Kundennutzen im Service

Nur Kunden machen Markterfolge

Von Dr. Jochen Schauenburg und Dirk Zimmermann (X [iks])

Der Markt für Serviceleistungen unterliegt gegenwärtig einem dramatischen Wandel. Was gestern begeistert hat, ist heute Normalität. Die Schwelle zur Kundenzufriedenheit liegt immer höher. Aber nur zufriedene Kunden kommen wieder. Standardisierte Angebotskonzepte im Service können deshalb kaum noch überzeugen. Kunden erwarten vielmehr maßgeschneiderte Lösungen, die im Sinne der Dauer, Intensität und Reife der Beziehung einen passgenauen Nutzen bieten.

Diese Schlüsselforderungen prägen mit zunehmender Intensität den Servicemarkt:

  • Persönlichkeit,
  • Individualität,
  • Beziehung,
  • Vertrauen,
  • Mehrwert,
  • Erlebnis und
  • Sinn.

Als Verbraucher und Kunden begrüßen wir natürlich die damit verbundenen Qualitätsgewinne. Als Anbieter hingegen sind wir ständig gefordert, mitzuhalten. Ohne systematische Analyse und stetiges Anpassen läuft man schnell Gefahr, gegenüber dem Wettbewerb in Hintertreffen zu geraten. Individuelle und vielfach innovative Servicekonzepte sind eine dauerhafte Herausforderung.

Die Frage ist: Gibt es eine verlässliche Informationsquelle für die Wettbewerbsstärke des eigenen Angebotes?

Die zentrale Orientierungsgröße

Ja, die gibt es: Das ist der Kundennutzen unserer Serviceleistungen. Damit verbinden sich folgende Überlegungen:

  • Unter normalen Bedingungen kann ein Kunde nicht gezwungen werden, das Angebot eines Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Er kann nur über einen überragenden Nutzen davon überzeugt werden.
  • „Ein Kunde entscheidet sich unter Wettbewerbsbedingungen stets für den Anbieter, der ihm den höchsten, von ihm tatsächlich wahrgenommenen Nutzen bietet.“ Dieses Gesetz beschreibt den Kundennutzen. Es ist universell und gilt uneingeschränkt für jeden Verkaufsprozess. Und natürlich auch für Serviceleistungen.
  • Da Kunden „kompensatorisch“ denken, sind sie gerne bereit, Nachteile – z.B. bei Preisen, einigen technischen Merkmalen oder Ähnlichem – in Kauf zu nehmen, wenn der Einsatz ihres Produktes von einen ausgezeichneten Service unterstützt wird. Das gilt insbesondere in B2B-Märkten.

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Ein Kunde ent­scheidet sich unter Wett­bewerbs­bedingungen stets für den An­bieter, der ihm den höchsten, von ihm tat­sächlich wahr­ge­nom­menen Nutzen bietet. (Bild: X [iks])

Der Kundennutzen ist somit eindeutig die zentrale Orientierungsgröße für erfolgreiche Serviceangebote. Er erlaubt es, zukünftige Markterfolgspotenziale einzuschätzen. Kenichi Ohmae, der ehemalige Leiter von McKinsey Japan, sagt hierzu sehr prägnant: „Oberstes Gebot jeden marktorientierten Handelns ist es, Kundennutzen zu schaffen.“

Es gilt, den Kaufentscheidungsprozeß eines Servicekunden so genau wie möglich zu verstehen. Das heißt, alle Einflüsse, hart und weich, zu erheben, die den Kaufentscheid beeinflussen. Je genauer und umfassender man diese kennt, umso mehr Möglichkeiten stehen zur Verfügung, den eigenen Serviceerfolg zu gestalten.

Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem relativen Kundennutzen des eigenen Angebotes und den Marktanteilen, die erzielt werden können. (Der relative Kundennutzen ist der Kundennutzen eines Angebotes, bezogen auf den des besten Anbieters.) Das heißt: überragende Kundennutzenwerte generieren auch überragende Marktanteile – und umgekehrt.

Der Kundennutzen ist somit eine direkte Kennzahl für die Wettbewerbsstärke eines Serviceanbieters. Er ist in der Tat die wichtigste Informationsquelle für eine präzise Kenntnis der tatsächlichen Kundenbedürfnisse.

Lösungen und Ergebnisse im Service haben ausnahmslos den Kunden im Fokus und nicht das eigene Unternehmen. Es geht darum, kompromisslos die Nutzenwahrnehmung des Kunden zu verstehen.

Wichtig ist, was entscheidet
Es gilt: Auch subjektive Ansichten sind Realitäten, da es ja das Ziel ist, alle Einflüsse auf eine Kaufentscheidung zu erfassen. Wenn z.B. ein Servicemitarbeiter einem Kunden unsympathisch ist und der sich deshalb für einen anderen Anbieter entscheidet, muss das von der Analyse erfasst werden.

Analyse und Gewichtung

Mit der Methodik der Kundennutzenanalyse läßt sich der Kundennutzen im Service in einer bisher nicht gekannten Genauigkeit bestimmen. Sie sorgt mit ihren methodischen Vorgaben dafür, dass im weitesten Sinne alle Einflussgrößen auf eine Kaufentscheidung sicher erfasst werden.

Die Kundennutzenanalyse hilft Unternehmen, dafür einen klaren Blick zu bekommen. Je genauer man den Kundennutzen aller Anbieter in einem Markt kennt, umso präziser kann man seine eigenen Markterfolgspotenziale aktivieren. Folgende Bereiche geben Aufschluss darüber, wie hoch der Kundennutzen tatsächlich ist:

Leistungsportfolio

Es umfasst alle Einflußgrößen, die direkt auf den Kaufentscheidungsprozess eines Kunden wirken. Neben den „harten“ technischen, kommerziellen und operationellen Gesichtspunkten kommen mitunter auch „weiche“ Gesichtspunkte, wie „symbolischer Nutzen“ und „gesellschaftlicher Nutzen“ zur Geltung.

Wie stark diese Größen wirken ist, je nach Branche, sehr unterschiedlich. In einer typischen B2B-Branche wie z.B. dem Anlagenbau steht ganz eindeutig der sehr rationale Gebrauchsnutzen im Vordergrund, wohingegen in B2C-Branchen, wie z.B. bei Pkw, der Mode, im Tourismus, Computerspielen und dergleichen mehr, auch der symbolische und sogar der gesellschaftliche Nutzen mitunter eine sehr große Rolle spielen können. (Das wichtigste Merkmal von Konsumgütermärkten ist, dass Kaufentscheidungen in der Regel von Einzelpersonen, nämlich den Endkunden, getroffen werden.)

Die Schwere der Einflüsse wird über so genannte Gewichtungsfaktoren beschrieben. So hat praktisch jede Branche ihr typisches Set von Gewichtungsfaktoren.

Marktposition

Dieser Bereich wird in der Regel stark unterschätzt. Die Marktposition eines Serviceanbieters umfasst unternehmensrelevante Einflussgrößen wie z.B. Marke, Referenzen, Kundenbeziehungen, Kommunikation und dergleichen mehr. Es kommt erstaunlich oft vor, daß sich ein Kunde für ein vergleichsweise schlechtes Leistungspaket entscheidet, wenn es von einer starken Marktposition getragen wird. Insbesondere in B2C-Branchen kann die Marktposition eines Anbieters eine Kaufentscheidung sehr oft mit mehr als 50 % beeinflussen.

Maßnahmen ergreifen

Ist eine Kundennutzenanalyse einmal erstellt worden, gibt es in der Regel Handlungsbedarf, weil Defizite in der eigenen Wettbewerbsstärke aufgedeckt werden, weil Bedrohungen sichtbar geworden sind, die die zukünftige Marktposition gefährden und dergleichen mehr.

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Handlungs­empfeh­lun­gen zur Ver­bes­se­rung der Service­quali­tät eines Klini­kum-Komfort­services (Bild: X [iks])

Es werden dabei Prozessschritte zur Verfügung gestellt, die es erlauben, aus der Ist-Analyse ein Paket von Handlungsempfehlungen (einen so genannten Marketing-Mix) zu entwickeln, die nicht nur sagen, wo etwas getan werden muss, sondern auch, wie viel.

Es kann zudem in Hinblick auf Kosten und zeitliche Wirksamkeit optimiert werden. Damit werden auch präzise Informationen über die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsstärke geliefert – im Abbildungsbeispiel ist das die Verbesserung des Kundennutzens (blau) um 16 %.

Es sei ferner angemerkt, dass es sich hierbei praktisch um einen Katalog von Teilzielen handelt, der kompromisslos aus Sicht des Kunden entstanden ist. Die einzelnen Maßnahmen werden anschließend in Form von Einzelprojekten umgesetzt. Es ist immer erstrebenswert, das gesamte Paket synchron umzusetzen, da damit hochinteressante Synergieeffekte zwischen den einzelnen Maßnahmen erzielt werden können.

In der Praxis umgesetzt

Medizin

Das Klinikum Friedrichshafen hat eine KOMFORTplus-Station in Betrieb genommen, in der Serviceassistenten die Betreuung der Patienten übernehmen. Die ausgebildeten Hotelfachkräfte kümmern sich um Atmosphäre und Ambiente, begleiten die Patienten in die Zimmer, erklären das Haus, das Zentrum, die Technik im Zimmer oder auch die organisatorischen Abläufe im Krankenhaus der Zentralversorgung. Die Aufgaben der Service-Assistenten sind vielfältig: Sie sorgen für die Tasse Kaffee am Nachmittag, versorgen Blumen mit frischem Wasser und kümmern sich um „Rundherum-Behaglichkeit“.

Zeitarbeit

Das Unternehmen Randstad bietet Kunden auf seiner Internet-Seite (www.randstad.de) einen Zugang zu seiner Jobbörse. Im so genannten Kundencockpit können Firmen nun selbständig Stellenanzeigen schalten, den Bewerberrücklauf eigenverantwortlich bearbeiten und verwalten sowie eine eigene Unternehmensdarstellung veröffentlichen. Die Nutzung der Stellenbörse sowie der Bewerberrücklauf sind kostenlos.

Jobsuchende und Bewerber sehen die Stellenangebote und die Eigendarstellung des schaltenden Unternehmens online und bewerben sich bei Interesse direkt. Die Verwaltung des Bewerberrücklaufs sowie das Personalauswahlverfahren übernimmt das Unternehmen selbst.

Freizeit

Das Mandarin Oriental in München offeriert speziell an Kunst interessierten Gästen einen neuen Service auf Honorarbasis: Eine Kunstexpertin steht den Gästen auf Wunsch für „personal-art-shopping“ bzw. für individuelle Insider-Führungen in Münchens angesagtesten Galerien und Museen sowie für Besuche in Künstlerateliers und Münchener Privatsammlungen zur Verfügung.

Bildung

Der Bildungsmarkt entwickelt sich von einem Monopol zu einem Wettbewerbssystem, und ein Professor an der Uni Hohenheim will mit gutem Beispiel vorangehen und sich den veränderten Bedingungen am Bildungsmarkt stellen. Garantiert werden persönliche Feedback-Gespräche nach jedem Seminar, Diplomarbeitskorrekturen in vier Wochen und schnelle Antworten auf Studentenfragen. Sämtliche Veranstaltungsevaluationen sollen am Schwarzen Brett ausgehängt und jede E-Mail von Studenten binnen 24 Stunden beantwortet werden. Ein Beirat aus fünf Studenten kontrolliert, dass keine Beschwerden übersehen werden.

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Dirk Zimmermann ist Direktor des X [iks] Institut für Kommunikation und ServiceDesign beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung von zukunftsfähigem Service und der Gestaltung kundengerechter Kommunikation. Seine Spezialgebiete sind die Entwicklung nachhaltiger Servicestrategien, die Gestaltung innovativer Serviceprodukte, der Aufbau eines erfolgreichen Servicemarketings sowie die Sicherung einer exzellenten Serviceperformance.

Er hat zahlreiche Studien, Umfragen, Fachbeiträge und andere Publikationen veröffentlicht und ist zudem Autor der Bücher „Faktor Service – Was Kunden wirklich brauchen“, „Service erfolgreich machen“, „Service besser kommunizieren“ sowie Co-Autor des Praxis-Lexikons eBusiness.


X [iks] Institut für Kommunikation und ServiceDesign, Wilhelm-Kuhr-Straße 87b, 13187 Berlin, Tel.: 030-41719296, office@dieserviceforscher.de, www.dieserviceforscher.de

Fazit: Von hier aus weiterdenken

Eine einmal so erstellte Kundennutzenanalyse für den Service kann in der Folge Basis für eine Fülle weiterer Erkenntnisse sein:

  • Die Markterfolgspotenziale des eigenen Gesamtangebotes können zuverlässig eingeschätzt werden.
  • Eine kundennutzenorientierte Preisanalyse erlaubt es, eventuelle Preiserhöhungspotenziale auszuloten.
  • Ein einmal ermittelter Kundennutzen ist Basis für Reihenuntersuchungen in Form von Zeitreihen, Leistungs- und Marktvergleichen, Risikoanalysen, Controlling-Aktivitäten und dergleichen mehr.

Ale Erkenntnisse dieser Untersuchungen eignen sich als direkte Eingaben in entsprechende strategische Planungen.

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