Übernahme von Bußgeldern, Teil 2: Wann Lohnsteuer auf Strafzettel fällig ist

Der Bundesfinanzhof stand lange in der Kritik, weil er die Übernahme von Mitarbeiter-Bußgeldern als unternehmensnotwendige Betriebsausgaben ansah und nicht als Arbeitslohn verrechnen ließ. Diese Auffassung hat er in einer 180-Grad-Kehrtwende gründlich geändert. RA Sabine Wagner erläutert das Urteil.

Übernommene Bußgelder gelten als Arbeitslohn

Von Sabine Wagner

Der lange geltende Grundsatz, dass Geldbußen, Ordnungs- und Verwarnungs­gelder keine Betriebs­ausgaben und damit steuer­lich nicht abzugs­fähig sind, lässt Aus­nahmen zu. Gekippt hat der Bundes­finanz­hof aber seine seit 2004 geltende Recht­sprechung zu Buß­geldern bei Verstößen gegen die Lenk- und Ruhe­zeiten. Unter­nehmen können sie in der Regel künftig nicht mehr als Betriebs­ausgaben abziehen.

Nachforderung auf gezahlten Lohn

Im streitgegenständlichen Fall (FH-Urteil vom 14. November 2013, Az. VI R 36/12) übernahm ein Speditionsunternehmen als Arbeitgeber die gegen seine Fahrer aufgrund von Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten verhängten Bußgelder. Die Spedition behielt keine Lohnsteuer ein. Dies fiel bei einer Lohnsteueraußenprüfung auf. Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin einen Nachforderungsbescheid, nachdem die Spedition beantragt hatte, die insoweit streitigen Beträge nach § 40 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) zu versteuern.

Das Finanzgericht wies die Klage der Spedition gegen den Nachforderungsbescheid ab. Auch die Revision vor dem Bundesfinanzhof hatte keinen Erfolg, der BFH bestätigte das Finanzgericht: Bei der Zahlung der gegen die Arbeitnehmer verhängten Bußgelder durch die Spedition handelt es sich um Arbeitslohn.

Ruhezeitverstöße gehören nicht zum Geschäft

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. „Bezüge und Vorteile“, die für eine Beschäftigung u.a. im privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände der Vorteil lediglich als notwendige Begleiterscheinung der betriebsfunktionalen Zielsetzung einzustufen ist.

Nicht im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse
Der BFH bejaht in ständiger Rechtsprechung ein solches überwiegendes eigenbetriebliches Interesse, wenn aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In solchen Fällen sei ein Eigeninteresse des Arbeitnehmers zu vernachlässigen. Gesichtspunkte für die Gesamtwürdigung sind Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl des Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils angestrebten betrieblichen Zweck. Nur für den Fall, dass das Interesse des Arbeitnehmers insoweit in den Hintergrund tritt, kann eine Lohnzuwendung verneint werden. Liegt aber zugleich ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers vor, so liegt die Vorteilsgewährung nicht mehr im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse.

Während die frühere Rechtsprechung in der Zahlung von Bußgeldern wegen eines geringfügigen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse erkannte, ist die neue Sicht des BFH eine andere: Es befand das Urteil des Finanzgerichts ganz in Ordnung, insbesondere die Feststellung, dass die Übernahme der Bußgeldzahlungen durch die Spedition nicht in deren ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse erfolgte: Gegen die Rechtsordnung verstoßende, mit Bußgeldern belegte Weisungen des Arbeitgebers stellen keine notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen dar.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 07. Juli 2004, Az. VI R 29/00) hält der BFH damit nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des Halteverbots im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liege. Durch diesen Richtungswechsel hat der Senat des BFH der jahrelangen Kritik an der bisherigen Rechtsprechung Rechnung getragen.

Für den BFH war dabei nicht von Bedeutung, ob der Arbeitgeber das rechtswidrige Verhalten angewiesen hat und dies tun darf. Beachtliche betriebsfunktionale Gründe dürften nicht auf rechtswidrigem Verhalten basieren. Derartige Anweisungen des Arbeitgebers seien deshalb unbeachtlich.

Serie: Übernahme von Bußgeldern
Teil 1 klärt die grundlegenden Rechtsfragen und klärt über die Risiken von Strafvollstreckungsvereitlung und Untreue auf. Teil 2 ist ein Nachtrag zur aktuellen BFH-Rechtsprechung: Wer Mitarbeitern das Knöllchen zahlt, muss das als Arbeitslohn versteuern.

Fazit: 3000 Euro Eigeninteresse

Ausschlaggebend war im vorliegenden Fall, dass es sich nicht um gelegentliche und geringfügige Verstöße pro Arbeitnehmer handelte. Bei Bußgeldern von insgesamt knapp 3000 Euro (und darüber) gegen einzelne Fahrer hat auch der betroffene Mitarbeiter ein großes Interesse, die auf ihn lautenden Bescheide dem Betrag nach vom Arbeitgeber ausgeglichen zu bekommen. Also: Das Interesse des Arbeitnehmers ist nicht in den Hintergrund getreten.

Die Übernahme von Bußgeldern stellt somit in der Regel Arbeitslohn dar und ist damit lohnsteuerpflichtig.

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