Retrodigitalisierung: Wer seine Archivbestände digital zugänglich macht

Zahllose Unternehmen sitzen auf umfangreichem Archivmaterial, in dem sich meist kaum jemand auskennt. Das ist vor allem dann fatal, wenn die Informationen noch gebraucht werden. Outsourcing-Dienstleister für Scannen und Digitalisierung können die Papiere zuverlässig auf dem Bildschirm verfügbar machen.

Neuer Antrieb aus dem elektronischen Archiv

Von Martin Echt, Cocq Datendienst GmbH

Das Hamburger Traditionsunternehmen Jastram GmbH & Co. KG ist ein international tätiger Hersteller von Anlagen und Zubehör für den Schiffbau. Seine Produkte zeichnen sich durch Qualität und ganz besondere Langlebigkeit aus. Immer wieder kommt es darum vor, dass Reedereien oder Schiffsbesitzer bei Jastram anrufen, weil sie ein Einzelteil ersetzen oder reparieren lassen wollen – auch noch 50 Jahre nach dem Erwerb. Die meisten Anlagen passt der Hersteller zudem noch auf die individuellen Anforderungen seiner Kunden im jeweiligen Schiff an. Dann brauchen die Konstrukteure verlässlichen Zugriff auf die alten Zeichnungen.

Stapelweise historische Konstruktionspläne

Der Ruderpropeller KPM 300 ist so ein Klassiker im Sortiment der Hamburger Motorenfabrik Carl Jastram. Seine 84 Bauteile sind sauber aufgelistet in einer Stückliste, auf der handschriftlich noch das Erstellungsdatum notiert ist: 9. August 1968. Vergilbtes Papier und Maschinenschrift zeugen vom historischen Wert des Dokuments.

Anfassen müssen die Konstrukteure bei Jastram es allerdings nicht mehr – sie können es komfortabel und standortunabhängig auf dem Bildschirm betrachten. Denn nachdem die Pläne und Zeichnungen der Produkte der Motorenfabrik jahrzehntelang in sperrigen Holzrolloschränken aufbewahrt worden waren, hat sie das Unternehmen vor einigen Jahren einscannen lassen und greift nun nur noch digital darauf zu. Nach den Plänen und Zeichnungen wurden gleich noch weitere Geschäftsunterlagen digitalisiert.

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Die Jastram GmbH & Co. KG Hamburg ist ein international tätiger Hersteller von Anlagen und Zubehör für den Schiffbau. Gegründet 1889 als Diesel­motorenbauer, konzentrierte sich das Unternehmen ab den 1950er Jahren auf Manövrier­technik für Schiffe. Über 4500 Quer­strahlanlagen, Ruderpropeller und Hochleistungs­ruder von Jastram verrichten heute in allen Meeren der Welt ihren Dienst. Das Produktportfolio wurde in der Folge weiter ausgebaut und umfasst heute hocheffiziente und vernetzte Ruder- sowie Steuersysteme und eine breite Palette ergänzender elektronischer Kontroll- und Überwachungs­komponenten. Auch komplette Antriebe werden kundenspezifisch entwickelt und gefertigt. Neben dem maritimen Geschäftsbereich ist Jastram außerdem als offizieller Stützpunkt der BorgWarner Turbo Systems GmbH auf dem Gebiet der Wartung und Reparatur von Turboladern tätig.


Jastram GmbH & Co. KG, Billwerder Billdeich 603, 21033 Hamburg, Tel.: 040-725601-0, info@jastram.net, www.jastram.net

Von den vormaligen Archivräumen hat Nils Jastram, mitarbeitender Gesellschafter, noch Fotos: Knapp zwanzig 1,5 m hohe Hängeregisterschränke waren prall gefüllt mit Zeichnungen und Plänen aus über 50 Jahren Firmenhistorie. „Dies nahm viel Platz weg. In unserem nur 60 m² großen Archiv war es schon richtig eng geworden“, erzählt er. Musste ein Konstrukteur aus dem technischen Büro Unterlagen zu einem Produkt einsehen, war zudem jedes Mal ein langer Gang ins Archiv nötig.

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Stückliste des Jastram-Ruderpropellers KPM 300 von 1968: Langlebigkeit erfordert Sorgfalt, damals wie heute. (Bild: Jastram GmbH & Co. KG)

6000 Dokumente gescannt und als Farb-PDFs gespeichert

Die Digitalisierung war der Weg, hier Abhilfe zu schaffen. Den Auftrag erhielt der Cocq-Datendienst aus Hamburg. Es galt, mehr als 6000 Pläne, die zum Teil bis zu 60 Jahre alt waren, behutsam für den Scanvorgang vorzubereiten. Cocq holte die bis zu DIN A0 großen Originale in den Jastram-Geschäftsräumen ab, digitalisierte sie in den eigenen Produktionsräumen und stellte dem Kunden anschließend die Faksimiles als Dateien sowie zusätzlich als Mikrofilm zur Verfügung. Die Originale wurden nach einer gewissen Karenzzeit vernichtet.

Anlässlich eines Umbaus der Büroräume ließ Jastram im Jahr 2015 in einem Folgeprojekt noch einmal zehn Regalmeter digitalisieren. Ihr Inhalt: 300 Mappen mit Basiskonstruktionszeichnungen und Stücklisten in den Formaten DIN A4 und DIN A3 sowie rund 50 Pläne in A0. Der Scandienstleister lieferte dem Kunden dafür formstabile Alucontainer in den Betrieb, welche die Jastram-Mitarbeiter/innen mit den Papiervorlagen füllten. Über Listen und Lieferscheine wurde festgehalten, welche Zeichnung wann geliefert wurden. Sicherzustellen ist bei einem solchen Vorhaben stets, dass sich die Anordnung der Originalmappen im Anschluss eins zu eins im elektronischen Abbild wiederfindet.

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Die Cocq Datendienst GmbH aus Hamburg-Bergedorf unterstützt ihre Kunden auf dem Weg zu schnellen und effizienten Geschäftsprozessen. Als Dienstleister im Business Process Outsourcing bietet Cocq Datendienst das komplette Spektrum von IT-Dienstleistungen rund um Digitalisierung und Dokumentenmanagement. Das Hamburger Traditionsunternehmen wurde 1967 in Bergedorf von Carl Rainer Cocq gegründet, beschäftigt heute über 100 Mitarbeiter/innen am Standort Bergedorf und zählt deutsche und internationale Unternehmen zu seinen Kunden, darunter die Deutsche Bahn AG, die Firma Tesa und den niederländischen Hersteller von Lithografiesystemen ASML. Seit 2010 ist die Cocq Datendienst GmbH Teil der ANS-Unternehmensgruppe, zu der daneben die Active Network Systems GmbH und die Active Network Sea Systems GmbH gehören.


Cocq Datendienst GmbH, Ruselerweg 19, 21033 Hamburg, Tel.: 040-725609-0, www.cocq.de

Sauber klassifiziert und schnell auffindbar

Nach dem Scannen wurde jede Zeichnung in einer eigens konzipierten Eingabemaske mit der Zeichnungsnummer versehen. Dieses Vorgehen der Klassifizierung macht es den Konstrukteuren bei Jastram leicht, innerhalb ihrer Ordnerstruktur sofort die gesuchte Zeichnung zu finden. Cocq lieferte im Anschluss an die Digitalisierung hochauflösende PDF-Scans in Farbe aus. „Die Scans sind fast besser als die Originale“, findet Nils Jastram.

Der Platzgewinn ist immens: Quollen die Archivregale früher über von Plänen, ist dort nun noch jede Menge Platz für weitere Projektordner mit den Lebenslaufakten der Anlagen. Diese nämlich hat Jastram, anders als die Pläne, nicht einscannen lassen, weil man hier vorerst weiter auf Papier arbeiten möchte. Die Anzahl verkaufter Anlagen hat sich in den letzten Jahren noch einmal auf heute über 4500 erhöht; jede Anlage verbraucht bis zu vier Aktenordner. So sind dank der Digitalisierung immer noch zwei Regale im Archiv frei für deren Aufnahme – weil eben der Platz nicht mehr für die Pläne benötigt wird. Hinzu kommt, dass das Arbeiten mit den elektronischen Zeichnungen deutlich bequemer ist – mit dem Einscannen ist Jastram daher auf richtigem Kurs.

Thema: Schifffahrt
Die Frachter waren die Ersten: Noch vor den ersten IoT-Netzen an Land begann die Logistik mit dem Container-Tracking. Mittlerweile wird getestet, wie autonome Schiffe navigieren könnten, und zwar sowohl auf hoher See als auch in der Binnenschifffahrt. Dazu gibt es noch einen Bericht aus Hamburg, der bis ins Jahr 1889 zurückgeht – seitdem ist der Ausrüster Jastram aktiv. Vor einigen Jahren hat er seine historischen Entwürfe, Stücklisten und Baupläne komplett retrodigitalisiert. Und die Hartmann-Gruppe modernisiert ihr Crewing-&-Payroll-Kernsystem mit der Low-Code-Plattform von Thinkwise.

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