Data Science und Kryptologie studieren: Wo Daten­analysten und Krypto­logen studieren

„Ich werde Data Scientist!“ Was noch vor Kurzem höchstens Frage­zeichen hervor­gerufen hätte, gilt heute als Beruf mit Top-Karriere­chancen. Zugleich erlebt die Krypto­grafie einen Run wie nie zuvor. Die Hoch­schulen haben bereits auf die Nach­frage re­agiert und bieten maß­ge­schneiderte Studien­gänge an.

Informatik für Hartgesottene

Von David Schahinian

Daten sind angeblich das Öl unserer Zeit. Ein Bildschirm voller Nullen und Einsen allein bringt aber niemandem etwas. Es braucht Menschen, die mit den Daten umzugehen wissen, die sie strukturieren und interpretieren – und daraus schlaue Schlüsse ziehen. Vorhang auf für den Data Scientist, den die Harvard Business Review bereits 2012 als „Sexiest Job of the 21stCentury“ bezeichnete. Auch wenn diese Assoziation möglicherweise nicht ganz realistisch ist, so steht doch fest: Unternehmen suchen derzeit händeringend Datenspezialisten.

Die Wege dorthin führen über ein Studium. „Derzeitige Data Scientists sind überwiegend Quereinsteiger, die Mathematik, Statistik oder eine Ingenieurwissenschaft studiert haben, manchmal auch eine Wirtschafts- oder Sozialwissenschaft mit quantitativem Schwerpunkt im Nebenfach“, sagt Benjamin Aunkofer. Er ist Lead Data Scientist beim Berliner Software-Entwickler Datanomiq sowie Dozent an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Er weiß das Berufsbild Data Scientist auch von benachbarten Disziplinen wie dem Data Engineer abzugrenzen. Dieser befasse sich stärker mit der Beschaffung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten, während Data Scientists sich vor allem mit der weiterführenden, anwendungsspezifischen Datenanalyse bis hin zur Erstellung von Modellen maschinellen Lernens auseinandersetzen. Aunkofer: „Die Lehrangebote von öffentlichen und privaten Hochschulen fokussieren überwiegend auf Data Science als Master-Studienangebot. Das ist besonders flexibel, da diverse Bachelor-Studiengänge den Zugang zu einem solchen Master-Studiengang erlauben.“

Data Science in Anwendungsnähe

Dedizierte Studiengänge Data Science sind in Deutschland bislang noch rar. Die Angebote sind sämtlich jüngeren Datums, es steht aber zu erwarten, dass weitere Hochschulen nachziehen. An der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo ist Data Science als sechssemestriges Bachelor-Studium am Fachbereich Elektrotechnik und Technische Informatik angesiedelt. Das Angebot wurde zum Wintersemester 2018/19 gestartet. Geworben wird hier nicht nur mit „weltweit besten Berufsaussichten“ für Absolventen, sondern auch mit diversen Forschungseinrichtungen, die direkt auf dem Hochschulcampus angesiedelt sind. Dazu zählen etwa das Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) oder die SmartFactoryOWL, eine gemeinsame Initiative mit der Fraunhofer-Gesellschaft. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines dualen Studiums: Studierende sind währenddessen bei einem Unternehmen angestellt und werden von diesem bezahlt. An einem Tag in der Woche sowie in der vorlesungsfreien Zeit arbeiten sie dort an Projekten.

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Seit dem Wintersemester 2018 gibt es an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe Bachelor-Studiengang Data Science. (Bild: Centrum Industrial IT (CIIT))

Ebenfalls herausfordernd, aber aus internationalem Blickwinkel besonders interessant ist der viersemestrige Master-Studiengang Data Science an der Universität Potsdam. Er ist englischsprachig und verbindet die Bereiche maschinelles Lernen, statistische Datenanalyse, naturwissenschaftliche Datenassimilation und Business Analytics. Wie bei vielen anderen Studiengängen an der Universität auch besteht die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums.

Vier Semester dauert auch das zum Wintersemester 2017/2018 gestartete Data-Science-Master-Studium an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Als Schwerpunkte werden „Urban Technologies“ und „Intelligent Machines“ genannt, mit Blick auf Projektkooperationen und das Forschungszentrum Data Science ist das Studium vom Start weg praktisch ausgerichtet. Auch die staatlich anerkannte University of Applied Sciences Europe bietet an ihren Standorten in Berlin (auf Englisch) und in Hamburg (auf Deutsch) seit dem Wintersemester 2017/18 einen sechssemestrigen Bachelor-Studiengang Digital Business & Data Science an.

Werkzeugkunde für Datenwissenschaftler

Auch die Technische Universität Chemnitz hat auf die Nachfrage reagiert: Dort ging der Masterstudiengang Data Science, getragen von den Fakultäten Mathematik und Informatik, im Wintersemester 2018/19 an den Start. Der Studiengang erfreue sich nicht nur großen Interesses seitens der übrigen Fakultäten der TU, sondern auch der Technologieunternehmen der Region, berichtet Prof. Dr. Oliver Ernst. Der Studiengang steht Bachelor-Absolventen der Mathematik, Informatik, Elektrotechnik und Physik offen. „Bei anderen Abschlüssen entscheidet eine Einzelfallprüfung des Prüfungsausschusses über die Aufnahme.“

Aus gutem Grund: Der Schwerpunkt liege in der theoretischen Durchdringung und soliden Beherrschung der mathematischen Methoden, die der Datenanalyse und der künstlichen Intelligenz zugrunde liegen, so Ernst weiter. Dazu zählten vor allem Elemente der Statistik, der Optimierung und der numerischen linearen Algebra. Daneben biete der Studiengang eine solide Ausbildung in den Werkzeugen eines Data Scientists, von den gängigen Programmiersprachen der Branche R, Python und Matlab bis zu den wichtigsten Programmpaketen wie TensorFlow, Keras und ScikitLearn.

Der Praxisbezug spielt aber auch eine Rolle: Um Studierende auf Tätigkeiten in Unternehmen vorzubereiten, absolvieren sie unter anderem Module in einem der Anwendungsfelder Informatik, Wirtschaftswissenschaften oder Elektrotechnik. „Für das viersemestrige Master-Studium Data Science wurden an der Fakultät für Mathematik vier neue Lehrveranstaltungen entwickelt. Es werden also nicht lediglich bestehende neu kombiniert“, hebt Ernst hervor. Nicht zu vernachlässigen sei der „sehr studentenfreundliche Wohnungsmarkt in Chemnitz“.

Schwer, aber schön: Kryptologie

Übrigens: Als Data Scientists können Absolventen nach Angaben der Jobbörse Stepstone ein Durchschnittsgehalt von 55.300 Euro erwarten. Noch mehr, im Schnitt 74.748 Euro, wird laut gehalt.de für Kryptologen gezahlt. Das Portal hat diesen Beruf zudem als einen der acht Trendberufe für 2019 identifiziert. Kryptografie-Experten sind für die Ver- und Entschlüsselung von Informationen zuständig und nehmen eine Schlüsselrolle überall dort ein, wo es gilt, Daten und sensible Informationen zu schützen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen bereits verfügbaren Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

„Angesichts der immer stärkeren Vernetzung und der damit einhergehenden Sicherheitsprobleme erscheinen die beruflichen Perspektiven für Kryptologen nachhaltig ausgezeichnet“, sagt Prof. Dr. rer. nat. Rüdiger Weis. Der Diplom-Mathematiker und Kryptoanalytiker lehrt am Fachbereich Informatik und Medien an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Ähnlich wie beim Data Scientist (der im selben Fachbereich zu Hause ist) gilt auch hier: Naheliegende Studienfächer sind in erster Linie Mathematik und Informatik mit Vertiefungsfach Mathematik. „Studenten, die Bindestrich-Informatikfächer studieren, müssen möglicherweise einige mathematische Fragestellungen in Eigenarbeit vertiefen“, betont Weis. Dafür muss man vielleicht nicht geboren sein, aber doch ein Faible haben. Weis: „Wer Mathematik studiert, hat ein sehr schwieriges Fach gewählt. Es bietet aber neben besten Berufsaussichten auch eine unvergleichliche wissenschaftliche Schönheit.“ Wichtig dabei sei, sich in der Anfangsphase nicht entmutigen zu lassen. „Speziell die ersten Semester Mathematik werden selbst von vielen bedeutenden Wissenschaftlern als sehr herausfordernd angesehen.“ Erst nach harter Arbeit entwickele sich ab den mittleren Semestern ein tieferes mathematisches Verständnis, das dann oftmals zu einem beglückenden Gefühl der tiefen intellektuellen Befriedigung führe.

Separate Studiengänge sucht man für Kryptologen allerdings bisher vergeblich. Ähnlich wie in Berlin werden auch an der TU Dresden Vorlesungen zum Thema angeboten, die für verschiedene Informatikstudiengänge offenstehen. Sie sind dort bei der Professur für Datenschutz und Datensicherheit angesiedelt, von denen es bundesweit noch nicht sehr viele gibt. Im Mittelpunkt steht zum einen die Kryptografie, die Verschlüsselungsverfahren zum Schutz von Vertraulichkeit und Integrität von Informationen zur Verfügung stellt. Die Kryptoanalyse auf der anderen Seite setzt sich mit den Schwächen dieser Verfahren auseinander. (Wem die Begriffshäufung kryptisch vorkommt, dem sei gesagt: Gemeinhin werden Kryptografie und Kryptoanalyse unter dem Oberbegriff „Kryptologie“ zusammengefasst.)

Möglichkeiten für ein Data-Science-Studium oder die Vertiefung des Themas Kryptologie bietet auch die Philipps-Universität Marburg. Das Thema Verschlüsselung hat dort immer wieder in Vorlesungen und Proseminaren bzw. Seminaren seinen Platz.

Anfrage direkt vor Ort

Grundsätzlich empfiehlt es sich für Interessenten, die später einmal in diesen Berufen arbeiten möchten, Kontakt zu den Bildungseinrichtungen der eigenen Wahl aufzunehmen und nachzufragen. Denn Elfenbeintürme waren gestern: Wenngleich die Forschung und Lehre nach wie vor an erster Stelle steht, hat sich in den meisten Universitäten und Hochschulen auch das Bewusstsein durchgesetzt, dass Kooperationen mit der Wirtschaft für beide Seiten befruchtend sein können.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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