Anteil der atypischen Beschäftigung steigt

Der Anteil der sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnisse an der Gesamtheit der Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland hat deutlich zugenommen. Das teilte heute das Statistische Bundesamt mit. Standen 1998 noch fast drei Viertel (72,6 %) der Erwerbstätigen in einem Normalarbeitsverhältnis, so waren es 2008 noch 66,0 %. Der Anteil atypischer Beschäftigungsformen stieg im gleichen Zeitraum von 16,2 % auf 22,2 %.Unter einem Normalarbeitsverhältnis wird ein Beschäftigungsverhältnis verstanden, das voll sozialversicherungspflichtig, mit mindestens der Hälfte der üblichen vollen Wochenarbeitszeit und mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag ausgeübt wird. Ein Normalarbeitnehmer arbeitet direkt in dem Unternehmen, mit dem er einen Arbeitsvertrag hat, was bei Zeitarbeitnehmern nicht der Fall ist.

Von atypischen Beschäftigungsformen wird gesprochen, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien nicht erfüllt sind. Dazu zählen neben der Zeitarbeit, Teil­zeitbeschäftigungen mit 20 oder weniger Stunden Arbeit pro Woche, geringfügige Beschäftigungen sowie befristete Beschäftigungen.

Nach Ergebnissen der Verdienststrukturerhebung, die zuletzt 2006 durch­geführt wurde, erhielt fast jeder zweite atypisch Beschäftigte (49,2 %) einen Bruttostundenlohn unter der Niedriglohngrenze. Diese wurde laut Bundesamt nach Kriterien errechnet, die von der Organisation für ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) international angewendet werden. Demnach gilt der Stundenlohn als Niedriglohn, wenn er weniger als zwei Drittel des Medians aller erfassten Bruttostundenlöhne beträgt. Der Median ist der Wert, der alle erfassten Bruttostundenlöhne genau in zwei Hälften teilt. Im Jahr 2006 lag die so berechnete Niedriglohngrenze bei 9,85 Euro.

Bei der größten Gruppe der atypisch Beschäftigten, den Teilzeitbeschäftigten mit wöchentlich 20 oder weniger Stunden, erhielt knapp ein Fünftel (19,5 %) einen Niedriglohn. Befristet Beschäftigte hatten ein Niedriglohnrisiko von 36,0 %. Am stärksten waren 2006 die geringfügig Beschäftigten (81,2 %) von Niedriglöhnen betroffen. Auch die Zeitarbeit (67,2 %) war häufig mit einem Niedriglohn verbunden. Somit lag für alle Kategorien atypisch Beschäftigter das Niedriglohnrisiko deutlich höher als für Menschen in einem Normalarbeitsverhältnis. Bei diesen betrug die Niedriglohnquote 11,1 %. Unter allen Arbeitnehmern in Deutschland lag der Niedriglohnanteil bei 20,0 %.

Das Statistische Bundesamt weist aber auch ausdrücklich darauf hin, dass ein Niedriglohn aus Erwerbstätigkeit nicht zwingend zu Armutsgefährdung führt, da auch soziale Transferleistungen und die Haushaltszusammensetzung eine Rolle spielen. Nach Auswertungen des Mikrozensus für 2008 zeige sich aber, dass trotzdem atypisch Beschäftigte nach EU-Definition deutlich häufiger armutsgefährdet sind, (14,3 %) als Menschen in einem Normalarbeitsverhältnis (3,2 %). Insgesamt waren in Deutschland 2008 rund 6,2 % aller Erwerbstätigen nach diesen Kriterien laut Bundesamt armutsgefährdet.

(Statistisches Bundesamt/ml)

Kommentar der Redaktion

Die heute vom Statistischen Bundesamt genannten Zahlen besitzen unbestreitbar eine gewisse Sprengkraft und müssen deshalb umso sorgsamer auf die mit den Zahlen verknüpften Inhalte hin überprüft werden. Da man den Bundesstatistikern – aus langjähriger Erfahrung – Seriosität unterstellen darf, lohnt sich eine inhaltliche Analyse umso mehr.

Wirklich verwunderlich sind diese Werte übrigens nicht. Sie bedeuten auch ganz sicher kein Abgleiten unseres Landes in ein Armenhaus. Die Zunahme sogenannter atypischer Arbeitsverhältnisse ist zum Teil schlicht ein zwingender Prozess einer modernen Arbeitswelt, da sich viele – auch hoch qualifizierte und hoch entlohnte – Arbeitsverhältnisse in neuen Berufsfeldern, wie der IT-Branche, nicht mehr mit dem alten Schema eines festen, lange währenden und eindeutig definierten Beschäftigungsverhältnisses vereinbaren lassen. Eine Zunahme atypischer Beschäftigungen bedeutet in vielen Fällen deshalb auch eine Dynamisierung der Arbeitswelt mit mehr Chancen zu positiven Veränderungen.

Sorge muss uns aber die Zunahme niedriger Löhne machen. Denn diese sind in den meisten Fällen eben kein Ergebnis von Lohndumping – das man mit Mindestlöhnen von oben herab abschaffen könnte, wie von Gewerkschaften behauptet – sondern einer Abnahme qualifizierter Arbeit in weiten Teilen unserer Gesellschaft. Und das kann und darf sich weder die Wirtschaft als Teil der Gesellschaft, noch Deutschland mit Blick auf die Globalisierung der Arbeit als Ganzes leisten, wollen wir unseren Platz in der Spitzengruppe der Volkswirtschaften dieser Welt beibehalten.

(ml)