Blockchain: Wer ganze Liefer­ketten per Block­chain absichert

Krypto­währungen wie Bit­coin arbeiten mit einer Block­chain, um Über­wei­sun­gen zu sichern. Doch die Tech­nik eig­net sich auch für das In­ter­net of Things und die lücken­lose Kon­trolle von lang ge­streck­ten Supply Chains. Erste prak­ti­sche Ver­su­che in Pro­duk­tion und Han­del ver­lau­fen be­reits ganz erfolgreich.

Vertrauen ist gut, anketten ist besser

Von Roland Freist

Während zunächst vor allem das Konzept der Kryptowährungen im Fokus der Öffentlichkeit stand, hat sich das Interesse zuletzt mehr und mehr der Blockchain-Technik zugewandt, auf der Bitcoin etc. basieren. Zunächst waren es vor allem Finanzinstitute wie Banken und Versicherungen, welche die neuen Währungen und die dahinterstehende Technik unter die Lupe nahmen. Inzwischen jedoch entdecken immer mehr Unternehmen die Vorteile, welche die Blockchain im Internet of Things bietet.

Wie eine Blockchain funktioniert

Was genau verbirgt sich nun hinter dem Begriff Blockchain? Zunächst einmal handelt es sich dabei einfach nur um ein Datenbankmanagementsystem, das jedoch im Unterschied zu zentral aufgebauten, relationalen Datenbanken auf mehrere Knoten, englisch Nodes, verteilt ist. Das darf man sich allerdings nicht so vorstellen, dass die Daten portionsweise auf einen Cluster aus mehreren Computern aufgeteilt würden. Stattdessen liegen auf jedem Node exakt dieselben Daten. Ändert sich etwas am Datenbestand, werden die Datensätze auf sämtlichen Nodes automatisch aktualisiert. Das ist zugleich eines der wichtigsten Sicherheitsfeatures einer Blockchain: Da es mehrere Kopien der Datensätze gibt, im Fall der Bitcoin-Blockchain sind es aktuell etwa 12.000, sind unbemerkte Manipulationen nahezu unmöglich.

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In einer Blockchain werden die Datensätze über Hashes durch die nachfolgenden Datenblöcke unveränderbar gemacht. (Bild: The Bitcoin Foundation/C rall – Wikipedia)

Hinzu kommt eine weitere Eigenschaft, auf die der Name bereits hindeutet: In einer Blockchain werden Datenblöcke wie bei einer Kette miteinander verbunden. Jeder Block speichert mehrere Transaktionen, im Fall von Bitcoin handelt es sich eben um Überweisungsdaten der digitalen Währung. Diese Transaktionen werden jeweils paarweise mit einer Prüfsumme (englisch: Hash) gesichert, zudem wird ein Hash für den kompletten Block errechnet. Dieser wiederum wird über eine verschlüsselte Verbindung in den nächsten Block übernommen und mit den Hash-Werten der dort gespeicherten Transaktionen zu einem weiteren Hash kombiniert. Dieser Wert wandert anschließend in den folgenden Block, wo er wiederum mit den Prüfsummen der dort gespeicherten Transaktionen verschmolzen wird etc. Auf diese Weise entsteht eine Kette, bei der sämtliche vorhergehenden Glieder unveränderbar sind. Jeder Versuch einer Manipulation würde sich auf sämtliche nachfolgenden Blöcke auswirken und die dort gespeicherten Hashes verändern, und zwar in jeder Kopie der Datenbank.

Was als Transaktion in einer Blockchain gespeichert und gesichert wird, ist frei wählbar. Das können Überweisungsdaten wie bei Bitcoin sein, bei der konkurrierenden Kryptowährung Ethereum nimmt die Blockchain darüber hinaus aber auch Vertragsklauseln in Form von Wenn-dann-Beziehungen (Smart Contracts) auf. Andere Blockchains speichern beispielsweise Abrechnungsdaten von Energielieferanten, Urheberrechtsinformationen, die Daten von Frachtpapieren, eine elektronische ID oder sogar Wählerverzeichnisse. Zahlreiche Unternehmen und Behörden weltweit eruieren derzeit, welche Möglichkeiten die Blockchain-Technik ihnen bieten könnte.

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Das US-Unternehmen Xage bietet eine per Blockchain gesicherte IoT-Plattform an. (Bild: Xage)

Frachtinformationen in der Logistik

So sieht beispielsweise die Fracht- und Logistikbranche die Chance, per Blockchain ihre Transporte besser zu sichern und damit die Supply Chain zu stabilisieren. Die Firmen stehen vor dem Problem, dass ihre Container weitgehend selbstständig ihr Ziel erreichen müssen, oft über mehrere Stationen hinweg. Dazu werden teilweise noch Frachtpapiere verwendet, häufig aber auch schon elektronische Hilfsmittel wie Sensoren, die an den Containern angebrachte Codes auslesen, die Informationen auswerten und den weiteren Transport steuern. Diese Sensoren sind vielfach über das Internet vernetzt, sodass die Auftraggeber jederzeit abrufen können, wo sich ihre Ware jeweils befindet.

Doch dieser unbeaufsichtigte Transport bringt nicht nur Kostenvorteile, sondern birgt auch Risiken. Kriminelle manipulieren beispielsweise die Datenkommunikation, um Container umzuleiten und den Inhalt zu stehlen, während das Dashboard des Logistikunternehmens anzeigt, dass sich die Fracht auf dem gewünschten Weg befindet. Außerdem kommt es auch zu Lesefehlern, hervorgerufen etwa durch Beschädigungen an den Containern oder Sensoren, die ebenfalls zu fehlgeleiteten Transporten führen können.

Um die Schäden durch solche Risiken zu verringern, arbeiten die Fracht- und Logistikunternehmen an besser geschützten Systemen. Eines davon ist die kalifornische Firma Xage, die dabei auf die Vorteile einer Blockchain setzt. Xage speichert die Rückmeldungen der Container in einer verteilten Datenbank, auf die ein Netzwerk aus Personen, Anwendungen und Maschinen Zugriff hat. Auf diese Weise wird die Sicherheit der Daten erheblich erhöht, und zwar nicht nur, weil die Technik der verketteten Blöcke Manipulationen älterer Daten verhindert. Änderungen müssten zudem auf sämtliche Kopien der Daten übertragen werden, was aufgrund der Überwachung durch die verschiedenen Instanzen schwierig bis unmöglich wäre. Auf diese Weise lässt sich nicht nur der Weg kontrollieren, den ein Container nimmt, sondern die beteiligten Unternehmen können auch die Frachtinformationen und Vertragsformulierungen sichern.

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IBM und Maersk erproben den Einsatz der Blockchain für die Sicherung von Schiffstransporten. (Bild: IBM)

Container-Tracking in Echtzeit

Xage ist nicht das einzige Unternehmen, das die Möglichkeiten der Blockchain im internationalen Handel erprobt. Bereits seit 2016 arbeiten IBM und der dänische Konzern Maersk, die weltweit größte Containerschifffahrtsgesellschaft, zusammen, um Blockchain- und Cloud-basierte Techniken zu entwickeln. Maersk hat dazu einmal aufgeschlüsselt, wie die Supply Chain etwa bei einem Transport von tiefgekühlten Produkten von Ostafrika nach Europa aussieht. Die Ware muss dabei eine Kette von rund 30 Personen und Organisationen durchlaufen und löst mehr als 200 unterschiedliche Interaktionen und Kommunikationsschritte aus. Viele davon erfolgen noch auf Papier. Die Untersuchung von Maersk hat ergeben, dass die maximalen Kosten für die Ausfertigung der erforderlichen Dokumente zur Abwicklung des Handels bei vielen Gütern heute ein Fünftel der tatsächlichen physischen Transportkosten erreichen.

Serie: Blockchain
Teil 1 beginnt mit den Anfängen und erklärt, wie Kryptowährungen (Bitcoin etc.) funktionieren. Teil 2 erklärt das technische Prinzip hinter diesen Neuerungen und skizziert erste Anwendungsfälle. Teil 3 geht dann ausführlicher auf die Blockchain in Lieferketten ein, vor allem bei der Logistik. Ein Extrabeitrag widmet sich zuletzt den Jobchancen und den Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich.

Diese Prozesse zu vereinfachen, zu beschleunigen, sicherer und kostengünstiger zu machen ist das Ziel eines neuen Joint Ventures, das IBM und Maersk Anfang des Jahres angekündigt haben. Mit der Blockchain-Technik ist es möglich, eine Art gemeinsames Kassenbuch für alle beteiligten Partner anzulegen. Damit können sie alle Transaktionen, die innerhalb dieses Netzwerks stattfinden, nicht nur unveränderlich aufzeichnen. Sie werden auch in die Lage versetzt, auf vertrauenswürdige Daten in Echtzeit zuzugreifen: Alle Partner, die in die Supply Chain eingebunden sind, bekommen eine Single Version of Truth einer Transaktion, also eine einheitliche Version dessen, was sämtliche beteiligten Personen und Institutionen als korrekt betrachten.

IBM und Maersk haben auf dieser Basis eine Plattform entwickelt, die in den vergangenen Monaten bereits von mehreren Unternehmen und Organisationen getestet wurde, darunter DuPont, Dow Chemical, Tetra Pak, Port Houston, Rotterdam Port Community System Portbase, die Zollbehörden der Niederlande sowie die U.S. Customs and Border Protection. Es zeigte sich, dass ein solches System geeignet wäre, die Abfertigung von Containern und anderer Schiffsfracht zu digitalisieren, zu automatisieren und damit günstiger zu machen. Das geplante Joint Venture zwischen IBM und Maersk soll nun dazu dienen, diese Lösung zu vermarkten und einem größeren Kreis von Unternehmen anzubieten.

Tachomanipulation impossible

Aber nicht nur auf See wird die Blockchain zunehmend zum Thema, auch für die Automobilindustrie eröffnet sie neue Chancen. Zulieferer Bosch hat daher im vergangenen September gemeinsam mit BNY Mellon (Bank of New York Mellon), der U.S. Bank, Cisco und Gemalto die Trusted IoT Alliance gegründet. Ziel ist es, einen Blockchain-Standard für das Internet of Things zu entwickeln, der als Open Source frei verfügbar sein soll. Dirk Slama, der Vice President und Chief Alliance Officer von Bosch Software, erklärte dazu, dass es seiner Meinung nach ohne Vertrauen kein IoT geben werde.

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Die Trusted IoT Alliance will einen offenen Blockchain-Standard für das Internet of Things etablieren. (Bild: Trusted IoT Alliance)

Das Ziel der Trusted IoT Alliance ist es daher, ein vertrauenswürdiges IoT-Ökosystem aufzubauen, das Objekte im Internet of Things mit einer Art Geburtsurkunde ausstattet, über die sie identifiziert, inventarisiert und über Blockchain-Netzwerke verwaltet werden können. Die Mitglieder des Konsortiums haben bereits eine API veröffentlicht, über die sich Dinge in Hyperledger– und in den Netzwerken der Enterprise Ethereum Alliance registrieren lassen. Weitere Schnittstellen zu anderen Blockchains sollen folgen, wobei der Fokus auf kommerziell und industriell nutzbaren Netzwerken liegt.

Bosch sieht die Blockchain als Teil einer technischen Entwicklungslinie, die einst mit dem Barcode, dem ersten digitalen Produktidentifikator, begonnen hat. Das System hat damals zu enormen Einsparungen und Vereinfachungen im Einzelhandel und Fertigungssektor geführt und ermöglichte unter anderem schnellere Bezahlvorgänge und eine einfachere Identifikation von Waren. Mit der Blockchain soll diese Entwicklung fortgeführt werden.

Auch ein Pilotprojekt ist bereits gestartet. Es soll Autos mit einem Zertifikat ausstatten, um auf diese Weise beim Gebrauchtwagenhandel Betrug etwa durch Manipulationen am Tachometer zu verhindern. Das Zertifikat nimmt die Daten der Telematiksysteme der Fahrzeuge auf, verschlüsselt sie, sodass lediglich der Fahrzeugeigner darauf Zugriff hat, und speichert sie sicher und unveränderlich in einer Blockchain.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Sonderheft Industrial Security zur Hannover Messe Industrie 2018. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Durchgängig verteilte Qualitätssicherung

Ebenfalls auf Open Source setzt SophiaTX. Das Unternehmen arbeitet an einer Plattform, um die Blockchain in SAP und andere Enterprise-Systeme zu integrieren und hat dabei vor allem die Pharmaindustrie im Blick. Auch hier geht es um das Track and Trace der Produkte in der Supply Chain von der Herstellung über die Qualitätssicherung und den Versand bis hin zu den Kunden. Da die Hersteller der 20 meistverkauften Medikamente weltweit allesamt SAP einsetzen, bietet es sich an, speziell diese Lösung um die Blockchain-Technik zu erweitern.

Bereits marktreif ist die Hypertrust-Lösung von Camelot Innovative Technologies Lab (Camelot ITLab). Das Unternehmen bietet mit seinem Sensor-driven Track & Trace eine Lösung für die Kontrolle von Logistikprozessen an. Sie erkennt selbsttätig, wenn verderbliche Produkte aufgrund zu hoher Temperaturen während des Transports ihre Haltbarkeit verlieren, und schreibt diese Informationen unveränderbar in eine Blockchain, um Kunden und Verbraucher zu schützen.

IBM wiederum entwickelt derzeit gemeinsam mit Lebensmittelkonzernen und Einzelhändlern wie Dole, Driscoll’s, Golden State Foods, Kroger, McCormick and Company, McLane Company, Nestlé, Tyson Foods, Unilever und Walmart eine Blockchain-Lösung, um weltweite Lieferkette für Lebensmittel zu sichern. Auf diese Weise sollen sich Art und Ursache von Verunreinigungen schneller und präziser bestimmen lassen, sodass die Lebensmittelsicherheit steigt. Falls irgendwo in der Lieferkette Nahrungsmittel verunreinigt werden, ganz gleich, ob aus Nachlässigkeit oder durch kriminelle Energie, kann man über die in der Datenbank gespeicherten Informationen innerhalb weniger Sekunden feststellen, welche Produkte davon betroffen sind und an welche Geschäfte und Supermärkte sie geliefert wurden. Erprobt wurde dieses Konzept bereits in den USA und China in einer Kooperation zwischen IBM und Walmart.

Der Reiz der Blockchain-Technik liegt vor allem in dem hohen Grad an Vertrauen, das sie bei den Beteiligten schafft. Jeder Beteiligte etwa an einer Supply Chain kann jederzeit Einsicht in den Weg nehmen, den eine Ware zurückgelegt hat. Diese Informationen – sie stammen häufig von automatisch arbeitenden Sensoren – sind nicht veränderbar und werden im Idealfall in Echtzeit aktualisiert. Auf diese Weise lassen sich gleichzeitig große Teile der Fracht- und Transportlogistik automatisieren und digitalisieren.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


Redaktionsbüro Roland Freist, Fritz-Winter-Str. 3, 80807 München, Tel.: (089) 62 14 65 84, roland@freist.de

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