Und das Geschäft kann weiterlaufen
Von Robert Buchalik, Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte Steuerberater
Mehr als zehn Jahre nach Einführung der neuen Insolvenzordnung (InsO) erlangt das Insolvenzplanverfahren erst allmählich an Bedeutung in der Insolvenzpraxis. 2008 belief sich die Zahl auf nur 640 Insolvenzpläne bei fast 30.000 Insolvenzverfahren. Zu wenig, so die Bundesregierung, die mit dem neuen Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) neue Maßstäbe setzt.
Mit dem am 1. März 2012 in Kraft getretenen ESUG werden Sanierungen noch einfacher, effektiver und schneller. Insbesondere kommt es zu einer Stärkung der Eigenverwaltung. Allerdings ist der Öffentlichkeit nicht bewusst, welche Möglichkeiten sich durch die Kombination von Planinsolvenz und Eigenverwaltung vor allem für mittelständische Unternehmen bieten. Das Verfahren funktioniert meist selbst dann, wenn sich das Unternehmen aus Sicht der Beteiligten in einer ausweglosen Situation befindet.
Sanierung bleibt Kernziel
Mit den Änderungen durch das ESUG beseitigt der Gesetzgeber bisher bestehende Sanierungshindernisse der Insolvenzordnung. Das sind
- der geringe Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters,
- die mangelnde Möglichkeit einer Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte (Debt Equity Swap),
- die zu umfangreichen Blockademittel einzelner Gläubiger und
- die zu geringe praktische Bedeutung der Eigenverwaltung.
Mit der Eigenverwaltung wird das Eigenkapital erfolgreich durch den Insolvenzplan wiederhergestellt, ohne dass Kapital von außen zugeführt werden muss. Im Verfahren wird ausreichend Liquidität z.B. durch Insolvenzgeld und Nichtrückführung ungesicherter Altverbindlichkeiten generiert, so dass zusätzliche Gesellschaftermittel oder Bankkredite nicht erforderlich werden. Mit einem begleitenden Sanierungskonzept sind die Unternehmen schnell wieder profitabel und die Gesellschafter dürfen ihre Anteile behalten.
Die Eigenverwaltung wird grundsätzlich mit einem Insolvenzplan kombiniert. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, einen Sanierungsversuch unter dem Schutz eines geordneten Insolvenzverfahrens so frühzeitig zu beginnen, dass sich die Sanierungschancen deutlich erhöhen. Der Insolvenzplan dient dazu, das Unternehmen auch über Forderungsverzichte zu sanieren. Selbst Verzichtsquoten von bis zu 95 % sind möglich. Die Eigenkapitalquote verbessert sich oft um über 50 %.
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.
Aus eigener Kraft, ohne Aufsehen
Im Insolvenzverfahren geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in aller Regel vom Geschäftsführer auf den Insolvenzverwalter über. Bei der Eigenverwaltung besteht hingegen die Besonderheit, dass der Schuldner Herr des Verfahrens bleibt, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen grundsätzlich behält und ihm nur ein sogenannter Sachwalter von Amts wegen begleitend zur Seite gestellt wird. Das laufende Geschäft, inklusiv der Kontoführung, liegt anders als in einem normalen Verfahren ausschließlich bei der Altgeschäftsführung. Die Sachkunde der alten Geschäftsführung steht dem Unternehmen uneingeschränkt zur Verfügung.
Die Wirkung der Anordnung der Eigenverwaltung nach außen ist durchschlagend. Mit der Mitteilung der Anordnung ist in der Wahrnehmung des Kunden das Insolvenzverfahren praktisch beendet. Häufig werden vom Lieferanten ohne Aufforderung alte Zahlungsziele wieder eingeräumt. Gleichzeitig wird der Insolvenzplan vom Unternehmen fertiggestellt und zügig zur Bestätigung gebracht. Mit der Planbestätigung ist das Verfahren endgültig beendet: Allerdings muss der Plan noch erfüllt werden. Die Erfüllung wird vom Sachwalter überwacht.
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.
Antrag und Anforderungen
Der Schuldner muss die Eigenverwaltung beantragen. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit gleichzeitiger Anordnung der Eigenverwaltung hat allerdings nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn
- das Gericht vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes überzeugt werden kann
- und ausreichend Masse vorhanden ist, um das Verfahren eröffnen zu können.
Der Antrag soll vom Gericht nur noch dann abgelehnt werden können, wenn konkrete Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Spricht sich ein vorläufiger Gläubigerausschuss einstimmig für die Anordnung der Eigenverwaltung aus, muss das Gericht unterstellen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.
Mit dieser Anforderung will der Gesetzgeber verhindern, dass das Verfahren der Eigenverwaltung zum Nachteil der Gläubiger missbraucht wird. Deshalb wird das Gericht den Antrag immer sehr sorgfältig prüfen und stets den vorläufigen Insolvenzverwalter mit einbinden. Nur wenn dieser dem Verfahren zustimmt, ist die Anordnung wahrscheinlich. Wenn das Insolvenzplanverfahren aber eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet ist, so ist dies eine echte Chance für den Fortbestand des insolventen Unternehmens.
Die Erfolgsaussichten steigen zudem, wenn das Verfahren professionell vorbereitet wird. Ein, soweit wie in diesem Verfahrensstand möglich, fertiggestellter Insolvenzplan und ein sorgfältig formulierter Antrag auf Eigenverwaltung gehören ebenso dazu wie ein ausgefeiltes Sanierungskonzept und eine durchdachte integrierte Business-Planung.
Von noch größerer Bedeutung ist die professionelle Begleitung durch das Verfahren, um zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen, dass es keine unkontrollierte Eigendynamik entfaltet. Ohne tief greifende insolvenzrechtliche Kenntnisse und viel Erfahrung seitens des Beraters mit diesem Verfahren, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Erfolg führen. Insbesondere der vorläufige Verwalter wird sich dann nicht „die Butter vom Brot nehmen“ lassen und auf ein eröffnetes Verfahren ohne Eigenverwaltung abzielen.
Schwarz auf Weiß
Eine praktische Darstellung zum Thema Insolvenz im Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Fallstudie einer Insolvenz“, den Sie online im Zeitschriftenkiosk des MittelstandsWiki bekommen.
Fazit: Eine zweite Chance für das Unternehmen
Mit dem neuen Gesetz ist es für das Management einer Gesellschaft einfacher, eine Sanierung im Insolvenzverfahren weitgehend selbst zu steuern. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass die Steuerung eines solchen Verfahrens nicht durch den Schuldner allein erfolgen kann. Ihm fehlt das insolvenzrechtliche Know-how für die Durchführung und Steuerung eines solchen Verfahrens.
Die Anforderungen an einen solchen komplexen Prozess sind auch nach der Gesetzesänderung enorm hoch. Mit erfahrener Begleitung steigen die Überlebenschancen aber deutlich. Um sicherzustellen, dass der ausgewählte Berater über die notwendige Kompetenz verfügt, sollte sich das Management vom Berater überzeugende Referenzen vorlegen lassen. Dazu sollte er zulassen, dass das Management von Unternehmen befragt werden darf, bei denen er erfolgreich eine Sanierung mit Insolvenzplan und Eigenverwaltung durchgeführt hat. Insolvenzrechtliches Know-how alleine genügt jedenfalls nicht.
Rechtsanwalt Robert Buchalik ist seit 1997 Gesellschafter der auf betriebswirtschaftliche Sanierungen in der Krise spezialisierten Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung, Düsseldorf, sowie seit 2003 Partner der Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte Steuerberater, Düsseldorf/Frankfurt. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der Erstellung betriebswirtschaftlicher Sanierungskonzepte, in der Sanierung durch Insolvenz, insbesondere im Rahmen von Insolvenzplänen und Eigenverwaltungen, im Insolvenzrecht und Bankrecht, in der Moderation von Bankenpools, Lieferantenpools und in der aktiven Durchführung von Treuhandschaften. Von 1982 bis 1997 war Robert Buchalik zuletzt als Direktor bei der Deutschen Bank in München bayernweit zuständig für die Bereiche Unternehmenssanierung, Kreditabwicklung und Kreditbesicherung. Von 1997 bis 2002 war er Seniorpartner der auf Insolvenzverwaltungen spezialisierten Sozietät Metzeler/van Betteray/Buchalik.
Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte Steuerberater, Prinzenallee 15, 40549 Düsseldorf, Tel. 0211-828977-0, Fax 0211-828977-111, robert.buchalik@buchalik-broemmekamp.de, www.buchalik-broemmekamp.de