Softwarelizenzen

Verwirrspiel mit Lizenzen

Von Uli Ries

Software für Geschäftskunden braucht legale Lizenzen, auch bei Open-Source-Lösungen. Das ist bei den großen Softwareschmieden aber nicht immer einfach. Seit Anwendungen und Betriebssysteme auf Servern mit Mehrkernprozessoren laufen, ist mitunter unklar, was zählt: Maschine oder Kern? Endgültig verwirrend wird die Lage, wenn die Software in virtualisierten Umgebungen installiert werden soll.

Als AMD und Intel 2005 im großen Stil Mehrkernprozessoren einführten, kam auch die Preis– und Lizenzpolitik in Bewegung. Denn kein Kunde war bereit, plötzlich die doppelte Anzahl an Lizenzen zu erwerben, nur weil im neuen Server ein Prozessor mit zwei statt einem Rechenkern arbeitet und vom Softwarehersteller wie eine Maschine mit zwei echten CPUs behandelt wird. Die neuen Lizenzbestimmungen sind nun sehr viel komplizierter, weil manchmal je nach Prozessorarchitektur und Anzahl der Kerne unterschiedliche Preise fällig werden.

Microsoft-Modell mit Ausnahmen

Softwaregigant Microsoft schuf gleich zu Beginn eine vergleichsweise übersichtliche Regelung: Die Lizenzkosten richten sich einzig nach der Anzahl der CPUs im Server. Aber keine Regel ohne Ausnahme. So werden Windows Server 2008 Standard und Server 2008 Enterprise pro physikalischem Server lizenziert, die Datacenter-Edition hingegen pro Prozessor; dort wird pro im Server verbauter CPU eine eigene Lizenz fällig.

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Windows Server 2008 Enterprise kann pro Serverlizenz in bis zu vier virtuellen Maschinen laufen. Dann kann die zugrunde liegende fünfte Installation jedoch keinerlei andere Dienste mehr ausführen, sondern darf lediglich als Steuerinstrument dienen (rechts). Beim Windows Server 2008 Datacenter Edition sind hingegen beliebig viele virtuelle Maschinen möglich.

In Redmond hat man zudem die Lizenzmodelle sämtlicher Serverbetriebssysteme und -anwendungen vor kurzem aktualisiert und an die Anforderungen von virtualisierten Umgebungen angepasst: Die Standard Edition des Windows Servers 2008 darf somit als Grundlage für eine virtualisierte Instanz desselben dienen. Dann darf die zugrunde liegende Installation des Systems aber lediglich zum Start der virtuellen Maschine verwendet werden und sonst keinerlei andere Dienste oder Anwendungen ausführen.

Neben den Betriebssystemen wurden auch die Lizenzbestimmungen von insgesamt 41 Serveranwendungen angepasst. Anwender dieser Produkte müssen von nun an nur noch die Lizenzen pro Serverfarm ermitteln (und bezahlen) und nicht länger pro Server. Das heißt, dass die Anwendungen in beliebig viele virtuelle Maschinen installiert und je nach Anzahl der bezahlten Lizenzen betrieben werden können.

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Schwarz auf Weiß
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Kopfrechnen bei IBM und Oracle

Um die korrekte Lizenzanzahl für IBM-Software zu bestimmen, muss je nach CPU-Typ die Anzahl der Kerne (nicht der Prozessoren!) mit einem bestimmten Faktor multipliziert werden. Im Fall von x86-Prozessoren ist dies z.B. der Faktor 0,5, so dass letztlich Lizenzen für die Hälfte der Cores fällig sind.

Auch Oracle halbiert die Anzahl der x86-Kerne bei der Lizenzbestimmung. Diese grobe Einteilung ist aber längst nicht alles. So unterscheidet Oracle z.B. zwischen Produkt- und Standby-System. Ein Kunde darf das Produkt mit nur einer Lizenz zweimal installieren, wenn er zur Steigerung der Ausfallsicherheit einen Cluster aus zwei Servern betreibt. Die zweite Installation muss hierbei aber im Standby-Modus laufen und darf nur dann hochgefahren werden, wenn der erste Server ausfällt.

Oracle behandelt physikalische und virtualisierte Server jeweils gleich: Jede Installation muss lizenziert werden. Oracle-Produkte werden fest an einen physikalischen Server gebunden und können nicht auf eine andere Maschine umziehen. Auf virtuellen Maschinen basierende Disaster-Recovery-Pläne werden somit zunichte gemacht.

Zum Nachschlagen und Durchrechnen
Ein für Microsoft-Partner erstelltes Whitepaper, das es als PDF zum Download gibt, erklärt die Lizenzunterschiede zwischen den einzelnen Servertypen. IBM bietet seinen Kunden zur Ermittlung der notwenigen Lizenzanzahl gleich einen Online-Kalkulator – angesichts der schieren Masse an Auswahlmöglichkeiten offenbar der einzig gangbare Weg. Oracle listet seine Lizenzierungsszenarien in einem PDF das online verfügbar ist. Auch die vollständige Preisliste aller Oracle-Produkte findet sich als PDF im Web.

Symantec kalkuliert nach Leistung

Symantec bietet verschiedene Lizenzmodelle, je nach Betriebssystem. Mehrkernprozessoren beeinflussen die Lizenzierung dabei nur indirekt. Wird die Software z.B. auf Windows-Servern installiert, bestimmt die Edition (Standard, Enterprise oder Datacenter) die Kosten der Software. Laufen die Programme auf Linux-Rechnern, hängen die Lizenzkosten von der Anzahl der CPUs ab.

Die Anzahl der Prozessorkerne spielt vor allem beim Einsatz von Unix-Servern eine Rolle. Denn hier macht Symantec die Kosten für eine Lizenz von der Leistung des Servers abhängig. Die Leistung wiederum wird entscheidend von der Anzahl der Kerne beeinflusst, auch wenn das Lizenzmodell die Kerne selbst nicht berücksichtigt.

Zur Ermittlung der Serverleistung arbeitet Symantec nach eigener Auskunft eng mit den Herstellern zusammen. Kommt ein neuer Server auf den Markt, bewerten Symantec-Experten dessen Performance und ordnen das Gerät in eine so genannte Tier-Stufe von A bis N ein (eine Art Leistungsindex).

Grundsätzlich bedeutet das: Je flotter der Server, desto teurer die Lizenzen. Symantec nennt einen simplen Grund für dieses Vorgehen: Ein Highend-Server dient einer viel größerem Zahl von Usern als ein kleines Einstiegsmodell.

Fazit: Nur für ausgelernte Anwender

Warum einfach, wenn’s schwierig auch geht? Das ist offenbar das Motto bei der Lizenzberechnung für Software im Geschäftskundenumfeld. So verrätselt die Sache allerdings scheint: Dass die Kalkulation kompliziert ist, heißt noch nicht, dass Unternehmen jetzt schlechter abschneiden. Es heißt aber, dass wieder eine simple Investition zur Wissenschaft geworden ist, was Unternehmer noch mehr von Beratern und IT-Fachgeplänkel abhängig macht. Hier ist nur mit Menschenverstand zu raten: Schließen Sie keinen Vertrag, den Sie nicht verstehen.

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Uli Ries ist freier Journalist und Autor mit abgeschlossene journalistischer Ausbildung und langjähriger Erfahrung (u.a. bei CHIP, PC Professionell und www.notebookjournal.de). Seine Spezialgebiete sind Mobilität, IT-Sicherheit und Kommunikation – zu diesen Themen tritt er immer wieder auch als Moderator und Fachreferent auf.


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