Soziale Netzwerke für Kommunen und Behörden: Wer über Kommunen auf Facebook bestimmt

So manche Kommune realisiert zu spät, dass sie bereits auf Facebook vertreten ist. Besondere Interessengruppen, eigene Mitarbeiter in ihrer Freizeit oder teils sehr merkwürdige Fans bringen auch ahnungslose Behörden ins Social Web. Es ist höchste Zeit, mit eigener Kompetenz das Steuer zu übernehmen.

Orte sind automatisch auf Facebook

Von Sabine Philipp

Soziale Netzwerke werden für Kommunen und Städte immer interessanter. So hat eine aktuelle Untersuchung an der Stuttgarter Hochschule der Medien ergeben, dass 48 % der untersuchten 92 großen Kreisstädte in Baden-Württemberg bereits einen Facebook-Auftritt haben. Das Engagement hat durchaus Vorteile für Behörden.

Soziale Netzwerke können ein wertvolles Instrument sein, um mit den Bürgern in Kontakt zu treten, um Meinungsbilder zu erstellen, Statements zu liefern, Fragen zu beantworten, Informationen weiterzugeben und um Gerüchte zu widerlegen. Viele Bürger nutzen das Social Web im Gegenzug, um sich aktiv einzubringen, ihre Meinung zu äußern, aber auch, um sich über Öffnungszeiten, Angebote etc. zu informieren.

Eines stellt Dr. Andreas Lischka, Gründer und Geschäftsführer der auf E-Wissensvermittlung spezialisierten Ingenium GmbH, aber von vorneherein klar: „Mit Social Media lassen sich weder Geld noch Ressourcen einsparen.“ Im Gegenteil. Denn mit der Anmeldung allein ist es längst nicht getan: „Der Auftritt muss gepflegt werden.“ Außerdem sei es wichtig, für jedes soziale Netzwerk ein eigenes Konzept zu entwickeln, das die Ziele festlegt.

Darüber hinaus muss die Kommune unbedingt einen festen Mitarbeiter benennen, der in der Materie gut verwurzelt ist. In dieser Hinsicht sieht es vielerorts eher schlecht aus, nicht nur bei Behören. Eine techconsult-Studie im Auftrag des BITKOM („Social Media in deutschen Unternehmen“) zeigte, dass nur 41 % der kleinen und mittleren Unternehmen, die Social Media nutzen, Mitarbeiter haben, die die Aktivitäten im Social Web steuern (bei den Großunternehmen sind es 86 %). Das kann sich am Ende als fatal erweisen. Denn auf den Posting-Plattformen weht mitunter ein rauer Wind.

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Dr. Andreas Lischka ist Gründer und Geschäftsführer der Ingenium GmbH. Der Wirtschaftswissenschaftler ist Experte für E-Learning und Wissensmanagement sowie Buchautor und Lehrbeauftragter an der Universität Kassel, an der Freien Universität Berlin und an der Fachhochschule Köln.

In der Online-Auseinandersetzung

Wer sich in sozialen Netzwerken engagiert, muss jederzeit mit negativer Kritik rechnen. Das Schreckensszenario ist der sogenannte Shitstorm: Ein kleiner Anlass genügt, um binnen Stunden einen Ansturm negativer Posts zu provozieren, in dem sich der geballte Frust der Nutzer entlädt. Was können Behörden in diesem Fall tun?

„Grundsätzlich ist es schlecht, wenn man die Kritik ignoriert“, betont Peter Burghardt, Managing Director der techconsult GmbH und Verfasser der genannten Studie. „Oft sind die Leute falsch informiert. Hier ist es am besten, die Situation sofort klarzustellen.“ Ebenso sollte man berechtigte Kritik aufgreifen. Burghardt nennt hier das Beispiel von Aldi UK: „Der Shitstorm konzentrierte sich darauf, dass es im Geschäft keine Körbchen gab, sondern nur Wagen. Aldi hat die Kritik angenommen, Körbchen eingeführt und das dann wieder über die Social-Media-Kanäle kommuniziert.“

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Peter Burghardt ist Managing Director und Mitgründer der techconsult GmbH. Schwer­punkte des Wirtschafts­wissen­schaftlers sind u.a. die Analyse des ITK-Mittel­stands­marktes, die Ent­wicklung von Go-to-Market-Konzepten für ITK-Anbieter, ITK Services sowie Social Media. Er ist Leiter des Forums Markt­trends beim BITKOM und Autor zahlreicher Studien und Veröffent­lichungen zum ITK-Markt.

Regeln einführen, Mitarbeiter briefen

Unternehmen und Behörden empfiehlt Burghardt darum die Erstellung von durchdachten Social-Media-Guidelines. „Sie enthalten Richtlinien, die besagen, wie die Mitarbeiter in sozialen Netzwerken agieren sollen, was sie kommunizieren dürfen und was nicht.“ Das gilt sowohl im Beruf als auch in der Freizeit. Denn Beschäftigte in Ämtern oder Staatsunternehmen, die sich privat allzu offenherzig über interne Angelegenheiten äußern, können zum Problemfall werden (wie im Fall des Lokführers, der twitternd über seine Kollegen lästerte, während der Zug stundenlang in einem Tunnel festsaß).

Ebenfalls problematisch wird es, wenn sogenannte Facebook-Freunde die Behördenmitarbeiter in deren Freizeit zu internen Angelegenheiten befragen oder in Amtsangelegenheiten kontaktieren.

Ein Test prüft Social Wissen

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E-Learning bietet sich gerade für Behörden an. Behördenmitarbeiter haben eine hohe PC-Kompetenz“, argumentiert Dr. Lischka. Zudem seien solche Konzepte sehr flexibel und günstiger als Seminare. Aus Sicht des E-Learning-Spezialisten sind die Lerninhalte, ihre didaktische Aufbereitung und eine Suchfunktion, damit man den Kurs nach Beendigung auch als Nachschlagewerk nutzen kann, die entscheidenden Punkte bei der Auswahl. „Wichtig sind auch ständige Updates“, ergänzt Burghardt, der den Programmkurs Social Media Licence mitentwickelt hat.
Auch nach bestandenem Kurs sollten die Teilnehmer ständig über Neuerungen informiert bleiben. Denn gerade im Bereich der sozialen Medien könne sich die Rechtslage ständig ändern. Wie Burghardt außerdem betont, sollte am Ende eine Wissensprüfung auf dem Plan stehen; wer sie nicht besteht, muss sie eben wiederholen. Auf diese Weise ist die Behörde haftungsrechtlich auf der sicheren Seite, denn „so hat der Arbeitgeber im Fall des Falles eine Bestätigung, dass der Mitarbeiter aufgeklärt wurde“. Bei Wiederholern rät Burghardt sogar, jeweils neue Fragen zu stellen. „Sonst besteht die Gefahr, dass der Prüfling die Antworten auswendig lernt. Und damit ist niemandem gedient.“

Einerseits darf man die Mitarbeiter in solchen Situationen nicht alleine lassen. Andererseits sind sich viele Behördenmitarbeiter nicht bewusst, dass sie auch privat ihren Arbeitgeber repräsentieren und dass sie sich in einem öffentlichen Bereich befinden. „Wenn wir Kommunen unsere Dienstleistungen zu sozialen Netzwerken anbieten, bekommen wir häufig die Antwort, dass sie diese noch nicht einsetzen“, sagt Burghardt dazu. „Aber sie sind trotzdem betroffen. Ihre Mitarbeiter sind mit großer Wahrscheinlichkeit schon privat auf sozialen Netzwerken aktiv.“

Fazit: Besser selbstbestimmt netzwerken

Letztlich gibt es also kein Entkommen. So wie sich Unternehmen auch ohne eigenes Zutun mit einem Google-Maps-Eintrag im Web wiederfinden, so sind Behörden und Kommunen in den neuen Kanälen präsent, ob sie wollen oder nicht. Die Frage ist lediglich, ob man dieses Erscheinungsbild der Willkür einzelner überlassen mag. Sicher nicht. Es ist daher unbedingt ratsam, die Mitarbeiter beizeiten zu briefen und klare Guidelines einzuführen. Für die Praxis empfehlen Burghardt und Lischka den Einsatz spezieller Lerntools.

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