All-IP-Migration: Wie T-Systems den Um­stieg auf All-IP organisiert

Patrick Molck-Ude ver­antwortet als T-Systems-Ge­schäfts­führer das Tele­kommunikations­geschäft mit den natio­nalen und inter­natio­nalen Groß­kunden des deut­schen Kon­zerns, Werner-Eduard Gabriel ist All-IP-Experte im Unter­nehmen. Beide er­läutern im Inter­view Chancen und Heraus­forderungen der IP-Migration.

Der Weg zu All-IP führt über die Cloud

Von Doris Piepenbrink

All-IP-Umstellungen können sehr unterschiedlich aussehen. Dabei geht der Technologietrend weit über die IP-Migration hinaus in Richtung Cloud Computing. Der Weg dorthin stellt gerade bei größeren Unternehmen und Behörden eine komplexe Aufgabe dar – nicht nur für die IT-Abteilung, sondern auch für den Netzanbieter.

„Mit der Kommunikation über IP macht ein Unternehmen das gesamte Potenzial innovativer Kommunikationslösungen für sich nutzbar“, stellt T-Systems-Geschäftsführer Patrick Molck-Ude gleich am Anfang des Gesprächs fest. UCC-Systeme ließen sich einbinden, neue Anschlüsse problemlos zu- oder wieder abschalten, Festnetzanschlüsse auf Handy oder Home-Office-Telefon umleiten. Molck-Ude fasst es so zusammen:

„Die Telekommunikation lässt sich wie jede andere Anwendung in die ITK-Umgebung des Unternehmens einbinden und mit den verschiedensten Anwendungen koppeln. Das ist die große Chance der IP-Migration.“

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T-Systems International bietet verschiedene Anschlussvarianten für All-IP. (Bild: T-Systems)

Wenn ISDN Ende 2018 abgeschaltet wird, muss ein flächendeckendes All-IP-Netz bereitstehen, mit einem darauf abgestimmten Produktportfolio. Privathaushalte, Unternehmen und Behörden müssen bis dahin auf IP umgestellt haben. Werner-Eduard Gabriel, All-IP-Experte bei T-Systems, erklärt die Herausforderung dabei: „Viele unserer Großkunden haben oft sehr spezifische Anforderungen. Dies erfordert ein hohes Know-how im Design, die Projektumsetzung ist komplex.“ Er schildert die All-IP-Lösungen von T-Systems als einzelne Module, die jeweils entsprechend den Anforderungen des Kunden zu einer individuellen Gesamtlösung zusammengesetzt werden. In der Regel dauere der Prozess von den ersten informativen Workshops über die Ausschreibungen bis hin zur kompletten IP-Integration etwa zwei bis drei Jahre. Derzeit seien die meisten Kunden mitten in der Umstellungsphase. Laut Molck-Ude wissen die Netzwerkverantwortlichen der Kunden, dass sie sich dem Technologietrend IP nicht entziehen können und dass sie für die Umstellung entsprechend Zeit einplanen müssen, etwa weil es noch laufende Wartungsverträge gibt, die zu berücksichtigen sind. Daher informiere T-Systems die Kunden rechtzeitig. Molck-Ude stellt fest: „Wegen der IP-Umstellung haben wir noch keinen Großkunden verloren.“

Die Bestandsaufnahme kommt zuerst

Zu Beginn eines IP-Projektes, erklärt Gabriel, sei eine Sichtungsphase notwendig: Welche Komponenten sind an welchen Standorten installiert? Sind sie migrationsfähig? Wird die Klimaanlage per ISDN angesteuert? Der Notruf im Aufzug oder die Alarmanlage? Dadurch bekomme man bereits einen ersten Eindruck, wie aufwendig die Umstellung werde und wo die kritischen Punkte lägen. Im nächsten Schritt müsse, etwa bei Sonderdiensten, geklärt werden, ob sich vorhandene Komponenten upgraden lassen, ob ein Adapter oder eine Ersatzlösung dafür verfügbar sei. T-Systems verweise dann oft auf das Testcenter der Telekom.

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Die All-IP-Infrastruktur von T-Systems (Bild: T-Systems)

Werner-Eduard Gabriel erklärt dazu: „Viele Hersteller und Kunden nutzen die Kompetenz unseres Testcenters. In den allermeisten Fällen findet sich eine Lösung.“ Das Netzwerk selbst sei meist schon VoIP-fähig, weil eine Priorisierung des IP-Verkehrs schon wegen anderen Unternehmensanwendungen längst implementiert sei. Sind diese Vorarbeiten geleistet und alle Komponenten im Netz IP-kompatibel, kann auf All-IP umgestellt werden. Die Lösungen sehen laut Gabriel allerdings sehr unterschiedlich aus:

„Da gibt es alles – von der Einbindung einer klassischen TK-Anlage bis hin zu innovativen UCC-Lösungen. Und oft folgen dann im nächsten Schritt ein Rollout und die Umstellung der ganzen IT-Infrastruktur auf Cloud-basierte Lösungen.“

Unterschiedliche Entscheidungsstrukturen

Die Kunden von T-Systems sind vielfältig. Laut Molck-Ude haben Filialisten und mittelständische Unternehmen meist zentralisierte Entscheidungsstrukturen. So definiere ein Filialist zunächst seine Filialtypen, entscheide, wie die Infrastruktur dort jeweils aussehen soll, und mache dann einen sehr strukturierten Rollout. Bei Bund und Ländern gebe es dagegen Rahmenverträge über ein Portfolio, das den Gemeinden quasi als Warenkorb zur Verfügung gestellt wird. Dieses könne von Gemeinde zu Gemeinde über eine Abstimmung und gemäß den dort getroffenen Entscheidungen abgerufen werden.

Patrick Molck-Ude erläutert: „Infrastrukturen für Länder und Kommunen müssen hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen. Anwendungen für eine Bundes-Cloud etwa müssen BSI-zertifiziert sein.“ Bei der öffentlichen Hand herrsche Breitbandhunger. In der Regel würden Kommunen sofort auf höhere Bandbreiten umstellen, sobald diese verfügbar seien. Deshalb sei hier die IP-Migration schon lange ein Thema, müsse aber aufgrund der spezifischen Anforderungen langfristig vorbereitet werden.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Bei­trag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Kom­munika­tion und Netze“ 1/2017. Einen Über­blick mit freien Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Molck-Ude beschreibt auch die Anforderungen der großen, international agierenden Konzerne: „Hier ist es wichtig, die IP-Migration in das Gesamtkonzept einzubinden.“ Das bedeute für die Konzern-IT weltweite Entscheidungen, die nicht allein die Telefonie betreffen, sondern auch die Einbindung von Anwendungen wie SAP, Salesforce, Microsoft etc. Sie hingen auch davon ab, inwieweit solche Lösungen bereits über die Cloud betrieben werden und in welcher Form.

Manche Unternehmen vermarkten auch Lösungen von T-Systems als Teil eines Gesamtkonzepts für ihre Kunden. Molck-Ude veranschaulicht das mit einem Beispiel: „Wenn ein Lieferant von Brandschutztechnik beispielsweise für seinen Kunden eine Kommunikationslösung für einen Straßentunnel benötigt, dann fragt er bei uns an. Das ist dann B-2-B-2-B-Geschäft.“ Oft sind das langfristige Projekte, die minutiös geplant werden.

Die Cloud braucht starke Netze

Doch unabhängig von Entscheidungswegen und Unternehmensstrukturen ist laut Molck-Ude eines festzustellen: „Der Trend geht in der Telekommunikation zu Plattformen, welche die Digitalisierung und Anwendung von Cloud-Lösungen international ermöglichen.“ Das könne je nach spezifischen Anforderungen eine Private Cloud im eigenen Rechenzentrum oder bei T-Systems sein, manche Standardanwendungen könnten aber auch über eine Public Cloud genutzt werden. So oder so werden sichere und bandbreitenstarke Netze immer wichtiger.

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