Stromversorgung im Rechenzentrum: Was Elektriker für den White­space vorschlagen

Rechenzentren sind so unter­schiedlich wie ihre Betreiber. Das gilt auch für die Strom­versorgung und -verteilung. Doch bei allen sollen die IT-Systeme möglichst energie­effizient und stabil laufen. Neue Techniken ins­besondere für den White­space-Bereich mit der aktiven IT-Technik bringen frischen Wind.

Effizienz und Ausfall­sicherheit im Whitespace

Von Doris Piepenbrink

Große Rechenzentren, etwa im Colocation-Bereich, sichern die Stromversorgung meist direkt an der Einspeisung auf Mittel­spannungs­ebene mit USV-Systemen (unterbrechungs­freie Stromversorgung) ab, die bis in den MVA-Bereich ausgelegt sind. Diese USV mit ihren Batte­riesystemen sind groß und schwer. Sie werden oft schon beim Bau des Gebäudes eingebracht. Solche RZ erhalten in der Regel zwei Einspeisungen von verschiedenen Versorgungs­unternehmen, um die geforderte Redundanz für Tier 1 bzw. für die Verfügbarkeits­klasse 2 oder höher der EN 50600 herzustellen. Dann sichern zwei USV das gesamte RZ ab, die zudem oft mit einem Notstrom­aggregat oder einer anderen Alternativ­versorgung verbunden sind.

Modulare USV für Server­räume

Doch der Mittelstand sichert seine geschäfts­kritischen Rechner- und Speicher­systeme nicht mit zwei über­dimensionierten großen USV ab, sondern zum Beispiel mit modularen drei­phasigen Online-USV. Durch die Skalierbarkeit kann das Redundanzsystem an die jeweils im RZ aktiv laufenden Systeme sowie die aktuelle Verfügbarkeitsklasse angepasst werden. Diese USV ermöglichen eine n+1-Redundanz ähnlich wie RAID-Systeme im Speicherbereich. Außerdem bestückt der RZ-Betreiber sie nur mit so vielen aktiven Power- und Batterie­modulen, wie für den derzeitigen Betrieb notwendig sind. Das erhöht die Energieeffizienz gegenüber fest konfigurierten und entsprechend überdimensionierten USV erheblich. Die Batterien kann der Betreiber bei vielen dieser modularen USV entweder in die USV-Racks integrieren oder in separaten Batterieschränken unterbringen; oft ist auch eine Kombination aus beidem möglich.

Die modulare USV Keor Mod von Legrand ist ein typischer Vertreter dieses Bereichs. Sie kam im Frühjahr 2019 auf den Markt und gewann den iF-Design Award 2019. An ihr lassen sich die wichtigsten Trends in diesem Bereich anschaulich vorführen: Eine moderne USV sollte möglichst energieeffizient arbeiten (hoher Wirkungsgrad) und möglichst wenig von der teuren RZ-Fläche einnehmen. Viele USV bieten heute einen Eco-Betriebsmodus an. Da die Umschaltzeiten moderner USV mittlerweile die Grenzwerte für hochverfügbare Anwendungen deutlich unterschreiten, bietet sich der Betrieb im Eco-Modus auch hier an, um Energie zu sparen. Zudem sollte die USV remote administrierbar sein. Batterietausch und andere Wartungs- und Konfigurationsmaßnahmen sollten möglichst einfach und selbst­erklärend und somit schnell von der Hand gehen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“ als Beilage zur iX erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Die Keor Mod kommt mit einem futuristischen Erscheinungsbild in hellen Farben und hochreflektierenden Oberflächen, was vor Ort die Effizienz der Beleuchtung erhöhen soll. Doch die USV ist vor allem durchdacht konzipiert. Um Platz und Energie zu sparen, hat Legrand bei den 3-Phasen-Leistungsmodulen à 25 kVA alle elektrischen Verbindungen in den Modulen über Kontaktflächen realisiert (strukturierter Energiefluss) und nicht über Kabel, was laut Hersteller zu einer außergewöhnlich hohen Zuverlässigkeit bei minimalem Platzbedarf führt. Ein 25-KVA-Modul beansprucht nur zwei Höheneinheiten (8 cm) in der USV. Laut Hersteller ist es das derzeit kompakteste Modul im Markt. Dabei sind ein statischer, elektromechanischer sowie ein mechanischer Bypass integriert. Die Module sind hot swappable.

Platz- und energiesparend

Die USV selbst benötigt laut Herstellerangaben weniger als einen Quadratmeter Bodenfläche bei geöffneter Tür. Je nach abzusichernder Leistung bestückt der Anwender sie mit den kompakten 3-Phasen-Leistungsmodulen für 25 kVA. Bis zu 24 Module lassen sich parallel schalten und zum Beispiel zu einem n+1 redundanten System konfigurieren. Bedient wird diese USV über einen um 180 Grad drehbaren 10-Zoll-Touchscreen.

Die USV gibt es in zwei Ausstattungsvarianten: mit bis zu fünf 25-kVA-Leistungsmodulen und integrierten Batterien oder mit bis zu zehn Modulen und somit 250 kVA maximaler Gesamtleistung und externen Batterien. Die 125-kVA-Variante mit internen Batterien bietet kritischen IT-Systemen eine Autonomiezeit von bis zu fünf Minuten bei voller Leistung.

Eine Keor Mod erzielt bei Doppelwandlung einen außerordentlich hohen Wirkungsgrad von 96,8 %. Wird die USV im Eco-Mode betrieben, steigt der Wirkungsgrad sogar auf bis zu 99 % mit einem Leistungsfaktor von 1 am Ausgang. Zudem sind die Module mit modernster Chip­technik ausgestattet, was Rechenleistung, Reaktionsgeschwindigkeit und Flexibilität gegenüber herkömmlichen DSP-basierten Steuerungen erheblich steigert.

Der Anwender bedient die USV entweder vor Ort über den Touchscreen oder greift über eine der Schnittstellen (u.a. LAN/SNMP, USB-Host) des Kommunikations­moduls zu. Darüber hinaus lässt sich die USV entweder mit dem kostenfreien UPS Communicator oder der optional erhältlichen UPS Management Software remote überwachen. Bei beiden muss die USV direkt an einen Computer angeschlossen sein. Die UPS Management Software bietet einige Zusatzfunktionen wie einen zeitlich versetzten Shutdown. Alternativ kann die USV auch mit einer Netzwerkkarte ausgestattet werden. Dann lässt sich das Management mit dem RCCMD Shutdown-Client des Herstellers ins Netzwerkmanagementsystem einbinden.

Redundanz nachrüsten

Die Stromverteilung in RZ geht in der Regel vom Mittelspannungsverteiler eines, meist aber zweier Netzanbieter jeweils über getrennte Wege in die verschiedenen Bereiche des RZ zur USV und von dort in die einzelnen IT-Schränke. Für die Energieverteilung dort wird aus Gründen der Redundanz üblicherweise je eine PDU (Power Distribution Unit) pro Versorgungsnetz eingesetzt, die jeweils alle Komponenten eines Racks versorgt.

In RZ ab Verfügbarkeitsklasse 3 nach EN 50600 ist eine redundante Stromversorgung zwingend erforderlich. Will ein Betreiber hier zum Beispiel vorhandene Geräte mit nur einem Netzteil weiterhin betreiben, benötigt er dafür einen Transfer-Switch. Dieser schaltet beim Ausfall des priorisierten Netzes die Versorgung automatisch auf das andere um. Wenn das ausgefallene Netz wieder aktiv ist, schaltet er wieder auf dieses zurück.

Entscheidend ist, dass der Transfer-Switch so schnell umschaltet, dass angeschlossene Verbraucher diese Umschaltung nicht registrieren. Reine Relais-Schalter sind oft zu langsam, schnellere Transferschalter in Halbleitertechnik haben viel Verlustleistung und sind teuer. Es gibt aber auch Hybrid-Transfer-Switches wie den PX3TS von Raritan, der mit Halbleiter­technik schnell schaltet; sobald aber die integrierten Relais geschaltet haben, übernehmen diese die Energieübertragung. So sind keine Lüfter nötig, und die Lösung ist preiswerter als ein Transfer-Switch mit reiner Halbleitertechnik. Ein Transfer-Switch sollte in jedem Fall fernadministrierbar sein.

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Der Raritan Transfer-Switch PX3TS als PDU zum Anschluss von Kom­ponenten mit nur einem Netzteil in einem Schrank mit redundanter Netzversorgung. (Bild: Raritan)

Raritan bietet den Transfer-Switch sogar integriert in einer PDU an. PDUs sind vergleichbar mit Steckdosen­leisten, haben aber C13- und C19-Ausgänge und sind meist fern­administrier­bar. Diese PX3TS verschafft dem Administrator dann einen Überblick über die ange­schlossenen Verbraucher. Sie misst für jeden Anschluss Strom und Spannung an den Ein- und optional auch an den Ausgängen sowie am Leistungs­schutz­schalter. Zudem ermittelt sie die zugehörigen Energieverbräuche. Darüber hinaus speichert das Gerät die AC-Wellenform der letzten Umschaltung.

Je nach gewählter Variante kann der Administrator über das integrierte Web-Interface jeden Ausgang remote schalten, fernkonfigurieren und die Messwerte auslesen. Er erhält Alarm­meldungen, wenn die eingegebenen Grenzwerte unter- oder überschritten werden. Fällt die aktive Zuleitung des Transfer-Switches aber aufgrund eines Kurzschlusses an seinem Aus­gang aus, gibt er nur Alarmmeldungen aus und schaltet nicht um, da sonst die redundante Stromversorgung ebenfalls ausfallen würde. Das verhindert einen Totalausfall. Mit dieser Arbeitsweise ermöglichen die PX3TS-Modelle eine schnelle und effiziente Lokalisierung und Fehlerbehebung auf Rack-Ebene.

High-Density-PDUs mit C13/C19

Brandneu ist eine PDU von Legrand Systems, die mit ihrer zum Patent angemeldeten Aus­gangstechnik HDOT Cx beim renommierten Deutschen Rechenzentrumspreis 2019 den zweiten Platz in der Kategorie „Innovationen im Whitespace“ erzielt hat. Bei diesen intelligenten PDUs sind die dicht aneinander gereihten Anschlussbuchsen universelle Cx-Ausgänge, die sowohl C13- als auch C19-Buchsen darstellen. Sie haben die Baugröße eines C13-Ausgangs, können aber waagrecht und senkrecht ausgerichtete Kontaktstifte aufnehmen und damit sowohl C14- als auch C20-Stecker.

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High Density PDUs von Legrand Systems mit HDOT-Cx-Outlet-Technologie (links) sowie mit herkömmlichen C13- und C19-High-Density-Ausgängen HDOT. (Bild: Legrand Systems)

So müssen RZ-Betreiber bei neuer Hardware, die eine andere Anschlusstechnik als das Vorgängergerät aufweist, nicht die PDU tauschen, was eine Betriebsunterbrechung mit sich bringen würde. Selbst bei modularen PDUs müssten immerhin Module getauscht werden, und der Betreiber müsste diese entsprechend bevorraten. Bei den neuen PDUs mit HDOT-Cx-Ausgängen entfällt beides. Außerdem sind sie kompakter als modulare und preiswerter. Die größeren modularen PDUs wirken sich zudem negativ auf den Kühlstrom und damit auf den Energiebedarf aus, auch die Schränke müssen dafür etwas größer dimensioniert werden. Die High-Densitiy-HDOT-Cx-PDUs sparen also Platz, Energie und Kosten. Zudem können Colocation-Anbieter damit die rackbasierte Stromversorgung in ihren Rechenzentren ohne viel Aufwand standardisieren.

Messungen fürs Energie­management

Intelligente PDUs wie die von Legrand oder der PX3-Serie von Raritan bieten oft vielfältige Funktionen. So können damit alle von der EN 50600 2-2 geforderten Kenngrößen zur Energieversorgung überwacht werden: Leistungsfaktor, Strom, Ausgangs­spannung, Neutral­leiter, Scheinleistung sowie Verbrauch in kWh. Zudem werden die Ausgänge, Abzweig­leitungen und der PDU-Eingang überwacht. Selbst RCM-Module (Residual Current Monitor) zur Differenzstrommessung sind dafür erhältlich. Sie eignen sich somit auch für hoch­effiziente RZ, bei denen die Verbrauchs­werte gemäß EN 50600-2-2:2014 mit Granularitäts­niveau 3 von der Hauptverteilerebene bis zum Endverbraucher überwacht werden müssen, damit Lasten und Verbraucher eindeutig zugeordnet werden können. So können zum Beispiel die Verbrauchswerte von in IT-Schränken integrierten Kühlaggregaten der Kühlung zugeordnet werden und fließen nicht in die IT-Verbrauchsbilanz ein.

Die programmierbaren PX3-PDUs von Raritan verfügen zudem über einen Sensor-Port. Über ihn lassen sich zum Beispiel Sensoren anschließen, die Temperatur- und Feuchte, den Luft­strom, den Differenzluftdruck oder auch Vibrationen messen. Selbst ein Asset-Management-System kann über die PDU angebunden werden.

Die Zustands- und Messdaten der PDUs werden in der Power-Management-Software Power IQ von Sunbird oder in einer anderen Monitoring- bzw. DCIM-Lösung (Data Center Infra­structure Management) weiter verarbeitet. Hierzu unterstützen sie offene Standards wie SNMP und Modbus. Die PDUs lassen sich remote konfigurieren und administrieren. Dazu stehen neben einer seriellen auch LAN-Schnittstellen sowie USB-Ports für WLAN-Adapter zur Verfügung. Zudem sind Apps für Android und Apple iOS verfügbar. Die Lösung unter­stützt IPv4 und Ipv6.

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