktive Ansätze verfolgen. (Bild: Imagen 3/stk)

BIP-Wachstum: KI-Technologien versprechen Produktivitätsschub

Deutsche Unternehmen investieren durchaus in KI-Tools: Laut Bitkom-Erhebung zahlen 69 Prozent der aktuellen Anwender für ihre Systeme – bei den Planern sind es sogar 71 Prozent. Die Firmen erwarten konkrete Renditen durch Effizienzsteigerungen.

PwC-Analysten rechnen mit beeindruckenden Wachstumseffekten: Bis 2030 könnte KI das weltweite BIP um bis zu 15,7 Billionen Dollar steigern – das entspricht etwa der Wirtschaftsleistung von China und Indien zusammen. Solche Prognosen verdienen gesunde Skepsis, denn wirtschaftliche Langzeitvorhersagen erweisen sich oft als Luftschlösser.

Für Deutschland sagen Experten ein KI-bedingtes Wirtschaftswachstum von rund 11 Prozent bis 2030 voraus. Diese Schätzung basiert auf Effizienzgewinnen durch KI-Technologien. Die Haupttreiber für diesen Produktivitätsschub:

  • Systeme für vorausschauende Wartung komplexer Industrieanlagen, die Ausfälle reduzieren und Produktionskosten senken
  • Automatisierte Fehlererkennungssysteme in der industriellen Produktion, die Qualitätsmängel frühzeitig identifizieren
  • KI-gestützte Diagnosetools für präzisere Therapien in der Medizin, die Behandlungserfolge verbessern und Kosten reduzieren

Diese drei Technologiebereiche zeigen ein besonders hohes Potenzial für Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen in der deutschen Wirtschaft, wobei vor allem der Mittelstand von standardisierten KI-Lösungen profitieren dürfte.

Gesellschaftswandel: KI transformiert Arbeitswelt und Alltag

KI bringt nicht nur Unternehmen Gewinne ein – sie könnte auch gesellschaftliche Probleme lösen. Zu den vielversprechendsten gesellschaftlichen KI-Anwendungsfelder zählen:

  • Klimaschutz: Forscher nutzen KI-Algorithmen für Unwetterwarnungen und verfeinern ihre Klimamodelle
  • Energiesektor: Netzbetreiber lassen lernfähige Systeme ans Steuer, um den Strom clever zu dirigieren
  • Gesundheitswesen: Assistenzroboter entlasten überlastetes Pflegepersonal in Kliniken und Heimen
  • Mobilität: Die Verkehrsbranche entwickelt autonome Fahrzeuge für einen sichereren und effizienteren Straßenverkehr

Der Realitätscheck zeigt jedoch: Zwischen Forschungsprojekten und marktreifer Anwendung klafft eine große Lücke. Zahlreiche vielversprechende Ansätze stecken in Pilotphasen fest oder scheitern an Regulierungshürden. Bis KI tatsächlich große gesellschaftliche Probleme löst, vergehen noch Jahre.

In der Bevölkerung wächst die Skepsis: Viele Menschen misstrauen der KI-Entwicklung und fürchten Kontrollverlust, Datenmissbrauch und Jobverlust. Diese Ängste haben einen realen Kern. Entwickler und Behörden müssen für faire und transparente KI-Systeme sorgen – ohne Diskriminierung und mit nachvollziehbaren Entscheidungen.

Besonders der Arbeitsmarkt steht vor einem Umbruch. Data Scientists und KI-Spezialisten werden händeringend gesucht, während Routinejobs verschwinden könnten. Die OECD warnt: Bis zu 14 Prozent der Arbeitsplätze in Industrieländern sind hochgradig automatisierbar. Diese Transformation erfordert proaktives Handeln. Menschen brauchen Weiterbildung für die KI-Ära, bevor ihr alter Job wegfällt.

Handlungsempfehlungen: Mittelstand nutzt europäische KI-Stärken

Für mittelständische Unternehmen im DACH-Raum ergeben sich trotz des globalen Rückstands konkrete Chancen im KI-Wettbewerb. Fünf strategische Ansätze zeigen, wie der Mittelstand seine spezifischen Vorteile ausspielen kann:

  • Branchenspezifische Daten monetarisieren: Nutzen Sie Ihre über Jahrzehnte gesammelten Fach- und Prozessdaten als Wettbewerbsvorteil. Ein mittelständischer Maschinenbauer mit 25 Jahren Sensordaten besitzt Trainingsmaterial, das selbst Techgiganten nicht replizieren können. Erschließen Sie diese Datenschätze systematisch und bereiten Sie sie für KI-Anwendungen auf.
  • KI-Funktionen in Bestandsprodukte einbauen: Bestehende Produkte lassen sich oft mit KI-Funktionen aufwerten. Fragen Sie sich dabei: Was bringt dem Kunden echten Mehrwert? Ob schnellere Prozesse oder präzisere Ergebnisse – der Nutzen zählt, nicht die Technologie dahinter. Solche gezielten Verbesserungen kosten häufig weniger als komplette Neuentwicklungen.
  • Mit strategischen Partnern zusammenarbeiten: Suchen Sie sich Verbündete unter anderen Mittelständlern, die Ihr Angebot ergänzen. Nutzen Sie das Know-how von Hochschulen in Ihrer Region und tauschen Sie sich mit spezialisierten KI-Start-ups aus. Die europäischen Digital Innovation Hubs bieten Ihnen gute Plattformen für diese Vernetzung.
  • Regulatorischen Vorsprung nutzen: Die strengen europäischen Datenschutz- und KI-Vorgaben lassen sich durchaus als Vorteil nutzen. Wer Lösungen entwickelt, die diese Standards erfüllen, punktet in sensiblen Bereichen wie Medizin oder Finanzwesen. „Trusted AI – Made in Europe“ kann zum Verkaufsargument werden – besonders dann, wenn Vertrauen zählt.
  • Hybride KI-Teams zusammenstellen: Statt eine isolierte KI-Abteilung zu schaffen, bringen Sie besser Branchenkenner und Technikexperten an einen Tisch. Wenn der Maschinenbauingenieur mit 20 Jahren Erfahrung mit der frisch promovierten KI-Spezialistin zusammenarbeitet, entstehen oft die praktikabelsten Lösungen.

Während die großen Techkonzerne Milliarden in KI-Entwicklung stecken, können mittelständische Unternehmen mit diesen gezielten Ansätzen auch mit begrenzten Ressourcen mithalten. Der Fokus auf Nischenmärkte, strategische Zusammenarbeit und die Nutzung höherer europäischer Standards als Differenzierungsmerkmal bietet echte Chancen im globalen KI-Wettbewerb.

Fazit: Europas Ethikansatz schafft Vertrauensvorsprung

Die KI-Technologien entwickeln sich rasant, während Europa noch nach seinem Platz sucht. Die DACH-Region besitzt zwar Potenzial im internationalen Wettbewerb, nutzt dieses jedoch nur unzureichend. Forschungsministerien müssen höhere Budgets bereitstellen, Universitäten die digitale Infrastruktur ausbauen und Unternehmen attraktivere Bedingungen für Spezialisten schaffen. Der europäische Regulierungsansatz positioniert sich zwischen dem liberalen US-Markt und Chinas staatlich kontrollierter KI-Entwicklung – ein Spagat zwischen Datenschutz und Innovationsförderung.

Die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik bestimmt den europäischen Erfolg im KI-Wettlauf. Der „Aktionsplan für den KI-Kontinent“ der EU markiert den Startpunkt konkreter Maßnahmen, während Unternehmen parallel KI-Potenziale erschließen und neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen. Ob Europa im globalen Technologiewettbewerb eine eigenständige Position behaupten kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen – das Rennen um die Vormachtstellung im KI-Sektor läuft bereits auf Hochtouren.

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