Neue Regeln für die Zwangsvollstreckung beschlossen

Der Deutsche Bundestag hat heute zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Zwangsvollstreckungsrechts beschlossen. Damit dürfen Gerichtsvollzieher künftig von dritter Seite Informationen über die Vermögensverhältnisse von Schuldnern einholen, damit sie Forderungen aus Vollstreckungstiteln leichter beitreiben können. Außerdem soll in Zukunft die Versteigerung von zwangsgepfändeten Gegenständen über das Internet – neben der bisher üblichen Versteigerung vor Ort – zur Regel werden (wir berichteten bereits darüber).Bundesjustizministerin Brigitte Zypries begründet die Schaffung von zusätzlichen Möglichkeiten zur Sachaufklärung (Wortlaut des Gesetzentwurfs) damit, dass mit den verbesserten Informationsmöglichkeiten für Gläubiger vollstreckbare Zahlungsansprüche effektiver durchgesetzt werden können, sollte der Schuldner – entgegen seiner gesetzlichen Pflicht – falsche oder gar keine Angaben zu seinem Vermögen machen. Gerichtsvollzieher können im Auftrag des Gläubigers künftig zum Beispiel durch eine Anfrage beim Rentenversicherungsträger herausfinden, ob und wo ein Arbeitsverhältnis besteht.“

Kritiker, die einen Missbrauch fürchten, versucht sie zu beruhigen: Durch eine präzise Fassung der Voraussetzungen einer Anfrage stelle die Regierung sicher, dass der Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung auf das Notwendige beschränkt wird.

Die zweite Änderung, die eine Internetversteigerung gepfändeter Objekte zur Regel macht (Wortlaut des Gesetzentwurfs), sieht Zypries als Vorteil sowohl für die Gläubiger als auch für die gepfändeten Schuldner. „Gerade für den Schuldner ist es sehr wichtig, mit der Versteigerung einen möglichst hohen Erlös zu erlangen. Denn: Je höher der Erlös, desto weniger Gegenstände müssen versteigert werden, damit der Schuldner seine Verbindlichkeiten begleichen kann.“ Die Ministerin geht zudem davon aus, dass mit dem größeren Bieterkreis per Internet auch höhere Erlöse erzielt werden. Für die Gläubiger sei der Zeitgewinn der wesentliche Vorteil.

Zu den Gesetzen im Einzelnen

1. Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung

Die Möglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger werden an den Beginn des Vollstreckungsverfahrens gestellt. Künftig kann der Gerichtsvollzieher vom Schuldner eine Vermögensauskunft verlangen, ohne dass ein erfolgloser Versuch einer Sachpfändung, d. h. der Pfändung von beweglichen Gegenständen im Eigentum des Schuldners vorangegangen ist. Gibt der Schuldner die Vermögensauskunft nicht ab oder ist nach dem Inhalt der Auskunft eine Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten, ist der Gerichtsvollzieher künftig befugt, Fremdauskünfte bei den Trägern der Rentenversicherung, beim Bundeszentralamt für Steuern und beim Kraftfahrt-Bundesamt über ein Arbeitsverhältnis, Konten, Depots oder Kraftfahrzeuge des Schuldners einzuholen.

Auf der Grundlage dieser Informationen kann der Gläubiger dann öfter erfolgreich vollstrecken, zum Beispiel durch eine Pfändung von Lohn oder Kontoguthaben des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht oder durch Pfändung eines auf den Schuldner zugelassenen Kraftfahrzeuges durch den Gerichtsvollzieher.

Gleichzeitig werden das Verfahren zur Abgabe der Vermögenserklärung (bisher: „eidesstattliche Versicherung“) und die Verwaltung der Informationen modernisiert. Die Aufstellung der Vermögensgegenstände des Schuldners (Vermögensverzeichnis) soll zukünftig in jedem Bundesland von einem zentralen Vollstreckungsgericht landesweit elektronisch verwaltet werden. Bislang geschah dies in der Regel bei den jeweiligen örtlichen Amtsgerichten. Künftig besteht damit in jedem Bundesland eine zentrale Auskunftsstelle. Zugriff auf die Datenbank haben Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsbehörden und weitere staatliche Stellen wie die Strafverfolgungsbehörden.

Auch das Schuldnerverzeichnis bei den Amtsgerichten, in dem zahlungsunwillige bzw. zahlungsunfähige Schuldner dokumentiert werden, soll künftig durch ein zentrales Vollstreckungsgericht als landesweites Internetregister geführt werden. Die Einsicht ist nach wie vor jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt, z. B. für Zwecke der Zwangsvollstreckung oder um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Vermieter und Handwerker können sich also künftig zentral Informationen über die Kreditwürdigkeit ihrer potenziellen Vertragspartner verschaffen.

2. Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung

Bislang ist die Versteigerung von sog. beweglichen Sachen – zum Beispiel von Möbeln und elektronischen Geräten – in der Zivilprozessordnung als Präsenzversteigerung vor Ort durch den Gerichtsvollzieher vorgesehen. Die dafür notwendige Anwesenheit von Versteigerer und Bieter ist umständlich und verursacht nicht zuletzt wegen der Anreise teilweise hohe Kosten. Der Gerichtsvollzieher kann die gepfändeten Sachen auf andere Art – etwa über das Internet – nur versteigern, wenn der Gläubiger oder der Schuldner dies beantragen. Das ist aufwendig und unpraktikabel. Künftig soll die Versteigerung beweglicher Sachen ohne weiteres im Internet erfolgen können und als gesetzlicher Regelfall neben der Präsenzversteigerung etabliert werden.

Der Gesetzentwurf ergänzt die bestehenden Vorschriften der Zivilprozessordnung, damit die Internetversteigerung auch in der Zwangsvollstreckung selbstverständlich wird. Die Bundesländer werden ermächtigt, Einzelheiten wie etwa die Versteigerungsplattform, Beginn, Ende und Ablauf der Auktion oder die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Versteigerung durch Rechtsverordnung zu regeln. Die Internetversteigerung beweglicher Sachen wird auch in der Abgabenordnung als gesetzlicher Regelfall neben der Präsenzversteigerung etabliert. Zudem enthält der Gesetzentwurf Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die auch die Verwertung von Fundsachen im Internet ermöglichen.

Die heute vom Bundestag beschlossenen Gesetze benötigen allerdings noch die Zustimmung des Bundesrats. Dieser werde sich voraussichtlich am 10. Juli 2009 mit den Gesetzen befassen, ließ das Bundesjustizministerium wissen. (BMJ/ml)