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Erweitertes Führungszeugnis geplant

Unternehmen und Vereine, die Dienstleistungen für Jugendliche leisten, müssen in Zukunft noch sorgfältiger prüfen, ob ein Bewerber für den Kontakt mit Jugendlichen geeignet ist. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, mit dem ein erweitertes Führungszeugnis eingeführt werden soll, das Arbeitgeber in weit größerem Umfang als bisher darüber informieren wird, ob Stellenbewerber wegen bestimmter Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen vorbestraft sind. Der Entwurf erntet jedoch nicht nur Zustimmung.

Die Erfahrung zeige – so das Bundesjustizministerium – dass sich Täter mit pädophilen Neigungen häufig  Arbeits- und Beschäftigungsfelder im Umfeld von Kindern suchen. Wird der Gesetzentwurf verabschiedet, wird künftig werde allen Personen, die im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt werden wollen, ein erweitertes Führungszeugnis erteilt, in dem die Verurteilungen zu Sexualstraftaten auch im untersten Strafbereich aufgenommen sind. Mit dem erweiterten Führungszeugnis wolle man sicherstellen, dass sich potenzielle Arbeitgeber über sämtliche Vorverurteilungen wegen Sexualdelikten informieren können und gewarnt sind. „So können sie verhindern, dass Bewerber mit einschlägigen Vorstrafen im kinder- und jugendnahen Bereich als Erzieher in Kindergärten, aber auch als Schulbusfahrer, Bademeister, Sporttrainer oder Mitarbeiter im Jugendamt beschäftigt werden“, hofft die Bundesjustizministerin.

Derzeit gilt, dass laut Bundeszentralregistergesetz (BZRG) jeder Person ab 14 Jahren auf Antrag und ohne Angaben von Gründen ein Führungszeugnis erteilt wird. Ob eine Verurteilung in ein Führungszeugnis aufgenommen wird, richtet sich grundsätzlich nach der Höhe des Strafmaßes; das zugrunde liegende Delikt spielt dabei in der Regel aber keine Rolle.

Nach geltendem Recht erscheinen im Führungszeugnis Erstverurteilungen nur bei einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, um dem verfassungsrechtlich verankerten Resozialisierungsgebot Rechnung zu tragen. Von diesen Grenzen sind derzeit nur bestimmte schwere Sexualstraftaten (§§ 174 bis 180 oder 182 StGB, vor allem sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und Vergewaltigung) ausgenommen, nicht aber alle anderen kinder- und jugendschutzrelevante Sexualdelikte.

Mit der Gesetzesänderung soll sichergestellt werden, dass im Interesse eines effektiven Kinder- und Jugendschutzes sexualstrafrechtliche Verurteilungen auch im niedrigen Strafbereich in einem sogenannten erweiterten Führungszeugnis aufgenommen werden.

Der Gesetzentwurf sieht die Einführung eines erweiterten Führungszeugnisses nur für kinder- und jugendnahe Tätigkeiten vor. Personen, die bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Beschäftigung mit Kindern und Jugendlichen regelmäßig keinen Kontakt aufnehmen können, sind von den neuen Regelungen nicht betroffen.

Betroffener PersonenkreisDas erweiterte Führungszeugnis wird nach dem neuen § 30a BZRG erteilt,

  • wenn dies in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Beispiele: Die praktisch bedeutsamste Vorschrift ist § 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII). Sie richtet sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die für die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe keine Person beschäftigen oder vermitteln dürfen, die rechtskräftig wegen einer bestimmten Straftat verurteilt worden ist (in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung: Straftaten nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184f oder den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB). Ein vergleichbares Beschäftigungsverbot enthält auch § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz für Personen, die Lehrlinge ausbilden.
  • demjenigen, der eine Tätigkeit ausüben will, die geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, wie die berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger. Beispiele: Erzieher in Kindergärten, Kinder- oder Jugendheimen, Pflegepersonen für die Kindertages- und Vollzeitpflege, Lehrer in Privatschulen, Schulbusfahrer, Bademeister in Schwimmbädern, Jugendsporttrainer, Leiter von Kinder- und Jugendfreizeitgruppen.

Inhalt des erweiterten Führungszeugnisses

Bereits nach geltendem Recht werden in ein Führungszeugnis regelmäßig alle Verurteilungen – unabhängig vom Strafmaß – wegen bestimmter schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174 bis 180 und § 182 StGB aufgenommen. Für das erweiterte Führungszeugnis wird dieser Katalog um weitere kinder- und jugendschutzrelevante Verurteilungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB erweitert. Künftig wird daher auch beispielsweise eine Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen Verbreitung von Kinderpornographie oder Exhibitionismus im erweiterten Führungszeugnis erscheinen. Bislang erhielt der Arbeitgeber von einer solchen Verurteilung durch ein Führungszeugnis keine Kenntnis.

Frist zur Aufnahme in das Führungszeugnis

Derzeit werden Verurteilungen bei einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr wegen schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174 bis 180 und § 182 StGB mindestens 10 Jahre lang in das Führungszeugnis aufgenommen. Künftig wird diese Frist auch für entsprechende Verurteilungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB gelten, die in ein erweitertes Führungszeugnis aufgenommen werden.

Das Bundeskabinett wird sich voraussichtlich im Januar 2009 mit dem Gesetzentwurf befassen.

Der Gesetzentwurf ist allerdings nicht unumstritten. So befürchtet der Deutsche Anwaltverein, die Aufhebung für die Gruppe der pädophilen Straftäter könnte die Türe für erweiterte Führungszeugnisse für andere Gruppen aufstoßen.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Bundesjustizministerin konnte im Vorfeld der Gesetzesvorlage keine Zahlen vorlegen, ob und wie viele der entsprechenden Straftaten durch ein solches erweitertes Führungzeugnis zu verhindern gewesen wären, welche Lücke im Gesetz damit also geschlossen werden soll. Letztlich bleibt allein das moralische Argument, dass Kinder und Jugendliche eines besonderen Schutzes bedürfen.

Auch die Frage, was unter „kinder- und jugendnahen Bereichen“ konkret zu verstehen ist, dürfte noch viele Arbeitsgerichte beschäftigen. Sowohl bei zu enger als auch bei zu weiter Interpretation droht Arbeitgebern Ärger, im Extremfall sogar durch das  Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). (BMJ/ml)