Globalisierung bietet Chancen für KMUs

Globalisierung ist für viele Mittelständler ein Schreckgespenst. Michael Richter ist seit 1991 selbstständiger Marketing- und Vertriebsberater für mittelständische Unternehmen und sieht das ganz anders. Er befasst sich seit mehr als 35 Jahren mit der praktischen Vermarktung der verschiedensten Investitionsgüter und langlebigen Gebrauchsgüter auf allen fünf Kontinenten, kennt mehr als fünfzig Märkte aus eigener Anschauung und betrachtet Globalisierung als Chance für seine Klientel. MittelstandsBlog interviewte ihn deshalb zum Thema.

Herr Richter, die Welt ist ein Dorf. Was bedeutet das heute für einen Unternehmer?

Als ich mit meiner beruflichen Laufbahn anfing – das ist nun mehr als 30 Jahre her – musste  ich noch um die Welt reisen, um Vertreter zu sehen, mit ihnen Ziele zu besprechen oder Kunden zu besuchen. Auch wenn immer noch bei jeder Geschäftsbeziehung der persönliche Kontakt irgendwann im Laufe der Entwicklung erforderlich ist, reicht heute im Tagesgeschäft der Kontakt über das Internet aus. Wir können Online-Konferenzen abhalten, uns sehen und viel Zeit und  Geld sparen. Insofern ist die Welt tatsächlich ein Dorf. Was viele im Business aber gerne vergessen: In einem Dorf sollte man sich gut verstehen und gegenseitig helfen. Im realen wie im virtuellen Dorf.

Wird Globalisierung zu Recht von vielen als Schreckgespenst für die einheimische Wirtschaft empfunden?

Nein, ich halte das für völlig falsch. Viele Unternehmer haben zwar Angst vor erhöhtem Wettbewerb, sinkenden Preisen durch eingewanderte Konkurrenten oder Raubkopien, wenn man seinerseits in fremde Länder liefert, und so weiter. Aber das wird übertrieben gesehen.

Das Preisdumping ist aber doch real?

Richtig, aber erstens beweist der Umstand, dass Deutschland Exportweltmeister ist, dass viele Käufer im Ausland trotzdem ausgesprochenen Wert auf deutsche Produkte legen, und zweitens ist der offene Markt nun mal unverzichtbarer Teil unseres Gesellschaftssystems. Seine positiven Auswirkungen werden von den meisten Menschen ja durchaus begrüßt, denken Sie an erschwingliche Produkte in der Elektronik, ausländische Autos mit besseren Preis-/Leistungsverhältnis und vieles mehr.

Aber Zuwanderer belasten doch unsere Sozialsysteme.

Deutschland ist kein Land, das autark leben kann. Auch weil wir der Europäischen Union angehören, von der wir übrigens ganz besonders profitieren. Außerdem sind einige der negativen Auswirkungen hausgemacht und Fehlern der Politik in der Vergangenheit zuzurechnen, zum Beispiel der verspätet  angepackten Eingliederung. Das müssen wir jetzt eben teuer nachholen.

Zurück zur Globalisierung: Ist Deutschland da auf dem richtigen Weg?

Nur teilweise. Wir sind zwar Exportweltmeister, aber leider verdanken wir die guten Zahlen fast ausschließlich den Großunternehmen. Der Mittelstand geht noch viel zu wenig nach draußen – egal, ob wir Europa betrachten, oder andere Kontinente. Ein Beispiel: In Deutschland – wie in ganz Europa – zählen weit über 90 Prozent der Unternehmen zum Mittelstand.  Schaut man sich aber die  Exportzahlen pro Einwohner an, fragt man sich, wo der Mittelstand bleibt. Das Worldfactbook der CIA von 2005 nennt für Deutschland einen Warenwert von ca. 12.330 US Dollar für Exportwaren pro Einwohner. Der Vergleichswert für Österreich liegt bei ca. 14.900 US Dollar, für die Schweiz bei ca. 19.800 US Dollar und für Belgien sogar bei ca. 25.900 US Dollar. Belgien ist demnach beim Export pro Einwohner doppelt so stark wie Deutschland. Daran sieht man, dass besonders der deutsche Mittelstand noch erheblichen Nachholbedarf hat. Hier müssen wir aktiver werden.

Berücksichtigt man nun noch, dass die Auslandsgeschäfte Deutschlands ca. 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, sollte der durchschnittliche Exportanteil eines – grundsätzlich für den Export prädestinierten – Produzenten mindestens diesen Prozentsatz erreichen. Eher mehr als weniger.

Kann man von heute auf morgen international tätig werden?

Natürlich nicht. Aber ein Unternehmen kann durch ein florierendes Auslandsgeschäft wirtschaftliche Verschlechterungen in Deutschland besser abfedern. Umgekehrt muss man natürlich auch Probleme in den ausländischen Märkten überstehen können.

Ich rate meinen Kunden immer wieder, darauf zu achten, auf einen Kunden, ein Marktsegment oder ein Land zu nicht mehr als 10 bis 20 Prozent angewiesen zu sein, damit es nicht wirklich gefährlich wird, wenn der betreffende Kunde oder Markt plötzlich entfällt. Die genaue Gefahrengrenze ist natürlich von der Art des Geschäftes und von den Produkten abhängig. Ein Verlust in dieser Größenordnung gefährdet aber in aller Regel weder Arbeitsplätze noch die Existenz des Unternehmens.

Wie sollte man am besten vorgehen?

Eine ausführliche Antwort gibt meine Website, hier nur eine kurze Antwort: Jedes Unternehmen hat eine Art „Fingerabdruck“, der selbst mit dem direktesten Wettbewerber nicht vergleichbar ist. Wie jeder Mensch seine ganz persönlichen Stärken und Schwächen hat, so ist das auch bei einem Unternehmen. Mein Rezept, das natürlich individuell ans betreffende Unternehmen angepasst werden muss und ganz nebenbei oft auch in Deutschland zu höheren Umsätzen verhilft, lautet:

  1. „Fingerabdruck“ und Kernkompetenzen feststellen. Diese beiden Merkmale sind zweierlei Dinge!
  2. Marktsegmente definieren, die man beliefern kann, potentielle Kunden identifizieren und mögliche Partner finden, über die diese Märkte versorgt werden könnten.
  3. Wettbewerber analysieren, die schon vor Ort tätig sind, und eigene Vor- aber auch Nachteile diesen gegenüber herausfinden.
  4. Einen passenden Marketingplan erarbeiten und
  5. diesen Plan dann konsequent umsetzen.

Hierzu habe ich auf meinen Webseiten ausführliches Material zusammengestellt, das den Rahmen dieses Gespräches sprengen würde.

Wann sollte man beginnen?

Wenn das Geschäft brummt! So umfangreiche zusätzliche Aufgaben verschlingen Zeit und Geld.

Aber gerade dann kann man doch zu Hause gutes Geld verdienen?

Gerade weil dann viel Geld verdient wird! Das benötigt man immer, um weitere Schritte anzugehen. Jeder neue Kunde kostet Geld. Sei es für Porto, einen Besuch durch den Außendienst, eine Anzeige oder auch ein Telefonat. Das ist nun mal der Wachstumsprozess.

Durch irgendeinen Flaschenhals muss man immer, personell oder finanziell. Also sollte ein Unternehmer es dann tun, wenn es ihm finanziell am leichtesten fällt. Im Gegensatz zu großen Unternehmen, die meist irgendwo eine Kriegskasse haben, sind Mittelständler damit ohnehin selten gesegnet. Also fällt es in guten Zeiten am leichtesten. Ein Unternehmer ist heute gezwungen sich mit der Zukunftsplanung, neuen Wegen und neuen Kunden, auseinanderzusetzen, um sein Unternehmen zu stabilisieren und für die Zukunft abzusichern.

Angenommen es geht uns gerade gut und wir wollen aktiv werden. Wie beginnen wir?

Jetzt kommen wir zum Kern, dem Marketing. Marketing ist, im Gegensatz zur oft vertretenen Meinung, nicht nur Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, sondern ganz wesentlich auch die Unternehmensphilosophie. Warum?

Ein Unternehmen kann nur überleben, wenn es den Abnehmern das bietet, was sie haben möchten, wenn es sich also am Markt orientiert. Dazu gehört die Beobachtung der Märkte und der sich abzeichnenden Trends. Das kann nur das Marketing. Es ist unterhalb der Chefetage das steuernde Instrument. Dort müssen die vorhandenen Möglichkeiten und Trends erkannt werden, denn dort besteht – über den ihm angeschlossenen Vertrieb – der direkte Kontakt zum Markt und Kunden. Die Informationen, die die Marketingabteilung von den Kunden erhält, müssen im weiteren Verlauf  unternehmensintern diskutiert und umgesetzt werden, so dass das Unternehmen immer einen gewissen Vorsprung vor seinen Wettbewerbern hat – im Inland, wie im Ausland.

Die Nähe zum Kunden wird von diesem übrigens immer honoriert, denn das Unternehmen wird so zu einem echten Gesprächspartner des Kunden. Der kann dem Unternehmen gegebenenfalls sogar Hinweise für neue Entwicklungen geben. Außerdem sind solche unternehmensnahen Kunden weniger preisempfindlich, weil sie sich umsorgt und ernst genommen fühlen. Das mildert wiederum den Preisdruck.

Was ist Ihre Rolle in diesem Prozess?

Ich berate Unternehmen, die aufbruchswillig sind, in allen damit zusammenhängenden Fragen, also von der Marktuntersuchung, über die Analysen bis zur Erstellung eines Marketingplanes – in Deutschland und weltweit. Bei Bedarf führe ich auch interne Schulungen durch und  übernehme vor Ort oder weltweit für meine Kunden verschiedenste Aufgaben, so lange, bis ein Kunde dafür eigene Mitarbeiter einsetzen kann oder will.

So ein Aufbruch in fremde Märkte ist sicher ziemlich teuer.

Die Frage musste kommen. Die Kosten sind natürlich nicht gering, aber „zu teuer“ ist eine Maßnahme für ein Unternehmen nur dann, wenn das Ziel entweder kostengünstiger erreicht werden kann oder die Kosten die zusätzlichen Einnahmen übersteigen. Auf meiner Website beweise ich mit einem Kostenvergleich, dass eine gute Beratung immer ihr Geld wert ist.

Davon abgesehen, richten sich meine Honorare zum Beispiel nach Dauer und Umfang einer Aufgabe. Sie werden vorher und unter Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens mit dem Kunden festgelegt. Damit auch im Falle eines geringen oder Teilerfolgs kein Nachteil für das Unternehmen des Kunden entsteht, kann zumindest in meinem Fall ein erfolgsbezogener Anteil eingebaut oder eine Teilrückzahlung des Honorars vereinbart werden, wenn das Unternehmen die Vorschläge umsetzt, aber der gemeinsam definierte Erfolg ausbleibt.

Welche Anforderungen stellen sich vor allem, wenn man international tätig werden will?

Da hat man es mit verschiedenen Sprachen und vor allem abweichenden Mentalitäten zu tun. Das ist ein Lernprozess, den man dem Unternehmen beim besten Willen nicht abnehmen kann. Aber im Zeitalter der Globalisierung – und hier schließt sich der Kreis zum Anfang unseres Gesprächs – muss man ohnehin wenigsten Englisch beherrschen, um auf der Einkaufs- oder Verkaufsseite mithalten zu können. Alles andere muss vor Ort erfahren und gelernt werden.

Herr Richter, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Michael J.M. Lang. Weitere Informationen zur Person und zum Beratungsangebot sind auf der Website Michael Richters oder per E-Mail erhältlich.