Lügen im Vorstellungsgespräch

Schwindelfreiheit ist kein Kriterium

Von Marzena Sicking, heise resale

In einem Bewerbungsgespräch müssen die Kandidaten nicht immer die Wahrheit sagen. Schönfärberei ist üblich, in manchen Fällen sind sogar handfeste Lügen erlaubt, etwa wenn es um Behinderungen geht. In aller Regel bleibt die Schwindelei aber in einem vernünftigen Rahmen. Denn die Bewerber wissen selbst ganz gut, dass es ihnen am Ende wenig nützt, wenn der Chef in absehbarer Zeit herausfindet, dass man ihn belogen hat – sie können sich ausrechnen, dass sich das sicher auf seine Stimmung und vielleicht auch auf die weitere Karriere auswirken wird.

Ungut wid es, wenn die Bewerber Kompetenzen zusichern, die sie gar nicht besitzen; dann besteht für die Übereifrigen sogar die Gefahr, dass sie den Job wieder verlieren. Für Kandidaten gilt daher: Wägen Sie genau ab, wann Sie mit einer Notlüge und wann mit der Wahrheit besser dran sind! Für Unternehmen gilt: Konzentrieren Sie sich auf geschäftliche Belange und lassen Sie Privates Privates sein.

Ich will mich voll auf die Karriere konzentrieren

Ein Satz, den Arbeitgeber gerne hören. Personalern sitzt bei jungen Bewerbern immer etwas die Angst im Nacken, sie könnten sich schon kurz nach der Probezeit nur noch für die Familienplanung interessieren. Besonders oft werden natürlich Frauen zu diesem Thema befragt. Die meisten Arbeitgeber wollen keine Schwangeren einstellen, für die bald wieder Ersatz gesucht werden muss. Das ist durchaus verständlich, dennoch sind solche Fragen absolut tabu. Werden sie trotzdem gestellt, darf man im Bewerbungsgespräch lügen. Das gilt übrigens auch für Männer: Ob sich der Bewerber vielleicht einen Stall voll Kinder wünscht und sich schon auf die Elternzeit freut, geht den künftigen Chef nichts an.

Zur Entspannung spiele ich am liebsten Schach

Auch welchen Hobbys die Bewerber in ihrer Freizeit nachgehen, muss das Personalbüro nicht erfahren. Falls sich das Unternehmen doch neugierig zeigt, muss es darauf gefasst sein, Märchen aufgetischt zu bekommen. Allerdings können allzu waghalsige Münchhausiaden auch ins Auge gehen: Wer den Helden spielen will und von gefährlichen Hobbys oder recht fordernden Sportarten berichtet, könnte unter Umständen genau deswegen den Job nicht bekommen. Wer will schon einen Mitarbeiter, der ausfällt, weil er sich in seiner Freizeit dauernd verletzt? Andererseits kann es natürlich ein Vorteil sein, wenn man zufällig den gleichen Freizeitaktivitäten nachgeht wie der künftige Chef.

Ich bin katholischer Buddhist

Ob Bewerber katholisch oder evangelisch sind, mit Bäumen raunen oder nachts zu selbst gebastelten Göttern beten, müssen sie beim Vorstellungsgespräch nicht verraten bzw. dürfen ihre wahre Religion und auch ihre politischen Ansichten hinter einer nichtssagenden Beschreibung verstecken.

Ich wollte eine Auszeit zur Neuorientierung

Lücken im Lebenslauf fallen immer auf. Das als beabsichtigte Auszeit, die für eine Fortbildung oder Sinnsuche genutzt wurde, zu verkaufen, kommt natürlich besser als die schnöde Arbeitslosigkeit. Stellenkandidaten können in diesem Punkt der Fantasie freien Lauf lassen. Das gilt auch, wenn sie nach dem Grund für den gewünschten Arbeitgeberwechsel gefragt werden. Darauf muss niemand wahrheitsgemäß antworten, dass er dem alten Chef die Meinung gesagt und kurz darauf gefeuert wurde. „Nach zehn Jahren wird es Zeit für einen Tapetenwechsel“ ist eine ebenso gültige Darstellung. Wichtig ist nur, dass die Geschichte zur Formulierung im Arbeitszeugnis passen muss. Personalchef, die in diesem Punkt Verdacht schöpfen, greifen durchaus zum Hörer und fragen beim alten Arbeitgeber nach.

Der Porsche ist ein Erbstück von Oma

Privates soll prinzipiell privat bleiben. Wenn der Bewerber mit einer Luxuskarosse vorfährt, kann der Personalchef zwar indirekt abklopfen, ob er es überhaupt noch nötig habe zu arbeiten. Er muss aber darauf gefasst sein, dass ihm der Bewerber freundlich lächelnd ins Gesicht lügt. Das darf er nämlich. Denn ob er sein Job nur ausübt, um sich selbst zu verwirklichen, oder ober er die Stelle dringend braucht, weil er mit den Leasing-Raten für die teure Karre schon schwer im Rückstand ist, bleibt ganz allein seine Angelegenheit.

Fazit: Private Fragen sind nicht immer verboten

Das heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, dass das Unternehmen im Einstellungsgespräch gar keine Fragen zur Person stellen dürfte. Auch private Fragen sind nicht in jedem Fall verboten. Sie dürfen gestellt werden, falls es ein berufliches Interesse daran gibt. Eine Bank darf ihre Bewerber sehr wohl fragen, ob sie Schulden haben. Schließlich muss der Arbeitgeber sichergehen, dass die neuen Mitarbeiter für den Job auch tatsächlich geeignet sind und kein Risiko für sein Unternehmen darstellen.

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